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Auf ein Helles am Terminal: Ein Besuch beim Münchner Airbräu

MUCBOOK Magazin

Das Airbräu am Münchner Flughafen ist die weltweit erste Flughafen-Brauerei. Seit 1999 bietet das Wirtshaus Gästen aus aller Welt traditionell bayerische Biergartenkultur an. Nils Frenzel und Jannis Holl fragten sich, wen man dort eigentlich trifft, und waren für MUCBOOK an einem Ort zwischen Heimat, Tradition und der weiten Welt.  

 

Der Brief für Georgs Familie landete in einer georgischen Sicherheitsbehörde in Tiflis. Die Geschichte, wie die Post seines Kellners in den Kaukasus kam, erzählt Lambros Mitsakos, der stellvertretende Geschäftsführer des Airbräus, gerne: „Du Lambros, hat der liebe Georg gesagt, ich muss vor 22 Uhr noch zum Terminal 2, um einen Brief für meine Familie abzugeben.“ Kein Problem. Vorher aber haben die beiden noch acht Reisende aus Georgien empfangen. Die Gruppe hat sich beschwert, dass sie zu eng sitzen. „Bevor ich jetzt mit denen diskutiere, hol ich meinen georgischen Freund und schicke ihn dahin, hab ich mir gedacht“, sagt Lambros. Nach seiner Schicht sei Georg wieder zu Lambros gekommen und habe gefragt: „Du, weißt du, wer das war? Das war der georgische Verteidigungsminister.“ Und ebender habe nun den Brief höchstpersönlich nach Georgien mitgeflogen. Nach ein paar Tagen erhielt Georg einen Anruf von seinen Verwandten: „Spinnst du? Das Verteidigungsministerium hat uns angerufen. Wir sollen einen Brief abholen“, haben sie damals am Telefon gesagt. Lambros Mitsakos und Kellner Georg müssen lachen, als sie diese Anekdote erzählen. 

Internationale Gäste, Prominente und bekannte Politiker sind in der Münchener Gastronomie keine Seltenheit. Hier tagt der Bayerische Landtag und auch die internationale Sicherheitskonferenz. Zahlreiche Promis leben in der Stadt oder treten hier auf. Doch der Flughafen schreibt noch mal eigene Geschichten. Von der Dynamik des Reisens und den Menschen, die München verlassen oder hier ankommen, lebt das Airbräu – ein Biergarten mit eigener Brauerei mitten in den Hallen des Münchner Airports. 

Zwischen Hast und Gemütlichkeit

Etwas früher an diesem Samstag im März steht Lambros Mitsakos am Empfangsschalter des Airbräus in der Terminalstraße 18. Die Theke erinnert an den Check-in einer Fluggesellschaft. Wie vor dem Einstieg in den Flieger geht es für die Gäste auch am Airbräu in die Sicherheitskontrolle. Durch den Scanner muss hier zwar niemand, den 2-G-Nachweis vorweisen aber schon. Mitsakos überprüft mit seinem Smartphone die QR-Codes der Gäste.

Von außen wirkt das Airbräu nicht unbedingt einladend. Die Glasfassade schirmt das Restaurant von der Hast der Reisenden draußen ab. Eine Illustration in einer Vitrine zeigt den Brauvorgang, daneben Werbung für das hausgebraute Bier. Omnipräsent: das blaue Airbräu-Logo – ein rundes Emblem mit goldenen Flügeln, in dem ein Doppeldecker über dem Schriftzug „Airbräu unfiltriert“ abhebt. Innen geht es klassisch-bayerisch zu. Hinter mehreren Holztischen stehen, von allen Seiten einsehbar, zwei angeleuchtete kupferne Braukessel. Ein erster Sightseeing-Spot für Bierfans. Daneben zwei weitere Räume: die  „Zirbelstube“, die noch mehr bayerische Gemütlichkeit, aber vor allem Privatsphäre bietet, und die  „Tenne“ für Events. Am langen runden Tresen vor der Theke sitzen auch Mitarbeiter des Flughafens. Gut erkennbar an ihren Chipkarten und Namensschildern um den Hals. 

