Kultur

Schreiben ist… – Selbstschutz / Feiern / Arbeit / Wahn

Tini Kigle
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In der Seidl-Villa lesen heute sechs Nachwuchsautoren aus ihren Texten. Hier stellen sie sich vor.

Im Rahmen des 80jährigen Jubiläums des Tukan-Kreises (eine Schwabinger KünstlerInnengrupee, die sich im Gasthaus Seerose traf und zumindest back in the Fifties and Sixites Renommée genoss) lesen heute Abend in der Schwabinger Seidl-Villa sechs NachwuchsautorInnen aus einem eigenen, bisher unveröffentlichten Text.

Ihr Handwerkszeug lernten die jungen AutorInnen – Constanze Petery, Christiane Simon, Kristina Nenninger, Tilman Strasser, Christian Schich und Markus Michalek – entweder im Manuskriptum-Kurs der LMU München, in der Schreibwerkstatt Textwerk oder als LiteraturstipendiatInnen der Landeshauptstadt München.

Die Lesung beginnt um 19 Uhr 30, Nikolaiplatz 1b, Eintritt ist frei. Und um die Lagerfeuerstimmung etwas partizipativer zu gestalten, entscheidet danach das Publikum welche/r AutorIn nun am schönsten geschrieben und am besten gelesen hat: Die LeserInnen von morgen stimmen über die drei überzeugendsten Beiträge ab und küren so die SiegerInnen.

Zur Vorlese für die mucbook-LeserInnen haben die AutorInnen einen Steckbrief mit zehn Fragen beantwortet.

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Christian Schich

1. Name

Christian Schich

2. Alter

26 Jahre

3. Was ich gerade lese

Moby-Dick von Herman Melville. Ronja Räubertochter, wenn mir der Wal auf die Nerven geht. Der lange Weg zur Freiheit von Nelson Mandela – wenn ich an die Zukunft denke.

4. Was echt alle gelesen haben sollten

Garp und wie er die Welt sah. (John Irving)

5. Was ich besser nie gelesen hätte

Den letzten Brief meiner großen, untreuen Liebe.

6. Beim Münchner Tukan-Preis gibt’s 6.000 Euro Preisgeld – was ich damit machen würde

5500 Euro sofort wegsperren. Und 500 in eine endlose Nacht investieren.

7. Der 1. Satz aus dem Text, den ich am Donnerstag vorlese

Das Wasser des Atlantiks stinkt nicht – es ist schwarz, salzig und scheiß kalt.

8. Es ist Literatur-Mottoparty. Als was gehe ich?

Als Michael Jackson. Jede Party braucht einen Michael.

9. An und für wen schreibe ich oder wie sieht mein/e LieblingsleserIn aus

Ich hätte gerne eine/n blinde/n Leser/in. Ich wünsche jedem Menschen von ganzem Herzen das Augenlicht, aber darum geht es gar nicht. Wenn dein Buch in Brailleschrift erscheint, dann weißt du, dass du es in den Kreis der ganz Großen geschafft hast.

10. Schreiben ist …

Selbstschutz.

Eines Sylvestermorgens saß ich über den Dächern von Buenos Aires. Es war 10 Uhr, die Morgensonne schien und ich hatte gerade die letzte Flasche Prosecco aufgemacht. Ich erzählte von meiner neuen Geschichte, die ich beabsichtigte, zu schreiben. Das Publikum war fast interessiert – die einen schliefen, die anderen waren zu betrunken, um ins Bett zu gehen –. Da stand ein Mädchen auf und schlug mir mitten ins Gesicht. Ihr Freund hatte sie vor wenigen Stunden für eine Sylvester-Toiletten-Affaire sitzen lassen und meine Geschichte hatte sie wohl beleidigt. Verständlich. Ich hab‘s überlebt, aber seitdem schreib‘ ich die Sachen lieber gleich auf.

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Christiane Simon

1. Name

Christiane Simon

2. Alter

I am young but I have aged.

3. Was ich gerade lese

Toussaint, La Vérité sur Marie.

4. Was echt alle gelesen haben sollten

Die Packungsbeilage.

5. Was ich besser nie gelesen hätte

Dass Barclays Bank eine Kreditkarte extra für Studenten hat.

6. Beim Münchner Tukan-Preis gibt’s 6.000 Euro Preisgeld – was ich damit machen würde

Siehe 5.

7. Der 1. Satz aus dem Text, den ich am Donnerstag vorlese

„Später Nachmittag.“

8. Es ist Literatur-Mottoparty. Als was gehe ich?

Als Rezensent natürlich: Lackstiefel, Peitsche.

9. An und für wen schreibe ich

Vielleicht für den ein oder anderen almost-lover – und dann stelle ich mir vor, wie er mich liest und sagt: Sie ist so toll und ich war ja so ein Idiot!

10. Schreiben ist …

das feiern, was überall sonst fehl am Platz ist.

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Constanze Petery

1. Name

Constanze Petery

2. Alter

18

3. Was ich gerade lese

Faldbakken, Macht und Rebel

4. Was echt alle gelesen haben sollten

J.D. Salinger, James Joyce, Lewis Carrol, …

5. Was ich besser nie gelesen hätte

Keine Reue 🙂

6. Beim Münchner Tukan-Preis gibt’s 6.000 Euro Preisgeld – was ich damit machen würde

Sinnlos shoppen oder doch Bundesschatzbriefe? Die Qual der Wahl…

7. Der 1. Satz aus dem Text, den ich am Donnerstag vorlese

Sie wollen wissen, warum sie es getan hat.

