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München wächst schneller als gedacht – so könnte die Stadt im Jahr 2080 aussehen

Lea Haufler

München wächst. Und das schneller als vermutet. Laut den neuen Entwürfen des Demographieberichts soll München die 1.8-Millionen-Grenze nun schon 2030 erreichen. In 13 Jahren sollen dementsprechend ca. 200.000 mehr Menschen in München wohnen, als es heute der Fall ist. Lag die Prognose vor der Neuerung des Berichts noch deutlich unter der neuen Zahl, nämlich bei 1,723 Millionen Einwohnern im Jahr 2030, rechnet das Planungsreferat nun doch mit einem größeren Zuwachs. Die vorherige Einwohner-Prognose für das Jahr 2030 soll nun schon 2025 überschritten sein. Im Jahr 2035 dann soll sogar schon die 1.9-Millionen-Marke gesprengt werden.

Beliebt, beliebter, München

Doch welche Gründe gibt es für solch einen großen Zuwachs? Einerseits werden in München immer noch mehr Kinder geboren als Einwohner sterben. Die Geburtenrate kann, verglichen zur Sterberate, einen Unterschied von Plus 5000 Einwohnern registrieren. Noch ausschlaggebender für den Einwohnerboom ist aber die Zuwanderungsrate: 20.000 Menschen pro Jahr sollen es sein, die besonders aus den Mitgliedsstaaten der EU kommen und in die bayrische Landeshauptstadt ziehen. Der Ausländeranteil steigt laut der Prognose damit um 5% auf 32,9% aller Einwohner Münchens.

Mehr Menschen brauchen mehr Platz

Die Attraktivität Münchens ist groß. Noch vor kurzem als Dritt-lebenswerteste Stadt der Welt gekürt, ist es kaum verwunderlich, dass so viele Menschen in München leben wollen. Doch natürlich bringt das auch ein paar Schattenseiten mit sich. Logisch, je mehr Menschen in München wohnen, desto mehr Kinder und Jugendliche brauchen Schul- und Krippenplätze in der Stadt. Und den stark steigenden Bedarf an Schul-und Krippenplätzen sollte man nicht unterschätzen: Die Zahl der 10 – 15 Jährigen Münchner soll bis 2030 um ein Viertel wachsen, über 16.000 neue Schulplätze werden demzufolge benötigt. Auch das Krippenangebot muss sich bis 2035 um 5000 Plätze vergrößern. Dazu wird sich das schon existierende, problematisch hohe Verkehrsaufkommen nur noch weiter anspannen. Doch als wahrscheinlich größtes Problem wird sich wohl der mangelnde Wohnraum herausstellen: Da München bekanntlich schon 2017 ein großes Problem mit Wohnraum und bezahlbaren Wohnungen hat, wird dies eine der größten Aufgaben für die Politik sein. Es besteht dringender Handlungsbedarf!

Und wer handelt jetzt?

Eine Wohnungsbaugesellschaft, die Maßnahmen ergreift, schneller und effektiver neue Wohnungen zu bauen ist die Gewofag (eine der beiden städtischen Wohnbaugesellschaften). Ihr neuester Beschluss: Neubauten sollen zukünftig nicht als Einzelstück, sondern in Serie gebaut werden. Auf ein niedriges Preisniveau der Mietwohnungen soll hierbei besonders geachtet werden.

Doch neben bloßem Neubau braucht es weitere Maßnahmen. Die Lebensqualität in München soll auch auf lange Frist auf hohem Niveau bleiben, trotz immer mehr Menschen, mehr Wohnungen, weniger Grünfläche und mehr Verkehr. Neue Ideen werden gebraucht, wie München in Zukunft aussehen kann. Welche Innovationen und Veränderungen brauchen wir in unserer Wohn-und Lebenssituation, um mit diesen Problemen fertig zu werden und die Attraktivität des Wohnens in München aufrechtzuerhalten?

Wir TUM was!

Die Architektur-Masterstudenten der TU München haben in ihrem Projekt “Urbanes Leben 2080” neue Visionen entwickelt, wie man in 60 Jahren in München bauen und wohnen könnte. Doch warum denn so weit vorausgegriffen? Dafür gibt es eine klare Antwort auf der Vernissage zur Ausstellung des Projekts. “Wenn wir uns Wohnungen und Infrastruktur anschauen, sehen wir, dass schon vor 60 Jahren die Vorarbeit für unser München, so wie es 2017 ist, geleistet wurde. Auch wir müssen jetzt schon damit anfangen, uns Gedanken über das Wohnen und Leben 2080 zu machen.” Das Zentrum für nachhaltiges Bauen, bzw. der Lehrstuhl für energieeffizientes und nachhaltiges Planen und Bauen betreut das Projekt, das vor allem auch auf neue Ideen hinsichtlich sozialem und nachhaltigem Wohnen setzt. “In der heutigen Welt geht es oft nur noch um Effizienz und neue Technologie. Wir setzen in unseren Projekten jedoch auf kulturelle Entwicklung, Integration und Lebensqualität”

Klar, neu bauen muss man natürlich auch. So haben die Studenten klare Maßnahmen entwickelt, wie speziell die Gewofag-Siedlung Ramersdorf mit Wohnungen aufgerüstet werden soll. Höher bauen ist hier die Devise. Auf schon bestehende Wohnungen neue Wohnungen drauf bauen. Nimmt nicht noch mehr Platz weg und schafft mehr Wohnraum.

