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Solidaritätsveranstaltung für den Jemen: Musik in München ist Musik in Aden!

Kevin Brandt
Im Jemen herrscht Krieg. Weitgehend unbeachtet in den letzten Monaten fallen dort Schüsse und Bomben. Während Schuld und Verantwortung schwerer auszumachen sind, bleibt eines deutlich: das Leid der Menschen. Federico Sanchez reiste 2007 mit seiner Gruppe Kamerakino, bestehend aus Sebastian Meyhöfer, Sebastian Kellig und Daniel Murena, in den Jemen, um drei Wochen lang an der Musikschule Gamil Ghanim mit den Musiker*innen zu spielen. Man blieb in Kontakt. Der Direktor der Musikschule, Sahel Bin Ishaq, meldete sich bei Federicos Bruder. Was 2014 noch eine einfache Kooperationsanfrage war, sollte kurze Zeit später zu einer Geschichte von Flucht und Schicksalsschlägen werden, denn der Krieg begann. Der Direktor floh aus Aden, der Hauptstadt des Jemen, kehrte später in sein geplündertes Haus zurück, musste sich einer Herzoperation unterziehen – doch er schrieb weitere Mails. Daraufhin entschloss sich Federico zur Hilfe und ging auf das TamTam-Kollektiv zu, um eine Veranstaltung zu organisieren. Peace & Noise! am 27. Dezember in der Postrutsche ist ein Abend zugunsten der Musikschule Gamil Ghanim, alle Künstler*innen verzichten auf eine Gage, alle Einnahmen fließen nach Aden. Denn natürlich schloss die Musikschule infolge des Kriegs. Außerdem gibt es keine Fluchtmöglichkeiten für die Bewohner*innen, Hilfsorganisationen haben keinen Zugang.
 
In der Tat brauchen die Bewohner Adens und vor allem die Kinder sehr dringend jemanden, der ihre Gefühle und das Leid, das sie im Zuge des Krieges erfahren haben, nachempfinden kann. In dieser Ausnahmesituation, die wir erleben, kann die Kunst eine große Rolle spielen, etwa für die Kinder Adens. Sie kann ihre Wunden lindern und als Balsam dienen, um sie von all den Wirrnissen, die der Krieg über sie gebracht hat, zu entlasten. Direktor Sahel Bin Ishaq
 

jemen11. Woher kommt der Name eures Projekts? Und was bedeutet er?

Dem Projektnamen vorangestellt steht „Kamerakino Goes Yemen Revisited“. Das rührt daher, dass die Münchner Gruppe Kamerakino im Jahre 2007 in den Jemen eingeladen war, dort über die Dauer von drei Wochen täglich mit jemenitischen Musikern ein Programm zu erarbeiten und zur Aufführung zu bringen. Die Münchner und die Jemeniten verstanden sich prima, wurden Freunde und blieben in Kontakt. Sebastian Kellig und Sebastian Meyhöfer reisten sogar noch ein zweites Mal auf eigene Faust in den Jemen und tourten dort mit Musikern durchs ganze Land. Als uns die Nachricht vom verheerenden Krieg, der im Frühjahr mit schrecklichen Folgen für die Zivilbevölkerung ausbrach, erreichte, beschlossen Federico Sánchez alias Pico Be, Sänger der Kamerakino-Nachfolgeband Das Weiße Pferd, und Daniel Murena, der damals im Jemen mit dabei gewesen war und nun mit der Gruppe Murena Murena spielt, mit den Mitteln, die uns Musikern zur Verfügung stehen, konkret und direkt unseren Not leidenden Musikerfreunden zu helfen. Parallel entstand ein Kontakt zum Direktor des ältesten Musikinstituts in Aden, Gamil Ghanim. Er betonte, dass trotz des akuten Elends gerade die Kunst und die Musik nun gefragt seien, um etwa Kindern zu helfen, die Kriegstraumata zu verarbeiten und auf einen kulturellen Austausch hin zu arbeiten. Schnell begeisterten sich auch weitere Bands für ein Solidaritätskonzert – zunächst Gruppen, die in enger personeller Verwandtschaft zu Kamerakino stehen, wie etwa Das Weiße Pferd, Pollyester, Murena Murena, Friends Of Gas und Tuna Trio & The Ghost, aber auch andere Münchner Bands wie The Notwist, Majmoon, Protein oder LeRoy waren Feuer und Flamme für das Vorhaben. Der Projektname bedeutet ganz einfach, dass sämtliche Gruppen wie auch Deejays am 27sten Dezember auf ihre Gage verzichten, um die Musikschule Gamil Ghanim und die Bewohner von Aden in dieser schweren Zeit zu unterstützen.