Das Herzstück des Airbräus aber ist der Biergarten, der von einer Glashalle überdacht ist. Fast wähnt man sich direkt unter dem weiß-blauen bayerischen Himmel und nicht unter dem transparenten Dach des Münchner Flughafens. Wie in einem Gewächshaus unterliegt die Flora des Biergartens ihrem ganz eigenen Klima. Während in der freien Natur alles blüht, hängen an den Bäumen auf der Terrasse noch braune Blätter. In den Wipfeln sind Lichterketten und kleine Boxen befestigt, aus denen leise 80er-Jahre-Rock dringt. Der Sound mischt sich mit dem Grollen der startenden Flugzeuge und dem Gezwitscher der Spatzen, die im Biergarten nach Essen suchen.

„Jeder, der nach München reist, kennt das Airbräu.“

Eröffnet wurde das Airbräu am 9. September 1999. Es gehört dem Unternehmen Allresto, einer Tochtergesellschaft des Münchener Flughafens, die neben dem Airbräu einen Großteil der Gastronomie am Airport betreibt. Heute sind allein im Service um die 35 Mitarbeitende beschäftigt. Die Küche besteht aus einem 15-köpfigen Team, das sich nicht nur ums Essen, sondern von der Mälze an auch um die Herstellung des Biers kümmert. „Zeig ich euch später dann mal“, sagt Mitsakos, der im Biergarten Platz genommen hat und eine Runde Bier bestellt. Jetzt will er erst mal über „sein“ Airbräu sprechen.

„Jeder, der nach München reist, kennt das Airbräu“, sagt Mitsakos selbstbewusst. Viele Menschen aus der Umgebung würden extra mit der S-Bahn anreisen. „Erding, Freising, Neufahrn, aber auch aus München.“ Das Airbräu sei mehr als ein kurzer Zwischenstopp für ein schnelles Bier vor dem Abflug, betont er. Den Charme der Gaststätte – und gleichzeitig sein Alleinstellungsmerkmal – mache das eigene Produkt aus: „Ein eigenes, unfiltriertes Bier ist echt selten!“ Der halbe Liter helles „Fliegerquell“ kostet nur 2,95 Euro. Zugegeben, für einen Flughafen, wo eine belegte Semmel schnell mal 5 Euro kostet, ist das wirklich nicht teuer. Neben dem Fliegerquell brauen sie noch das „Kumulus“ – ein Weißbier – sowie ein dunkles Märzenbier und saisonale Sorten. Das „Mayday“ etwa, ein dunkles Weißbier, wird alljährlich im Mai zur Eröffnung des Biergartens angestochen. Eine Blaskapelle und der Maibaum in der Mitte des Biergartens dürfen dann nicht fehlen.

Umweg fürs Airbräu …

Wer mit offenen Ohren durch den Biergarten geht, der hört Sprachen aus aller Welt. Auch im Restaurant ist das Publikum international. In einer Ecke direkt vor den großen Kupferkesseln sitzen Sarah und George aus London. Die beiden sind Anfang vierzig und seit zwanzig Jahren verheiratet. George ist Berufsschullehrer und Sarah betreibt ein eigenes kleines Fashion-Label in der britischen Hauptstadt. Das Ehepaar reist nach Georgien. Die anderthalb Stunden Umsteigezeit in München haben sie bewusst in Kauf genommen. Sie hätten auch den kürzeren Transitflug über Istanbul nehmen können, doch, so George: „We wanted beer and sausages.“ Während Sarah, ganz die britische Lady, ihren Tee trinkt, bestellt er ein neues Bier.

