Fotobook, Kultur, Sport

Public Art Munich: Ein Reenactment des legendären Fußballspiels BRD-DDR 1974

Benjamin Brown

Die Nationalhymnen ertönen und das Fußballspiel zwischen der DDR und der BRD beginnt. 1974 in Hamburg. Und am 30. April 2018 in München.

Am Montag startete das Public Art Munich (PAM) mit einem sehr skurrilen und ungewöhnlichen Opening-Event. Das internationale Kunst- und Performance Festival, das vom 30. April bis zum 27. Juni jedes Wochenende diverse kostenlose Auftritte und Events bietet, wurde mit einem Reenactment des Fußballspiels BRD – DDR eröffnet.

Damals verhalf der Stürmer Jürgen Sparwasser dem ostdeutschen Team mit seinem Tor in der 77. Minute zum überraschenden Sieg in der Vorrunde der Fußball-Weltmeisterschaft und machte sich selber unsterblich. Abgesehen von Olympia war dies das einzige Aufeinandertreffen beider deutscher Mannschaften, und so ist, nicht nur aufgrund des Titelsieges der BRD, das Jahr 1974 als ein ganz besonderes für den deutschen Fußball in die Geschichte eingegangen.

Unter dem passenden Motto „Game Changers“ erwartete uns am Montagabend eine Nachahmung dieses Matches im etwas verregneten Münchner Olympiastadion – jedoch mit zwei statt 22 Mann, und ohne Ball auf dem Rasen.

Nachdem die rund 150 ZuschauerInnen feierlich durch einen Chor die west- sowie ostdeutsche Nationalhymne begrüßt wurden, laufen die Spieler ein: auf der einen Seite Jürgen Sparwasser, gespielt von Schauspieler Franz Beil, und auf der anderen der Torwart Sepp Maier, dessen Rolle Regisseur Massimo Furlan selber annimmt. Der Performance-Künstler reist bereits seit einiger Zeit um die Welt und inszeniert, besser gesagt, imitiert die verschiedensten Fußballspiele.

Dabei geht es ihm, wie er selbst sagt, darum, sich mit einer Art „kollektiven Gedächtnis“ auseinanderzusetzen, das im Kontext von solch historischen Nationalspielen besonders geprägt werden könne.

Durch kostenlos verteilte oder selbst mitgebrachte Radios konnten die Zuschauer das Spektakel sogar mit Originalkommentar verfolgen. Die Stimmung war außerordentlich heiter – und skurril. Einige Zuschauer waren in richtiger Fußballlaunne und so wurde ganz wie bei einem richtigen Fußballmatch mitgefiebert. Auf dem Platz bewegten sich die zwei Spieler dann mal mehr, mal weniger, ab und zu sprintete „Sparwasser“ über das ganze Feld, kickte nach einem imaginären Ball oder fiel im imaginären Zweikampf (der ja eigentlich keiner ist) zu Boden.

DDR, BRD, Fußball, PAM, Olympiastadion.

Die beiden Schauspieler waren per Funk ebenfalls mit dem Originalkommentar verbunden und so in ihren Bewegungen erstaunlich authentisch. So authentisch, dass sich gegen Mitte der ersten Halbzeit Franz Beil auch tatsächlich, ganz real, verletzte. Was zuerst wie ein Teil der Performance wirkt, stellte sich schnell als echte Verletzung heraus – und so muss „Jürgen Sparwasser“ von genauso realen Sanitätern vom Platz getragen werden.

Von da an mussten sich die Zuschauer mit dem Torwart der Bundesrepublik
zufrieden geben. Dies schien aber niemanden groß zu stören, es wurden weiter fleißig Laola-Wellen formiert, oder der – natürlich nur imaginäre –  Schiedsrichter lauthals beschimpft und laut mitgegröllt.

In Kombination mit den, aus den kleinen Radios hallenden, Kommentaren und dem mitfiebernden Publikum, vergisst man tatsächlich, dass auf dem Platz nur gerade der Torwart ohne Ball steht. Der hechtet indes ab und zu energisch nach der unsichtbaren Kugel. Das legendäre Tor in der 77. Spielminute, wenn auch ohne Schützen, wird dementsprechend laut bejubelt. Dann neigt sich dieses einzigartige Spiel seinem Ende zu.

Ganz verwundert, positiv überrascht und voller lustiger Eindrücke verließen wir das Olympiastadion, das uns an diesem Abend, dank eines einzigartigen Reennactments für 90-Minuten mit auf eine Zeitreise genommen hat.

Weitere Bilder vom Spiel siehst du hier:


Text und Fotos: © Sascha Gontcharov

No Comments

Post A Comment

Simple Share Buttons
Simple Share Buttons