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Ein Münchner Central Park, Öffi-Taxis und Wohnungstausch: Ideen für Münchens Zukunft

Wie schaffen wir die Wende zu einer nachhaltigen Stadt? Diese Frage bewegte die Münchner*innen bei einem offenen Austausch („City Mash-Up“) im Mucbook Clubhaus PERLE. Außerdem haben wir mehr über ein ÖPNV-Taxi der MVG erfahren.

Mehr Bäume, mehr Busse, mehr Innovation, mehr Allianzen? Was brauchen wir wirklich für eine nachhaltige Stadt? Sicher von allem ein wenig bis recht viel. Der globale Klimawandel ist kaum noch aufzuhalten – allenfalls zu bremsen – und wird auch lokal zum Problem. Um bis zu 8 Grad könnte sich zum Beispiel die Münchner Innenstadt bis 2080 in den Sommermonaten erwärmen bei unverändertem CO2-Ausstoß.

Sätze und Szenarien wie diese hört man gestern im Veranstaltungsraum PERLE in Laim. Die Teilnehmer*innen sind aber nicht gekommen, um den Kopf in den Sand zu stecken, sondern vielmehr, um den Sand aus dem Getriebe namens Klimawende zu pusten. Denn manches stimmt durchaus positiv. „Vor zwanzig Jahren hattest du beim Thema Ökologie nur die Idealisten vor Ort und die wollten immer nur Bäume pflanzen“ erinnert sich Gastgeber und Mucbook-Gründer Marco Eisenack. Umso mehr freut es ihn, dass das Thema zwei Jahrzehnte später auch bei den Kreativen und den Unternehmer*innen des Landes übergreifend angekommen ist. „Heute sind alle auf dem gleichen Pfad“, sagt er. Zeit also, auf diesem Weg mehr in den gegenseitigen Austausch zu kommen. Eisenack freut sich auf viele „fantastische Ideen“, die sein Team von Munich Next Level für den Abend kuratiert hat.

Die wichtigsten Impulse – doch nochmal Bäume!

Auch wenn Bäume pflanzen nicht der alleinige Hack für oder besser gesagt gegen den Klimawandel ist, so bleibt das doch enorm wichtig, sagt Martin Hänsel vom BUND Naturschutz. Pflanzen kühlen betonreiche Stadtbereiche durch Schatten und Transpiration. Außerdem wirken sie sich positiv auf die Luftqualität aus und bieten Versickerungsfläche gegen Starkregen. Er rechnet vor: Im eng bebauten Innenstadtbereich braucht München laut einer Studie der TU eigentlich über 30.000 zusätzliche Bäume, um ein angenehmes Stadtklima zu erhalten. (Man bedenke: Bäume müssen auch erst mal wachsen.) Erreichen könnte man diese ambitionierte Zielmarke mit dem sogenannten „Munich Central Park“ – also indem die viel befahrene Sonnenstraße auf Höhe Stachus zu einen grünen Park wird (in dem Autofahrern nur noch eine Spur bleibt). Der spektakuläre Entwurf des BUND ging letztes Jahr durch die Medien.

Was wäre wenn? – Experimente am digitalen Zwilling

Markus Mohl vom Kommunalreferat kann Szenarien wie diese im „digitalen Zwilling“ der Stadt simulieren – eine Art programmierbares 3D-Abbild der Stadt mit Bewegtbildfunktionen. Selbst die Verkehrsregeln kann er damit anpassen und somit „Was-wäre-Wenn“-Szenarios entwerfen. Ein Fall für Stadtplanungen und Bürger*innenteilhabe: „Statt schöner Visualisierungen einer Agentur, bekommen sie realistische Berechnungen“, sagt er und zeigt etwa einen modellierten Drohnenflug durch eine begrünte Brunnstraße.

Energie aus dem Quartier

Münchens Energieversorger – allen voran die Stadtwerke – geben sich grüner, als sie momentan sind, kritisiert dagegen Fenya Kirst von Protect the Planet gGmbH. Ihr Ansatz neben der Geothermie-Wende: Kleiner, regionaler und in Quartieren denken. Positivbeispiele sieht sie in einem Neubau-Projekt am Ackermannbogen (mit Solaranlagen am nahegelegenen Olympiaberg) oder in einem Pilotprojekt in Frankfurt namens „Franky“, wo die Abwärme eines benachbarten Rechenzentrums für das Quartier genutzt wird.

