Stadt

“Vielleicht wird am Montag geräumt”

Christoph Leischwitz

Malte1

Ein Spaziergangs-Interview mit dem bayerischen Studentensprecher Malte Pennekamp – auf der Suche nach der Frage, woher die Proteste kamen, wohin sie gehen – und wie lange sie noch dauern werden.

Die Studentenproteste haben schnell ein Gesicht bekommen. Doch Malte Pennekamp, 25, ist in diese ganze Sache eher zufällig hineingerutscht. Gerade als er zum bayerischen Studentensprecher gewählt wurde, begannen die Proteste. In den vergangenen drei Wochen hat er viel gelernt über die politische Praxis und auch, wie man mit Medien umgeht. Dass dabei sein Studium ziemlich auf der Strecke geblieben ist, macht ihm ein wenig Sorgen, doch er bereut nichts. Es entwickelt sich ein Gespräch über den Sinn der Proteste – und auch darüber, wie lange sie noch andauern werden.

Wir treffen uns im Café an der Uni in der Ludwigstraße, dort, wo Studiengänge für die Namen von Gerichten herhalten müssen, die für die Unigegend eigentlich viel zu teuer sind. Malte bestellt ein Regensburger Schnitzel und wirkt sehr entspannt, auch wenn sein Handy minütlich klingelt. Der Akku schafft es nicht durch einen Tag, sagt er.

Wie geht´s? Bist du müde?

Ach, heute nicht. Ich habe lange geschlafen und fast ein schlechtes Gewissen.

Wieviel hast du denn geschlafen?

Sieben Stunden. Und ehrlich gesagt die Nacht davor auch schon. Aber die drei Wochen davor habe ich nie mehr als vier Stunden geschlafen.

Und bist du mit dem bisher Erreichten zufrieden?

Einerseits bin ich sehr zufrieden, weil die Leute so Gas geben. Zu Beginn gab es viel mehr Menschen, die einfach nur mal protestieren wollten. Andererseits bin ich unzufrieden, weil von Seiten der Politik immer noch keine Lösungsvorschläge kamen.

Angenommen, da kommen auch keine Vorschläge mehr, würdest du es bereuen, in den letzten Wochen so viel gearbeitet zu haben für nichts?
Keine Sekunde. Egal wo ich gerade langgehe: Auf der Straße sprechen alle wieder über Dinge wie Exzellenzinitiative, und darüber, dass für gute Bildung wieder etwas getan werden muss. Das führt vielleicht nicht jetzt, aber morgen oder übermorgen zu Veränderungen.

Was ist dein persönliches Hauptanliegen?

Die studentische Mitbestimmung. Wenn wir die gestärkt haben, dann kann man in Zukunft zu etwas wie Bologna und die schlechte Umsetzung der Bachelor-Studiengänge eher verhindern.

Wollt ihr Bologna zurückdrehen?

Nur ganz wenige möchten das. Es findet ja jeder sinnvoll, dass die europäischen Hochschulabschlüsse harmonisiert werden, aber das darf nicht auf Kosten der Lehrqualität gehen.

Hast du das Gefühl, dass die bayerischen Studenten da an einem Strang ziehen?

Natürlich haben die Uni-Vertreter unterschiedliche Meinungen. Aber in der Streikbewegung gibt es vier Dinge, die alle wollen: Die Nachbesserung von Bologna, die Abschaffung der Studiengebühren – bis auf die Ausnahme der Uni Bayreuth – ein Mehr an Mitbestimmung und eine ordentliche Ausfinanzierung.

Wie sollen die Bologna-Nachbesserungen genau aussehen?

Naja, das Problem ist: Es gibt eben keine konkreten Lösungsvorschläge. Ich glaube manchmal, die PolitikerInnen haben keine Ahnung, was daran überhaupt ausgebessert werden kann. In dieser Woche zum Beispiel gab es eine Landtagsdebatte mit einem Dringlichkeitsantrag, der von CSU und FDP abgelehnt wurde. Aber da stand auch sowieso nicht viel wichtiges drin.