2. Was ist neu, anders und einzigartig an eurem Projekt?

Es geht hier nicht darum besonders originell oder einzigartig zu sein. Es wäre vielmehr schön, wenn aus unserer Initiative ähnliche Folgeprojekte entstünden und wenn parallel eine Multitude an Initiativen oder Projekten ähnliche Ziele verfolgte. Oder konkret auf uns bezogen: Wenn mehr Musikerkollegen noch was anderes erreichen wollten als „Top of the Pops“ zu werden, das wäre schon toll.

3. Wie viel Zeit habt ihr in euer Projekt investiert/werdet ihr investieren?

Einige Wochen. Wir wissen das nicht so genau.

4. Wo findet man euch?

Im TamTam Büro und im Archiv für Künstlerbücher in der Türkenstr. 60 im Untergeschoss, im Echt Optimal Plattenladen in der Kolosseumstr. 6 oder in der Praxis Dr. Schamoni in der Passage Bayerstr. 4/Schützenstr. 5.

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5. Wer unterstützt euch?

Das Publikum. Die Konzertbesucher. Logistisch, um den Geldtransfer abzuwickeln: Die jemenitische Nicht-Regierungsorganisation „Das Deutsche Haus für Zusammenarbeit und Kultur“ mit Sitz in Sanaa und Filiale in Aden. Organisatorisch, den Ablauf des Abends betreffend, unsere kanadische Managerin Émilie Gendron und ihr „munich again“ Label.

6. Was macht ihr, wenn ihr nicht an eurem Projekt arbeitet?

Das, was wir eigentlich machen: Musik & Sprache. Songs schreiben, einstudieren und aufnehmen. Platten produzieren. Konzerte organisieren und live spielen. Neue Wege suchen und ausprobieren. Deejayen. Film- & Videoarbeiten. Undsoweiter. Ganz aktuell: Im Januar 2016 gehen wir, TAM TAM, auf Österreich-Tour.

7. Was liebt ihr an München besonders?

Spießigkeit und Weltoffenheit im Dialog.

8. Wenn euer Projekt eine Person wäre, wie wäre diese Person?

Unser Projekt ergibt sich aus den Gedanken der Summe verschiedener Personen und wir weigern uns, uns eine Antwort auf die Frage vorzustellen.

9. Eure Infos im Netz?

Gibt es bei unserem Facebook-Event oder auf Tapefruit.

 


Infos in aller Kürze:

Was? “Kamerakino Goes Yemen” revisited: Peace & Noise! Ein Abend für die Wiedereröffnung des Musik- & Kunstinstituts “Gamil Ghanim” in Aden. Film, Live Musik, DJs, Visuals

Wann? 27. Dezember, Beginn 18.00 Uhr

Wo? Postrutsche an der Hackebrücke (die genaue Adresse erfahrt ihr beim Ticketkauf)

Karten? Vorverkauf an den oben genannten Stellen: TAMTAM Büro, Optimal Records, Praxis Dr. Schamoni; Abendkasse: 5€ vor 20.00 Uhr, 15€ nach 20.00 Uhr

 

Fotocredits: (1) Kamerakino (2) Daniel Murena

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