Im Biergarten hat es sich der 30-jährige Ugur aus der Türkei gemütlich gemacht. Vor ihm ein fast leeres Weizenglas, neben ihm ein silberner Rollkoffer und ein schwarzer Rucksack. In wenigen Stunden geht sein Flug nach Istanbul. Für eine Woche wird er dort seine Familie besuchen. Seit sieben Jahren lebt er in Deutschland, hat in München Luft- und Raumfahrttechnik studiert und arbeitet momentan als Berechnungsingenieur in Friedrichshafen. Am Bodensee gibt es mehr Pils als Weißbier, erzählt er. Über seinen Job möchte er nicht zu viel verraten, nur dass sie gerade in Friedrichshafen an einem neuen Luftschiff arbeiten. „Ich muss dann aber auch gleich los“, sagt er, trinkt sein Weißbier aus und verabschiedet sich Richtung Abflughalle. 

Keine Wirtschaft ohne Stammtisch

Besucher wie das britische Ehepaar oder Ugur gehören zur Laufkundschaft des Airbräus. Wie sie bleiben die wenigsten wirklich lange. Die meisten Gäste sind auf Durchreise. Doch für zwei Herren im Innenraum der Gastwirtschaft ist das Airbräu immer schon das Ziel. An einem runden Holztisch sitzen Edi, 74 Jahre alt, aus Neufahrn und Ernst, 82 Jahre alt, aus München (siehe Bild oben). Die beiden kennen sich seit knapp zwanzig Jahren und gehören zum neunköpfigen Stammtisch, der sich gleich im Eröffnungsjahr des Airbräus gegründet hat. 

„Die Runde war mal größer, aber drei haben sich leider verabschiedet“, sagt Edi und nippt an seinem Bierglas. Er erinnert sich noch an die Eröffnung des Airbräus und erzählt, dass er vor seinen Urlaubsreisen hier immer noch „ein bis zwei Helle“ getrunken habe, um die Flugangst etwas zu lindern. Irgendwann lernte er die anderen Gäste kennen, die auch öfters dort waren, und so führte das eine zum anderen. Der Stammtisch war geboren. Die Herrenrunde hat sogar eigene Bierdeckel aus Filz mit eingestickten Namen. Ernst, der ältere der beiden, ist eine elegante Erscheinung: Er trägt graues Sakko und eine dunkelrote, gesprenkelte Krawatte. „Das kommt von meinem Beruf“, sagt er und lächelt. 44 Jahre lang hat Ernst als Kaufmann in München gearbeitet. Ein Bekannter aus dem Augustinerkeller habe ihn dann einmal mit zum Airbräu genommen. Und seitdem ist er häufig hier. 

Heute sind Ernst und Edi aber „außerplanmäßig“ da. Eigentlich trifft sich der Stammtisch mittwochs. Früher hätten sie dann auch noch Karten gespielt, sagt Ernst, aber seine Augen sind nicht mehr so gut. Deshalb trinken sie nur noch gesellig Bier und essen etwas. Edi empfiehlt die Schweinshaxn: „Die sind wirklich gut.“

Malzsäcke für den Läuterbottich – so wird gebraut

Zielgerichtet läuft Mitsakos nun durch das Terminal, biegt rechts ab und geht über einen Parkplatz, durch kahle Flure und Sicherheitstüren, bis er das Herz des Airbräus erreicht: die Brauerei. „Die Kupferkessel im Restaurant sind ja eher Deko“, sagt er. Im kalten Keller geht es vorbei an großen Bottichen, hin zu einem Raum, in dem säckeweise Malz steht. „Pro Sud werden 400 Kilogramm Malz gebraucht“, erzählt er und erklärt den Brauvorgang: Durch die Schrotmühle kommt das Malz zuerst in einen riesigen Bottich, der sogenannten Maischepfanne, dann in den Läuterbottich, zur Würzepfanne, in der dann Hopfen beigefügt wird. Anschließend geht es in den sogenannten „Whirlpool“, durch den Würzekühler und schlussendlich landet das unfertige Gebräu im Gärtank. Der Brauprozess für einen Sud zieht sich über mehrere Monate. Ein komplexer Vorgang, der für Qualität steht: Als erste Flughafen-Brauerei der Welt braut das Airbräu strikt nach dem deutschen Reinheitsgebot von 1516. 