Hast du in den vergangenen Wochen irgendeinen Politiker getroffen, der sich auskennt?

Nein. Die einzigen, die wirklich Ahnung haben, das sind die Referenten im Wissenschaftsministerium.

Und den Minister Heubisch kennst du mittlerweile schon ganz gut.

O ja. Ich weiß gar nicht, wie oft wir uns schon getroffen haben. Er hat mir schon einen Job im Ministerium angeboten. Das war natürlich ein Scherz. Weil wir uns zurzeit so oft sehen.

Wann seht ihr euch das nächste Mal?

Spätestens wieder im Januar. Aber ich würde mir wünschen, dass wir die Ministerialmenschen schon früher treffen, denn mit denen kann man über die Themen reden, wo von Politikerseite nicht sofort Beton angerührt wird.

Bei welchen Themen wird denn Zement angerührt?

Vor allem bei den Studiengebühren. Aber wir haben rhetorisch gesehen Hammer und Meißel auch immer dabei. Ich bin mir sicher: Man kann was bewegen. Wir dürfen nur nicht einschlafen.

Wir bezahlen und laufen die Ludwigstraße nach Norden, vorbei am Hauptgebäude. Malte hat viele Kontakte aufgebaut in den vergangenen Wochen, zur Unileitung, auch zur Polizei. Er vermutet, dass der Audimax bald geräumt werden könnte. Vielleicht schon am Montag. Er sagt:

Wenn man mich vorher gefragt hätte, ob man die Kunstakademie und den Audimax besetzen soll, dann wäre ich wohl dagegen gewesen. Aber es ist einfach passiert. Und im Nachhinein gesehen war das sehr gut so.

Glaubst du, dass es sich um eine allgemeine Unzufriedenheit handelt, oder nur eine Unzufriedenheit mit den Reformen an den Unis?

Eigentlich sehen wir an unseren Protesten nichts Historisches. Doch ich glaube auch, dass es eine Reaktion der Politik der letzten zehn Jahre ist, die Politik der Großen Koalition. Und was dann am linken Rand entstanden ist, wurde durch die neue schwarzgelbe Koalition endgültig mobilisiert.

Wie sieht es bei dir persönlich aus, warst du hier im Hauptgebäude in der letzten Zeit auch mal als Student?

Nein, da sieht es arg bescheiden aus. Ich bin gar nicht dazu gekommen, zur Uni zu gehen. Ich freue mich, nächste Woche mal wieder eine Vorlesung besuchen zu können.

Bist du dir da sicher, dass du nächste Woche wieder Zeit hast?

Das hängt natürlich auch von den weiteren Entwicklungen ab. Aber der Medienrummel lässt langsam nach. Der eigentliche Stress bestand bisher darin, dass ich Tausende Gespräche und Interview-Anfragen hatte. Das ist jetzt abgeflaut. Aber die eigentlichen Aufgaben, die getan werden müssen, davor kann ich mich nicht retten. Ich kann mir die Zeit jetzt nur ein bisschen besser einteilen.

Weiter zur Kunstakademie, wo alles begann. Eigentlich wollte mir Malte die völlig verunstalteten Räume im ersten Stock zeigen. Doch hier gibt es kaum noch Spuren des Protests. Es riecht hier nicht mehr nach Bier und Schweiß, sondern nach frischer Farbe. Ein Maler sitzt neben einer Säule am Boden und überpinselt die letzten Tags.

Malte: Hier war am Anfang das Problem, dass viele Leute nur Krawall machen wollten, aber nicht inhaltlich arbeiten. Die halbe Akademie war vollgekritzelt und voll mit Aufklebern. Deshalb sind wir sehr glücklich, dass in der LMU bisher alles heil geblieben ist.

Als wir wieder hinausgehen und vorbei am ehemaligen Plenumsraum der Protestler im Ostflügel, wird Malte fast nostalgisch:

Das war wie mit Sardinen in der Dose. 50 Sitzplätze, aber 200 Leute da drin. Das ist schon ganz schön lange her, dreieinhalb Wochen…wir hatten alle einen Mordsschiss was passiert, wenn wir in die LMU gehen.