8. Es ist Literatur-Mottoparty. Als was gehe ich?

Die Sinnesleere des Camus

9. An und für wen schreibe ich oder wie sieht mein/e LieblingsleserIn aus

Für die Meinigen und an die, die in meinen Büchern verwertet wurden oder werden, und mir dafür verzeihen mögen

10. Schreiben ist …

Musik in den Fingern und Wahn im Kopf.

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Tilman Strasser

1. Name

Tilman Strasser

2. Alter

25

3. Was ich gerade lese

Philip Roth: Die Demütigung

4. Was echt alle gelesen haben sollten

Garcia Marquez: Hundert Jahre Einsamkeit. Aber ich habs auch noch nicht geschafft.

5. Was ich besser nie gelesen hätte

Houellebecq.

6. Beim Münchner Tukan-Preis gibt’s 6.000 Euro Preisgeld – was ich damit machen würde

Wollte schon lang ein Kanu.

7. Der 1. Satz aus dem Text, den ich am Donnerstag vorlese

Meine erste Lehrerin hatte zwei Augen in zwei Farben.

8. Es ist Literatur-Mottoparty. Als was gehe ich?

Bukowsky.

9. An und für wen schreibe ich oder wie sieht mein/e LieblingsleserIn aus

Mein Lieblingsleser ist alt, flucht viel und entwickelt zuweilen bemerkenswerte Ideen.

10. Schreiben ist …

Arbeit.

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Markus Michalek

1. Name

Markus Michalek, Kunstfigur: Kapinski

2. Alter

29 Jahre

3. Was ich gerade lese

Viele, viele, viele verschiedenste Manuskripte dank meiner Arbeit in einer Literaturagentur. Thomas Lang – Bodenlos, die aktuelle Ausgabe der Akzente-Literaturzeitschrift, ein Sachbuch zum Thema Embodiment, Zadie Smith, das Buch der Anderen, immer wieder einen Abschnitt aus Gilles Deleuze – Unterhandlungen und wirklich aktuell, da gerade eben noch vor dem Ausfüllen dieses Fragebogens: Leo Perutz, zwischen neun und neun, das erste Kapitel zum Abendessen.

4. Was echt alle gelesen haben sollten

Henri Miller, Tropic of Cancer, alles von Jörg Fauser, Knut Hamsun – Hunger (falls man mit dem Gedanken spielt, selber einmal „ernsthaft“ zu schreiben), die Kurzgeschichten von J.D. Salinger und diverse Krimis von Raymond Carver, außerdem so viele Gedichte wie möglich. Die Bibel. Ah ja und Martin Walser, Ingeborg Bachmann, F. Schiller sowie das komplette Opus der Beat-Generation.

5. Was ich besser nie gelesen hätte

Das eine oder andere Buch, das wirklich, wirklich in höchsten Tönen gelobt wurde und sich danach als fade, geschmackslose Zeitverschwendung entpuppt hat. Falls diese Frage in Richtung „Klassiker“ abzielt: Goethes Wilhelm Meister ist leider eine unsägliche, weil langatmige Qual. Was ich mir sonst noch hätte sparen können: Feuchtgebiete und dieses ganze andere immergleiche Chicklit-Zeugs.

6. Beim Münchner Tukan-Preis gibt’s 6.000 Euro Preisgeld – was ich damit machen würde

Einen Teil sparen, mit einem anderen Teil möglichst sparsam und zugleich intensiv Reisen, mit einem weiteren Teil eine Literatur-Motto-Party schmeißen und mich anschließend auf eine nicht zu abgelegene Berghütte zum Schreiben zurückziehen. Ansonsten: Meinen Eltern was Schönes schenken (für ihre Geduld mit mir) und wenn dann noch was übrig bleibt – den Grundstock für eine Stiftung legen. Das waren jetzt sieben Sachen, oder? Mist.

7. Der 1. Satz aus dem Text, den ich am Donnerstag vorlese

… den lese ich erst am Donnerstag vor. Ihr müsst also kommen.

8. Es ist Literatur-Mottoparty. Als was gehe ich?

Ich natürlich!

9. An und für wen schreibe ich oder wie sieht mein/e LieblingsleserIn aus

Für alle, die es lesen wollen. Manchmal schreibe ich für ausgewählte Menschen, die erfahren dann, wer hinter den Figuren steckt. Meistens aber schreibe ich einfach, weil es etwas gibt, womit ich mich beschäftige. Was ich ausdrücken will. Mit ökonomischer Berechnung für ein Publikum oder gar für den Markt zu schreiben, halte ich aus Autorensicht für falsch und unglaubwürdig, wird aber heutzutage leider immer mehr praktiziert.

10. Schreiben ist …

eine wunderbare, wenn auch nicht immer leicht wegzusteckende Lebenseinstellung. Manchmal wie ein fluffiges Schokocroissant, frisch aus dem Backofen, manchmal auch schon drei Tage alt. Vor allem aber ist Schreiben für mich: !!!

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