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Pursuit of Happiness

Markus Michalek

Schreiben verursacht Schmerzen, geistige, körperliche, Schreiben ist Exzess.  Der Münchner Web-Poet Kapinski wird an dieser Stelle jeden Freitag über die Schmerzen, den Exzess, das Glück schreiben. Schreiben in München.

Eintrag Nr.1

Schreiben in München:

Die ersten Worte wollen gut gewählt sein. Eine Dreiklammerstruktur, wie in jenem ersten Satz, „Für den frühen Abend waren Gewitter angesagt, aber der Himmel blieb blau und der Wind hatte nachgelassen.“, aus Betty Blue, Philippe Djian.

Schreiben, das verursacht Schmerzen, geistige sowieso und körperliche ebenfalls, geht bis zum Exzess und am Ende?

Wenn Tag und Nacht wechseln und keine einzige brauchbare Zeile, nicht einmal ein einziges Wort auf dem Papier steht. Gegenmittel existieren. Ecriture automatique, Spaziergänge, Gespräche, Exzesse in Wein, Weib und Gesang, kurz: alles was anregt, alles was entspannt, alles was das Leben in einer Stadt wie München bieten kann. Schreiben, das ist Exzess in seinem ursprünglichsten Sinn und nichts anderes.

Manche denken, als Autor leide man unter der Last des Genies. Im kommenden Moment die Worte orgiastisch zu ejakulieren, mit wildem Blick fest gebannt, schreiben, bis die Finger lahm werden. Dazwischen Schweigen. Fuck that. Andere denken, tägliches Üben würde zum Erfolg verhelfen. Der Großschriftsteller, der sich den Alltag vom Leib hält – meist auf Kosten einer Frau, besser: mehreren. Fuck that. Der vermögende Autor, der sich den Luxus des Schreibens gönnt. Der alkoholkkranke, drogensüchtige, anderweitig kranke oder schizophrene Autor auf seiner Jagd durch unsere Stadt, an den Grenzen zwischen Genie und Wahnsinn. Fuck that. Der gescheitere Autor. Der hungrige Autor von Knut Hamsun, der sich die letzten Gramm Fett vom Körper schreibt. Der Medienautor, inszeniert bis ins letzte Detail und Star auf Parties. Der Freizeitautor. Fuck that. Die weiblichen Autoren? Kein Unterschied. Die Wahrheit? Ich weiß es nicht. Vielleicht irgendwo dazwischen, vielleicht auch nicht.

Aber was ich weiß: Schreiben schafft Freunde, viele und wenige, falsche und auch echte. Schreiben macht einsam und tötet Freundschaften. Schreiben erfordert eine dicke Haut. Wer sich von der kleinsten Schwierigkeit beirren lässt, wer sich verfälscht, um einem kurzweiligen Trend zu genügen, wer nicht bereit ist, sich mit schlechten Kritiken bewerfen zu lassen und sich mit den Vorgaben von Veranstaltern herumzuärgern, denen es weniger um Literatur als um ein ausverkauftes Platzkontingent geht – den wird Schreiben zu einem sehr unglücklichen Menschen machen. Egal ob in Berlin, New York, Seoul oder München.

Warum dann? Der Versuch, einem Fisch das Wasser zu nehmen. Der Versuch, einem Vogel die Flügel zu beschneiden. Der Versuch, einen Menschen unter Zwang zu isolieren. Das Ergebnis: Verkrüppelt.

Schreiben, das beinhaltet Glück. Glück ist ein pathetisches Wort, missverstanden und verschmäht. Zum Kitsch deformiert: Glitzerati-Glück unserer perfekten Welt und auch unserer Stadt, nicht weniger perfekt. Und wer sagt noch: Ich bin glücklich und meint, was gesagt ist? Sport macht glücklich, Essen auch und Ficken sowieso. Glück, das ist in der amerikanischen Verfassung festgehalten – gerade da!

Pursuit of Happiness, Und wie der erste Mensch, Auf Erden kam ,wie er seine Gefährtin fand, Er sprach mit ihr, Und glücklich war sein Herz, Nur für wie lange?

Die Menschen lieben Worte. Worte sind Glück. Worte sind kostbare kleine Arschlöcher, man sollte nicht zu verschwenderisch mit ihnen umgehen, viele Menschen haben nur eines.

Ein schreibender Mensch ist glücklich, sobald es ihm ein einziges Mal nur gelingt. Angefixt, weil ihm ein Wort gelingt. Für immer verloren, wenn ihm eine Zeile gelingt. Am Abgrund, wenn aus der Zeile eine Seite wird. Und verschwenderisch in seinen Worten – weil er weiß, dass es nie genug sein wird.
Also? Eben darum.

Nachtrag:

Unsere Leser wollen kein Happy End. Sie brauchen das Drama so nötig wie selten etwas anderes. Ein Happy End, das würde wirklich Glück bedeuten und das wäre einfach nur unerträglich.

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Kapinsiks Blog

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