Kultur, Nach(t)kritik

Stuhlgang nur bei Landgang, nicht bei Seegang

Sarah-Janine Fischer
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Mein erster Gedanke, als ich den Theatersaal des „Schweren Reiters“ betrete: „Es riecht komisch“. Mein zweiter: „Wofür braucht man in einem Stück drei Klos??“

Bevor jetzt angefangen wird, diverse Beziehungen zwischen dem Geruch und dem eben erwähnten Badmobiliar zu bilden: Sie erfüllen ihre Zwecke. „Wohl etwas anders als gedacht“, denkt sich der unvoreingenommene Zuschauer nach dem Stück, der etwas verwirrt zurückgelassen wird. „Die Bairishe Geisha analysiert das langsame Entgleisen einer Gesellschaft.“, heißt es im Flyer. Klingt interessant, lassen wir uns überraschen.

Wie fängt man ein Stück am besten an? Diese Frage stellen sich Judith Huber und Eva Löbau zu Beginn ihres neuen Stücks „P.S.: Und ich weine, wenn ich will“. „Am Besten mit dem O-Ton…“ Und schon stolpert der Zuschauer in ein Stück voller Überraschungen, seltsamen Menschen und – Klos.

Ist man im ersten Moment noch hautnahst bei der äußerst „liebevoll appetitlichen“ Geburt eines Kindes mit Nudeln und Hähnchenkörper dabei, sitzt man im nächsten schon in der dritten Therapiesitzung von Julia und Eva.

Aber auch die währt nicht lange, denn die Therapiesitzung ist gar keine Therapiesitzung, sondern eine Prüfung, aber die ist ja auch ein Teil selbiger. Egal, Hauptsache, der Therapeut hat mit der Kindesmutter/dem Haushaltsmädchen (Charlotte Pfeiffer) angebandelt. Doch auch da kommts zu Missverständnissen.

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Danach kommt endlich die Toilette zum Einsatz. Als Flashback an die Kindheit und die schönen und unschönen Erlebnisse an den Stuhlgang. Denn während Mama noch das produktive Ergebnis lobt, kommt schon der böse Onkel und die schadenfrohe Schwester, die noch einmal verdeutlichen: Stuhlgang nur bei Landgang, nicht bei Seegang, verdammt noch mal!!

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Sie ist aber nicht die einzige, die „a-a“ machen muss: Der berühmte Musiker muss auch mal. Natürlich On Stage. Und weil das so unglaublich super lecker und der Kerl so mega sophisticated ist, wird das Produkt auch mal gerne probiert, gegessen und als leckeren Nachtisch bei einer Party, mit völlig Irren abgehalten, die mal so eben aus dem Publikum rekrutiert wurden. Ach ne, das waren ja teilweise doch die neuen Patienten des Therapeuten. Wichtig ist das dann aber auch nicht mehr, man fragt sich eher, wie zum Schluss die Bühne wohl wieder von dem Gemisch aus Toilettenpapier, Rasierschaum und Nudeln gereinigt werden soll.

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Nichts verstanden? Nicht so schlimm, denn bei „P.S.: Und ich weine, wann ich will“ zählt nur das hier und jetzt. Eine turbulente Szene jagt die nächste und auch, wenn der Vater mit der Tochter gerne würde, ist es doch letztlich nur eine Prüfung. Wer ein Freund schwarzen Humors, bösen Mädchen und flachen Wortwitzen („Sie sagten: „Ich kann den Tumor meiner Freundin nicht mehr ertragen!“ – Humor. Ich sagte, Humor…“) ist, kann sich bei diesem Stück köstlich amüsieren. Eine clevere Inszenierung mit wahnsinnig komischen Szenenbildern, Gesangseinlagen und Überraschungen. – Der Hinweis, die ersten vier Reihen bei empfindlichen Gehör zu meiden übrigens ist nicht umsonst! Die durchgeknallte Percussionparty am Ende übertrifft noch einmal, die kuriosesten Szenen des Abends.

Und spätestens, wenn die Party am Ende des Stücks steigt weiß man eines: Ich weiß, dass ich nichts weiß.

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