„Kreisen statt Krise“

Was an diesem Abend auch deutlich wird: Für den ökologischen Umbau müssen wir an die großen Hebel ran. „Die Baubranche ist der größte Umweltverschmutzer der Welt“, konstatiert Dominik Campanella von Concular. 60% des globalen Abfallaufkommens und 40% der Treibhausgase stammen daher. Und rund die Hälfte dieser Emissionen wiederum entfällt auf die Herstellung neuer Baumaterialien. Deshalb führt kein Weg an zirkulärem Bauen und Wirtschaften vorbei, findet Campanella. Das heißt: Baumaterialien wiederverwenden statt wegwerfen. Mit einer App hilft seine Firma, vor Ort Baubestände zu erfassen und zu katalogisieren. Zugleich ist Concular dann Marktplatz für gebrauchte Baumaterialien aller Art. „Wir müssen Gebäude als urbane Minen begreifen“, sagt er. Denn es ist noch deutlich Luft nach oben: Nur 1 % aller Baumaterialien werden momentan wiederverwendet.

„Öffi-Taxi“ Mija

Von den Immobilien zur Mobilität. Beim Thema ÖPNV gibt es immer wieder Frust, Verena Schormüller von der MVG wirft heute aber einen Blick in die Zukunft. Ganz neu ist das Projekt Mija, eine Art On-Demand ÖPNV für die Münchner*innen. Dann kommt die MVG – ähnlich wie bei UBER – auf App-Knopfdruck per Sammeltaxi zu dir. Der Deal dabei: ihr nehmt andere Fahrgäste auf dem Weg mit und teilt euch einen Teil der Route. Dabei sind kleine Umwege in Kauf zu nehmen, aber dafür soll es günstiger sein – vor allem für ÖPNV-Abo-Besitzer*innen. Ab Herbst 2025 sollen die ersten zwanzig Fahrzeuge rollen!

Bodenpreise und Mikroklima

Christian Stupka (Mitgründer von GIMA eG und Wogeno) sprach zum Thema Wohnraum. Es fordert mehr soziales Bewusstsein im Bausektor – auch angesichts der aktuellen Baukrise und den Mondpreisen auf dem Markt. „Boden hat zwei wesentliche Eigenschaften: Er ist unvermehrbar und unverzichtbar für das menschliche Dasein“, sagt er. „Man muss regulierend eingreifen, sonst wird das nichts werden mit dem sozialen Miteinander in dieser Stadt“. Die Gesellschaft und Politik müsse sich also wieder auf die Gemeinwohlbindung von Grund und Boden besinnen. Ein weiterer Hebel wäre für ihn ein funktionierendes Wohnungstausch-Programm. Und noch besser: „intelligenter mit Wohnraum umgehen“! Einige Genossenschaften bauen etwa Clusterwohnungen – die in ihrer Größe flexibel sind und in der Regel etwa etagenweise Gemeinschaftsräume (zB Küche) haben.

Architekt Daniele Santucci (Climateflux) wiederum hat sich auf die Fahnen geschrieben, das Mikroklima in Städten positiv zu beeinflussen.  Bei seinem Projekt „Coolstreet“ hat er eine Einbindung für Maps entwickelt, die Nutzer*innen die „kühlste“ Route durch die Stadt zeigt und „Hotspots“ umgeht. Im Hochsommer recht nützlich! Ende Mai soll die App online gehen.

Diskussionen am Tisch – Der Deep Dive zu acht individuellen Themen

Nach den Impulsvorträgen verteilte sich das Publikum auf verschiedene Themen-Tische mit Team-Captains. In zwei halbstündigen Sessions wurden insgesamt acht spezifische Themen vertieft. Hier trafen Erfahrungen, Wissen und Perspektiven aufeinander. Welche Erkenntnisse brachten diese Sessions?

Anna Kracher von Veomo (Mobilität) hörte an ihrem Tisch heraus, dass umweltfreundliche Mobilität vor allem einfach und nutzerfreundlich sein muss. Daran muss sich jede Konkurrenz zum Privat-PKW messen. Architekt Benedikt Esche vom Kollektiv A sieht großes Potential in Allianzen. Das fast simultane Kaufhaussterben der Innenstadt eröffnet gerade viele Möglichkeiten zur Stadtgestaltung . Einfach mal heranwagen: „Wir müssen die Angst vor dem vermeintlich bösen Investor verlieren“ so die Stimmung an seinem Tisch. Gemeinsam könne man für gute und nachhaltige Dinge kämpfen. Seine Erfahrung – zum Beispiel mit Dachgärten – zeigt: Das kann auch wirklich klappen. Jenny Paul vom RKU (Referat für Klima- und Umweltschutz) wiederum diskutierte das Thema Bürgerbeteiligungen. Digital oder analog war eine Frage an ihrem Tisch. „Wir brauchen beides“, sagt sie. Aber es müsse richtig eingesetzt werden. „Wir müssen zusammenkommen, um wirkliche Beteiligung schaffen zu können.“

