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Münchner Literaturnachwuchs im Salon Luitpold

Florian Kappelsberger

Drei junge Stimmen aus München, drei verschiedene Perspektiven und drei spannende Romane, die auf unterschiedliche Weise mit der Isarmetropole verknüpft sind: Unter dem Titel “Münchner Debüts. Was treiben und schreiben die Autoren unserer Stadt?” wurden die Autor*innen Bernhard Heckler, Alexander Sperling und Ronya Othmann am vergangenen Donnerstag im Salon Luitpold empfangen. Sie stellten ihre Bücher vor, lasen Passagen daraus und diskutierten gemeinsam über das Schreiben, den Literaturbetrieb oder die Bedeutung Münchens für ihr Werk. Moderiert wurde der Abend von Erik Schilling, Professor für Literaturwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität.

Digitale Liebe, Klimakrise und Verlust

Die drei Werke erzählen jeweils sehr unterschiedliche Geschichten: Der Journalist Bernhard Heckler schreibt in seinen Debütroman Das Liebesleben der Pinguine von Liebe in der digitalen Gegenwart. Darin begleiten wir Niko, Nura, Sascha und Franco, die auf verschiedene Weise versuchen, zu lieben und geliebt zu werden (hier geht’s zum MUCBOOK-Interview mit Bernhard Heckler). Einfühlsam und im Stil eines Kammerspiels schildert der Autor, wie Nähe, Einsamkeit und Sehnsucht im Zeitalter von Social Media, Sextoys und Online-Dating erlebt werden.

Alexander Sperlings Buch seinerseits trägt den Titel Glashauseffekt und spielt im Jahr 2049. Inmitten einer globalen Klimakrise, die auch in Deutschland zu massiven Dürren, Engpässen und sozialer Spaltung führt, wird in Nürnberg ein Schauprozess inszeniert. Auf der Anklagebank: die Menschen des frühen 21. Jahrhunderts, die an der Aufgabe des Klimaschutzes gescheitert sind und damit die Nachwelt dazu verdammt haben, die fatalen Folgen zu tragen. Vor dieser Kulisse entspannt sich ein vielstimmiges Szenario, das aktuelle Fragen von Egoismus, Verantwortung und Schuld verhandelt.

In Ronya Othmanns Roman Die Sommer wiederum steht Leyla im Mittelpunkt, die als Tochter einer deutschen Krankenschwester und eines jesidischen Kurden in der Nähe von München aufwächst. Jedes Jahr verbringt sie die Sommer bei ihrer Familie in einem kleinen Dorf in Nordsyrien, lernt ihre Lieder und Geschichten, sammelt Eindrücke und Gerüche – bis all das von den fanatischen Truppen des IS gewaltsam ausgelöscht wird. Es ist ein eindrückliche, bewegende Geschichte von Wut, Trauer und der Erinnerung an eine Welt, die unwiederbringlich verloren geht.

Traumberuf: Autor*in

Ebenso unterschiedlich wie die Romane sind auch die Wege, auf denen die drei Autor*innen zum Schreiben gefunden haben. Alexander Sperlings Zugang ist akademisch und persönlich: Er hat zu dystopischen Visionen in der Gegenwartsliteratur promoviert und sich mit unzähligen Werken dieser Art auseinandergesetzt. Dabei sei der Wunsch entstanden, selbst eine Erzählung zu schaffen – und auch mit Konventionen des Genres zu brechen. Zugleich war im Privaten die Familienplanung in den Vordergrund gerückt, was ihm einen neuen Blick auf die Zukunft und die Welt, die man seinen Kindern womöglich hinterlässt, geboten habe.

Bernhard Heckler erinnert sich, schon als Grundschüler den Traumberuf “Autor” in Freundebücher geschrieben zu haben. Später studierte er Journalismus, quasi als Kompromiss mit der Realität. Eine Kolumne, die er für die Süddeutsche Zeitung geschrieben hatte, eröffnete dann die Chance: ein Verlagsvertrag für seinen Debütroman. Ronya Othmann ihrerseits entdeckte das Schreiben als Teenagerin. “Ich dachte: Ich will nichts anderes machen.” Es folgte ein Studium am Literaturinstitut in Leipzig. Unter dem Eindruck der schrecklichen Nachrichten aus Syrien begann sie, Kurzgeschichten über das Leben in den jesidischen Dörfern zu schreiben, wie sie es von Besuchen bei ihren Großeltern kannte. Daraus entstand schließlich die Figur Leyla, um die herum sich der Roman entfaltete.

Eine Heimatstadt mit utopischem Potenzial

Ein Aspekt allerdings verbindet die drei Bücher: ein gewisser Bezug zu München. Ronya Othmanns Protagonistin lebt im Einzugsgebiet der Landeshauptstadt, wo die Autorin selbst aufgewachsen ist. Durch diese Nähe habe sich das Umfeld für die Figur angeboten. So ist auch Bernhard Hecklers Werk hier angelegt. “Ich würde es sogar vorsichtig einen München-Roman nennen”, meint er lächelnd. Er ist ebenfalls ein Kind der Stadt, kein anderer Ort sei ihm so vertraut. Zugleich wollte er München, das oft als eindimensional gilt, in seiner Erzählung mit neuen Facetten zeigen.

Der Zukunftsroman von Alexander Sperling seinerseits spielt vor allem in Nürnberg, der Schauplatz des Klimaprozesses. Eine zentrale Passage des Buches ist allerdings nach München verlegt. Dies sei eine bewusste Entscheidung gewesen, um das positive und durchaus utopische Potenzial der Stadt einzufangen, so der Autor. “Vieles hier ist dystopisch, aber manches ist auch erhaltenswert.”


Titelbild: © Luisa Axtmann / Salon Luitpold

Buchcover: © &Töchter, Tropen, Hanser

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