Mit René Jacobsen hat man sogar einen eigenen Braumeister engagiert. Der Norddeutsche Jacobsen hat sein Braumeister-Diplom an der TU Berlin gemacht und ist seit 2013 verantwortlich für die Flughafenbrauerei. Wieder am Ausgang angekommen, greift Mitsakos zu einem Bierglas und zapft sich ein frisches Helles aus einem der Tanks: „Schmeckt doch“, grinst er zufrieden. Er berichtet aus der Anfangszeit der Pandemie, als bereits 4.000 Liter Airbräu-Bier verzapft waren, aufgrund des Lockdowns aber nicht ausgeschenkt werden konnten. Da wurde der Braumeister erfinderisch: Gemeinsam mit der Firma Mountain Hub entwickelten sie das, was Mitsakos den „Infused Bierbrand“ nennt – ein Bierbrand nach Gin-Machart. Heute kann man den limitierten Gin auf Bierbasis im Airbräu kaufen. Nur 500 Flaschen des Brandes gibt es – bei den brancheninternen Rankings der Meiningers International Spirits Awards hat er 2022 eine Silbermedaille gewonnen.

Letzte Runde

Egal wie schmackhaft Bier oder Brand sind, ohne Mitarbeiterinnen wie Marie kämen sie nie bei den Gästen an. Die Kellnerin hat an diesem Abend viel zu tun, denn der Biergarten ist gut besucht. Geschäftig schwirrt die 21-Jährige von Tisch zu Tisch, um Bestellungen aufzunehmen. Vor drei Jahren hat sie ihre Kochausbildung im Airbräu angefangen und vor Kurzem ist sie, nach einer kleinen Pause, wieder zurückkehrt, um im Service zu arbeiten. Sie schätzt den Teamgedanken und dass man sich aufeinander verlassen kann, auch wenn es mal stressig wird. Auf die Frage, ob sie hier auch schon mal Promis gesehen hat, zuckt sie mit den Schultern und sagt: „Ich glaube, Kontra K war mal hier.“

Einer, den Marie heute immer wieder bedienen muss, ist der 27-jährige Nico aus Köln. Gemeinsam mit seinen Freunden Tanja und Roman ist er für ein Wochenende in München. Von einem Bekannten erfuhren sie vom Airbräu und haben sich prompt vom Ostbahnhof aus auf den Weg gemacht. Vom Bier ist er begeistert. „Fast besser als Kölsch“, sagt er und bestellt noch eine Runde. Ballermann- und Partytouristen – wie man sie hier vermuten könnte – sucht man an diesem Samstag im März vergeblich. Eine Person, die gerade von einem Junggesellenabschied im Airbräu kommt, also eine Partytouristin im weitesten Sinne, gibt es dann aber doch. Am Tresen sitzt Silvia, Ende Dreißig, mit einer stärkenden Tasse Kaffee. Zehn Jahre hat sie bei einer Autovermietung am Flughafen gearbeitet, erzählt sie, deshalb kennt sie das Airbräu schon lange. Für Mitarbeitende des Flughafens ist das Airbräu aufgrund der Nähe und der bodenständigen Preise eine beliebte Anlaufstelle nach Feierabend, erklärt sie.

Gegen 21 Uhr bricht Nico mit seinen Freunden auf. Der junge Mann ist traurig. Da hilft auch die bierselige Stimmung nicht, die sich der Kölner über mehrere Stunden hinweg angetrunken hat. Grund für die Trauer: Er kann sein neues Lieblingsbier nicht mitnehmen. Denn das unfiltrierte „Fliegerquell“ gibt es nur frisch gezapft im Airbräu. Allein, um noch mal in diesen Genuss zu kommen, lohnt sich die Reise zum Terminal.


Text: Nils Frenzel & Jannis Holl

Fotos: Steffen Möller

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