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Teures WG-Zimmer adieu: wie ein Student in München stattdessen im Van wohnt

MUCBOOK Magazin

Ich treffe Maxi* auf einem schattigen Parkplatz in einem der vielen ruhigen Münchner Vororte, die gerade bei jungen Familien sehr beliebt sind. Knapp drei Monate ist es her, dass er sein Leben im WG-Zimmer gegen einen gebrauchten Citroën Jumper getauscht hat, der ihm jetzt als Küche, Bad und Bett dient.

Dass die Stadt ein echter Albtraum bei der Wohnungssuche sein kann, ist jedem Münchner bewusst und wird jedem Zugezogenen schnell klar. Bezahlbarer Wohnraum ist schwer zu finden. Wenig verwunderlich ist es daher, dass einige junge MünchnerInnen wie Maxi auf ihre teuren WG-Zimmer verzichten und nach neuen und vor allem günstigeren Formen des Wohnens suchen, um hier zu leben.

Wohnen trotz München, eben. Maxi ist ein 20-jähriger Maschinenbau-Student, mein ehemaliger Mitbewohner und derzeit der stolze Besitzer einer Wohnung auf vier Rädern. Grund genug, ihn zu einem Interview zu bitten.

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Was hat ihn dazu gebracht, in den Van zu ziehen?

,,Ich weiß es selber nicht so genau. Früher bin ich oft mit meinen Eltern zum Campen in den Urlaub gefahren, vielleicht war es das, vielleicht habe ich aber auch nur etwas Abwechslung und eine neue Herausforderung gebraucht“, meint Maxi mit einem Augenzwinkern. ,,Ganz zu schweigen davon, dass ich nur etwas Benzin statt Miete zahle und jeden Morgen an einem anderen Ort aufwachen kann. Ob spontaner Trip mit Freunden in die Berge oder ein Ausflug zum See: Ich habe mein Haus immer dabei!”

Gerade dieses Gefühl von Freiheit ist es, das immer mehr Menschen weltweit anspricht. „Vaning“, wie sich diese Art zu wohnen nennt, ist schon längst zu einem Trend geworden. Instagram ist voll von jungen Paaren oder alten Hasen, die oftmals allen Besitz verkaufen und ihre Jobs kündigen, um das „ungebundene“ Leben auf der Straße in vollen Zügen genießen zu können.

Ungebundenheit sieht anders aus

Doch wie ungebunden lebt es sich denn tatsächlich in einem Van? Die Realität, meint Maxi, sieht häufig anders aus. Denn wer morgens an malerischen Szenerien einen traumhaften Sonnenaufgang erleben will, muss erst mal einen geeigneten Platz finden. Und das ist schwieriger, als man meinen mag. Campingplätze mit Aussicht sind selten, Parkplätze und Parklücken in den ruhigen Gegenden Münchens oft schwer zu findenund ganz legal ist das Übernachten im Camper auch nicht.

Wer sich in der Nachbarschaft zu häuslich einrichtet, etwa Gartenstühle in den „Vorgarten“ stellt, Lärm oder Müll verursacht, muss mit einem Besuch der Polizei rechnen. Diese reagiert allerdings meist kulant, nur selten werden Platzverweise oder Ordnungsgelder ausgestellt. Maxi wechselt trotzdem vorsichtshalber alle paar Tage seinen Standort und macht sich erneut auf die langwierige Suche nach einem gemütlichen Plätzchen für seinen Van.

Neben den offensichtlichen Schwierigkeiten warten weitere alltägliche Probleme: Der Gang zum Briefkasten ist für Stadtnomaden ebenfalls beschwerlich. Wer keinen festen Wohnsitz hat, hat auch keine Postanschrift und muss daher teuer ein Postfach mieten oder ist auf die Hilfe von Freunden und Familie angewiesen. Diese sogenannten Scheinadressen sind allerdings in Deutschland strafbar.

Wer einen Stellplatz gefunden und eine Postadresse organisiert hat, kann sich nun in den Alltag des Camper-Lebens stürzen. Aber auch dieser erfordert Planung: Da die meisten Vans und Camper nur über einen kleinen Wassertank verfügen, muss dieser ständig aufgefüllt werden, um sich morgens die Zähne putzen zu können und die Teller zu waschen. Die tägliche Dusche erfordert eine Reise zum nächsten Schwimmbad und muss daher manchmal ganz ausfallen.

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Planung ist also eigentlich das „A und O“ des Camper-Lebens, Ungebundenheit sieht anders aus.

Wen all das nicht abschreckt, der ist bereit für das Leben im Camper. Die alten Vans und Camper sind über einschlägige Internetportale oder Gebrauchtwagenhändler schnell zu finden. Hier gilt allerdings vor allem eines: „Augen auf beim Camper-Kauf“, denn viele der alten Autos sind nicht mehr gut in Schuss und brauchen einiges an Pflege und Reparaturen.

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Eine Lektion, die Maxi auf die harte Tour lernen musste, als kurz nach Einzug Mitte Februar bei Temperaturen von minus 13 Grad das Heizsystem seines Vans den Geist aufgab: „Selbst mit drei Decken war es eiskalt! Zum Glück konnte ich vorübergehend zu meiner Schwester ziehen.“

Trotz aller Hindernisse bereut Maxi seine Entscheidung nicht: „Inzwischen komme ich von der Uni heim und denke mir, ich bin zu Hause.“

Ein wenig Wehmut kommt trotzdem manchmal auf, wenn er an seine alte WG denkt. Das Leben im Camper ist alleine manchmal etwas eintönig, denn was nützt die Schönheit des Lebens auf Rädern, wenn man sie mit niemandem teilen kann.

 

*Name auf Wunsch geändert


Text: Laurens Greschat
Fotos: © Max Emrich