leben auf dem land
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Stadtleben versus Landflucht: ein Plädoyer für ein Leben auf dem Land

Freitag Abend, man ist aus. Irgendeine Szene-Bar, die vor ein paar Monaten eröffnet hat. Es ist gerammelt voll, aber die Cocktails sollen hier schließlich besonders fein sein. Nach einer halben Stunde Drängeln und Schubsen hält man endlich und voller Stolz ein Getränk in den Händen.

Irgendwas mit Yuzu und Matcha-Rand. 12 Euro bitte.

Jonas ist da, ein alter Schulfreund. Er ist auf dem Land aufgewachsen und jetzt, nach dem Studium, lebt er wieder auf dem Land. Wenn er zu Besuch ist, beäugt er diesen Trubel, den er hinter sich gelassen hat, mit einer provozierenden Mischung aus Belustigung und Fassungslosigkeit.

Landleben- Dann geh doch!

Oh, Jonas! Als Dorfkind kann er es ja nicht besser wissen. Das echte Leben gibt es in der Stadt. Hier wohnen Kultur, Vielfalt, Matcha-Rand! Jonas hört geduldig zu, nippt an seinem Bier und wechselt, weil er sich die Diskussion sparen möchte, das Thema. Ein interessantes Theaterstück habe er letztens gesehen, auf einer Kleinkunstbühne im Nachbarort.

Hm, ja, das Theater.

War man selber auch schon ewig nicht mehr, dabei gibt es in München eine ganze Reihe von großartigen Bühnen. Als man das letzte Mal gehen wollte, hat man sich spontan doch lieber für eine Runde Yoga entschieden. Das soll gut gegen den ganzen Stress sein. Da war er wieder, dieser belustigte und zugleich fassungslose Ausdruck auf Jonas’ Gesicht.

Es sind Abende wie dieser, die einen ins Grübeln bringen. Beziehungsweise brachten. Denn ich kann hiermit verkünden: Die Zeit des Grübelns ist vorbei. Bei objektiver Analyse aller Vor- und Nachteile macht das Leben in der Stadt einfach keinen Sinn. Ich wage sogar zu behaupten, dass der Mensch schlichtweg nicht gemacht ist für die trostlosen Betonlandschaften unserer Großstädte, dass die Glorifizierung des urbanen Lebens nichts weiter ist als eine besonders perfide Variante des Stockholm-Syndroms.

Städte sind aus der Not geboren.

Sie sind dort entstanden, wo es Arbeit und die Aussicht auf ein besseres Leben gab. Die Menschen sind nicht etwa in die Stadt gezogen, weil sie nach kultureller und kulinarischer Vielfalt dürsteten, sondern weil sie so nicht weiter einen steinigen Acker bestellen mussten. Entsprechen diese Beweggründe noch den heutigen Lebensmodellen? Eher nicht. Auch größere Distanzen sind heute leicht mit Bahn, Auto oder Bus zu überwinden, man ist also nicht mehr darauf angewiesen, in Fußnähe zum Arbeitsplatz zu leben. Und Arbeiten kann man heute von überall, das Internet macht’s möglich.

Hat man also eine der wichtigsten Fragen, nämlich die nach dem Arbeitsplatz, aus dem Weg geräumt, bleibt an sich nur noch eine recht simple Abwägung der unterschiedlichen Lebensqualitäten.

Die Stadt ist teuer, von Feinstaub belastet, voll und laut. Warum nicht für die Hälfte des Geldes ins Grüne ziehen? Ins Theater geht man ja sowieso nicht. Und den Matcha-Rand werde ich garantiert nicht vermissen.

 

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