Aktuell, Stadt, Wohnen trotz München

Auf geht’s Spezln, jetzt wird bespitzelt!

Jan Krattiger

Liebe Münchnerinnen und Münchner, nehmt euch in Acht: Ab heute ist es möglich, dass vermehrt solche Leute wie den Herrn im Bild oben um die Häuser schleichen seht. Das sind dann aber nicht etwa Spanner, die versuchen durchs Badezimmerfenster einen Blick auf eine/n duschende/n BewohnerIn zu erhaschen, sondern private, ganz legale Bürger-Spitzel.

Zweckentfremdung melden

Seit heute ist nämlich auf der Webseite der Stadt das neue Formular zur Meldung von mutmaßlich zweckentfremdeten Wohnungen online. Da kann jedermann ganz praktisch, nur mit ein paar wenigen Klicks, der Stadt detailliert mitteilen, wo er/sie vermutet, dass jemand seine Wohnung zum Beispiel illegalerweise als AirBnB weitervermietet oder ähnliches.

Dabei gibt es natürlich auch gleich die Funktion, die selbst geschossenen (Handy-)Fotos hochzuladen und man wird gebeten, nebst der genauen Adresse noch weitere Infos zu liefern, wie zum Beispiel den Namen auf dem Klingelschild oder “besondere Fußabtreter”.

Zusätzlich wird der Hobbydetektiv noch freundlich gebeten, die Art und den genauen Zeitraum der Beobachtung festzuhalten (ganz so wie in den Agentenfilmen, oder? Wenn sie da im Auto sitzen, Kaffee trinken und mit Feldstecher aus dem Fenster schauen). Und nicht zu vergessen die Frage: “Wann kann die beobachtete Verwendung durch unseren Außendienst nachvollzogen werden?”

Anonyme Spitzel

Die Stadt hat also auf einen Schlag potentiell tausende neue freie Mitarbeiter, die für sie die Drecksarbeit übernehmen, wachsam durch die Stadt gehen (oder ihre Nachbarn genau beobachten) und dann Bescheid sagen – falls gewünscht sogar anonym.

Das nenne ich mal Bürgerservice. Vielen Dank, liebe Stadt München. Da wird das Wort “Digitalisierung” noch groß geschrieben und die Verwaltung bemüht sich darum, dass der Bürger möglichst viele seiner Geschäfte online erledigen kann. So werden die täglichen Schlangen vor dem KVR sicher kürzer.

Ja, wir haben in München ein Problem

Selbstredend: wir haben ein Problem. Wohnraum ist super knapp, die Mieten sind viel zu teuer und die illegale Weitervermietung ist mit ein Grund, warum das Problem noch verschärft wird. Aber gäbe es da nicht viel griffigere Methoden als die städtische Förderung einer Spitzelgesellschaft?

Sagen wir zum Beispiel, ähm, eine funktionierende Mietpreisbremse?

 

P.S. Wer sich jetzt schon überlegt, seinen Job an den Nagel zu hängen und eine Privatdetektei zu gründen, der wird hier enttäuscht: Natürlich gibt es kein Geld für eingegangene Tipps, denn die Einnahmen aus den Ausgleichszahlungen kommen (immerhin) dem öffentlich geförderten Wohnungsbau in München zugute.


Beitragsbild: Fabrizio Verrecchia via Unsplash