Ihr habt immer mit Polizei gerechnet…

Da war wirklich alles möglich. Ich war mit der erste, der hier in der Akademie reingegangen ist, deshalb war ich dann auch Ansprechpartner für die Polizei. Hier vorne am Siegestor standen damals mehrere Gruppenwangen, der Einsatzleiter meinte damals zu mir: Wir räumen, wir warten eigentlich nur auf das Signal. Aber der Präsident der Hochschule hat die Order nicht gegeben, das war ein Segen. Er hat beide Augen zugedrückt, trotz der ganzen Sachbeschädigungen. Er hat gemerkt, dass sich hier etwas Großes entwickeln wird.

Und irgendwie warst du dann bald mittendrin. Fast schon berühmt ist dein Auftritt im Bayerischen Fernsehen mit Wissenschaftsminister Heubisch. Als er da sagte: „Herr Pennekamp ist der entscheidende Mann“ – was hast du da gedacht?

Ich fand´s peinlich und sau-unanagenehm. Gerade durch diese Aussagen war ja der Fokus dann auf mir, und das war sowas von an den Tatsachen dabei. Weil das ja suggeriert, ich hätte alles unter Kontrolle. Es ist genau umgekehrt, die Sache hat mich unter Kontrolle.

Hat er das nicht vielleicht mit Absicht gemacht?

Ich glaube, er hat sich über die Aussage keine großen Gedanken gemacht. Das ist so ein bisschen typisch Heubisch, dass er seine Gegenüber mit Komplimenten überhäuft. Man könnte es auch einlullen nennen. Er ist aber eigentlich ein ganz herzlicher Mensch.

Versteht ihr euch gut?

Menschlich verstehen wir uns gut, und er weiß auch, dass es mir nicht darum geht, an seinem Stuhl zu sägen.

Hat sich in den Köpfen im Ministerium deiner Meinung nach etwas bewegt?

Ja, da bin ich mir sicher. Ich weiß nur noch nicht, ob wir komplett ernst genommen werden. Man traut uns zu einem großen Teil immer noch nur Krawallideologie zu, aber nicht, dass wir sachlich verhandeln können. Das ist ein bisschen eine tradierte Vorstellung.

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Wir gehen zur Protest-Zentrale in der Nähe des Schweinchenbaus. Hier stehen die Computer und Drucker, mit denen alles organisiert wurde. Und seit gestern auch die internationale Konferenz der Studentenvertreter. Über 40 Unis aus fünf Ländern sind dabei. Es hat sich ein neuer Organisationsstab gebildet, viele Studenten sind erst in dieser Woche eingestiegen. Einer hat alles, worüber ab Samstag geredet werden soll, ins Französische übersetzt, eine andere hat die Forderungen aller Beteiligten schon einmal zusammengefasst, um die Gemeinsamkeiten heraus zu filtern.

An der Wand hängen Dutzende gelbe Zettel mit To Do´s und Telefonnummern. Es ist der Ort, an dem tendenziell eher linke Studenten für eine Weile zu Sekretären, Pressesprechern und Teilzeit-Managern mutieren. Und am Ende unseres Gesprächs erfahre ich dann noch, wie wichtig das Bier für diesen Protest ist.

Malte: Hier wurden schon die Flyer für die Solikundgebung der Akademiebesetzung gedruckt, die Flyer für die Besetzung des Audimax. Jedes Blatt Papier wurde hier drin fertig gestellt.

Wie habt ihr das Ganze eigentlich finanziert?

Tja, das ist Geld, dass zum Teil erst jetzt wieder zurückfließt, und zwar durch den Bierverkauf im Audimax.

Dann ist ja jedes Bier im Hauptgebäude ein Solidaritätsbeitrag.

Deswegen kann ich auch nur jedem empfehlen, viel Bier zu trinken in der Uni. Wobei das Ganze natürlich nie eine Party war.

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