 

ramersdorf

 

Nebeneinander wohnen, miteinander leben

Doch die Aufwertung der Siedlung geschieht nicht nur im räumlichen Sinne, auch die Wohnqualität soll sich verbessern. Oft kennen wir nicht mal unsere direkten Nachbarn und haben alles was wir brauchen in unserer kleinen Wohnung, wovon wir die Hälfte seltener als einmal im Monat benutzen. Beides wird sich ändern: “Nutzen statt Besitzen!” – 2080 soll es mehr Gemeinschaftsorte geben. Das nötigste, wie ein Bett, bleibt natürlich in der eigenen Wohnung. Doch es gibt eine Gemeinschaftsküche, Räume zum gemeinsam Arbeiten . Und besonders wichtig : eine grüne Dachterrasse, zum gemeinsamen Grillen, Spielen und Entspannen, die den Anwohnern die Möglichkeit gibt, einen eigenen Garten mitten in der Stadt zu haben. Auch einen Fitnessraum, Café und diverse Läden sollen im eigenen Wohnkomplex für die Bewohner vorhanden sein. Dabei schlägt man gleich mehrere Fliegen mit einer Klatsche: Die Effizienz einer Wohnfläche wird optimal ausgenutzt, weniger Ressourcen werden benötigt und der große soziale Faktor erfüllt nebenbei noch das Sozialbedürfnis.

Wohnen ist nicht mehr nur Nebeneinander-Herleben. Durch gemeinsame Freizeit-, Essens- und Arbeitsräume und besonders offene Laubengänge als Orte der Begegnung ist nach Vorstellungen der Studenten besonders die soziale Komponente ein wichtiger Faktor für steigende Lebens- und Wohnqualität. Jeder einzelne Wohnblock soll eine richtige Gemeinschaft sein, eine Nachbarschaft in der man sich richtig wohl fühlt und am besten alles bekommt, was man braucht – ob Lebensmittel oder gute Gespräche.

 

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Nachhaltige Pläne

Und Lebensmittel sollen nicht nur gekauft werden: Urban Farming auf dem Dach ist hier das Schlagwort. Etwa 10% des Lebensmittelbedarfs des ganzen Wohnkomplexes sollen die Anwohner selbst im hauseigenen Dachgarten anpflanzen und ernten. Sogar die Idee für eine Insektenzucht für den Proteinbedarf der Bewohner wurde vorgestellt.

 

garten

Selbst Ressourcen herstellen im Zuge der Ressourcenknappheit also. Auch eine Maßnahme hierzu: Eine Bauteil-Tauschbörse aus nachwachsenden, recyclebaren Materialien, die für eine optimale Anpassung der Wohnung an die sich verändernden Bedürfnisse des Wohnenden dienen soll. Nachhaltiges Bauteil-Leasing also. Neben Ressourcen sparenden Maßnahmen gibt es auch Pläne zum Energiehaushalt der Wohnungen. Dabei setzt man zu 100 % auf erneuerbare Energie: Solarthermie soll zum Heizen dienen und Wasser, das durch Wände und Böden fließt, wird das Kühlen übernehmen. Verkehrsminderung durch mehr öffentliche Verkehrsmittel und vor allem mehr und große Grünflächen sollen dem Bedürfnis nach Entspannung gerecht werden. Gerade in Bezug auf Wohnungen, stellen sich die Studenten viele Pflanzen, Bäume und einen große, bepflanzte Dachterasse vor.

Wer jetzt Interesse an unserem Wohnen der Zukunft bzw. dem unserer Kinder gefunden hat, kann sich die Ausstellung zum Projekt “Urbanes Leben 2080”, noch bis zum 21. Juli im PlanTreff ansehen. Denn es tut doch gut zu sehen, was möglich ist und besonders auch wie, um mit dem explosionsartigen Wachstum der Stadt München zurecht zu kommen. Und dabei vor allem auch nicht die Bedürfnisse des Einzelnen und das Miteinander zu vergessen.

Das Projekt “Urbanes Leben 2080” der Master Studenten des Fachs Architektur wurde betreut von Isabell Nemeth, Jochen Stopper und Christine Röger vom Zentrum für für nachhaltiges Bauen und dem Lerstuhl für energieeffizientes und nachhaltiges Planen und Bauen, Prof. Lang. Weitere beteiligte Lehrstühle waren Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen, Prof. Auer, Bauphysik, Prof. Sedlbauer, Holzbau und Baukonstruktion, Prof. Winter und Bauprozessmanagement und Immobilienentwicklung, Prof. Zimmermann.


Beitragsbild © Brozovsky, Brueckl, Radivojevic, Scherbel, Wirtz

Bild 1 © Bertele, Hofstaetter, Kungurtseva, Stratou, Vitopoulou

Bild 2 © Goeltner, Hu, Kronschnabl, Spiekerman, Xiao

Bild 3 © Baals, Hepf, van Iterson, Liebetanz, Stoll