Wie lassen sich KI und Bürgerservice verbinden, fragte sich der Tisch von Leon Lukas (InnovationLab der Landeshauptstadt München). Wo geht’s zum nächsten Trinkbunnen oder wieviele Bäume gibt es in meinem Stadtviertel? Karten und KI können hier unterwegs sinnvoll vernetzt werden. Auch für einfache Anfragen von Bürger*innen an die Stadt eignet sich künstliche Intelligenz. Das Thema Bäume und Begrünung bewegt die Menschen, bemerkte Martin Hänsel (BUND Natur) an seinem Tisch. Die Idee des Munich Central Parks wurde dort vertieft diskutiert. Sein Rat an die Politik: „Keine Angst: Macht mal was, worauf ihr stolz seid!“

Michael Schropp vom Beratungsunternehmen Drees & Sommer wiederum diskutierte zu „Quartieren der Zukunft“. Für ein lebendiges Quartier sei ein „Mix-Use“ unerlässlich. Das heißt ein Nebeneinander von Wohnen, Arbeit, Freizeit und Gewerbe. Dass das gelingt sei gar nicht so leicht, selbst im Neubau.  Ein weiteres Problem: Auch der Projektentwickler muss Lust darauf haben und Quartiere entsprechend planen. Großes Potential haben sie im – Vorsicht, nochmal Englisch – „Multi-Use“ entdeckt. Also in der zeitlich gestaffelten Parallelnutzung einer Fläche. So kann die Eisdiele im Winter etwa zur Glühweinstube werden. Oder ein Arbeitsraum nach Feierabend zu einem Gemeinschaftsraum. Klingt usefull!

Kommt zusammen!

Moderator Marco Eisenack erzählte eingangs, wie er sich noch vor ein, zwei Jahrzehnten fragte: „Wie kriegen wir die Ideen aus der Zivilgesellschaft und aus der ökologisch bewegten Szene in den Mainstream und in die große Wirtschaft?“ Jetzt sei der Moment da, dass in der großen Wirtschaft und auch in den StartUps fantastische Ideen für eine grünere, nachhaltigere und lebenswertere Stadt entwickelt würden. Nur sei da immer noch diese Barriere oder auch Skepsis von früher da: Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Kreative auf der einen Seite kämen zu wenig mit Unternehmen und Geldgeber*innen zusammen, sodass der Impact ihres Handelns oft begrenzt ist. Der gut besuchte Event in der PERLE jedenfalls hat diese Welten – auf lokaler Ebene – ein Stück näher zusammen gebracht.

Es geht weiter: Die nächsten Termine von Munich Next Level

15.02.2024:Zukunftsmodell Kreislaufwirtschaft” mit Daniel Groos aus der MUNICH NEXT LEVEL Reihe “Sharing is Caring”

22.02.2024: MUCBOOK präsentiert CREATIVE SESSION “What happens to the Design Szene?” mit Mirko Borsche u.a.

06.03.2024: MUCBOOK präsentiert CREATIVE NIGHT „Kreative Pionier:innen, die das Leben in München besser machen“

19.03.2024: Urban Innovation Hackathon: Laim – Ideen für eine bessere Version

MUNICH NEXT LEVEL ist eine Dialog-Plattform für Themen rund um die urbane Transformation. Für Expert*innen und Stadtmacher*innen aus Kultur, Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die inspirieren, machen und sich vernetzen wollen – initiiert von MUCBOOK und seinem Herausgeber Marco Eisenack.

Vielen Dank an dieser Stelle auch an die Möglichmacher dieser Veranstaltungsreihe, insbesondere das Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie als Fördergeber, aber auch an das Team von bayernkreativ für die Antragsbearbeitung.

Die Zwischennutzung wird ermöglicht durch den Bauherren Urban Progress. Dieses Projekt wird mit Mitteln der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert sowie der Landeshauptstadt München und dem Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft kofinanziert.

Bilder: MUNICH NEXT LEVEL /Helen Hauber / storiestobetold

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