Kultur, Nach(t)kritik

Weniger Nebel, mehr Prosecco – Der Nino aus Wien im Milla

nino aus wien

Es ist ein bisschen zu harmonisch gewesen, das Reinfeiern. Vor der letzten Zugabe kommt Nino Mandl alias Der Nino aus Wien mit einer Flasche Prosecco auf die Bühne. Einer der sprödesten Charaktere Österreichs gießt sich in München tatsächlich Schaumwein in die Teetasse und liefert dann die fällige Erklärung hinterher: Er habe jetzt Geburtstag, sagt der Nino mit diesem kindlich-schüchternen Grinsen – und er feiere ihn gerade zum ersten Mal. Und auch wenn einer wie der Nino ja so vieles einfach mal so sagt, wenn der Konzertabend lang ist, – es wäre ihm zuzutrauen, dass der 27. tatsächlich der erste Jahrestag ist, den er feiert. Seinen Stil hat man bisher auch nicht mit Prosecco assoziiert, sondern mit stillem, schalen Dosenbier – gegen den Frust, gegen das Leid und die Müßigkeit des Lebens sowieso. Der Nino aus Wien, 2010 bekannt geworden mit seinem Indie-Folk-Hit „Du Oasch“, einem müde-melancholischen Diss-Track auf den Typen, der ihm die Frau ausgespannt hat, repräsentierte bisher gepflegtes Losertum. Seine verkaterte Erscheinung ist so rotzig wie behäbig, Gitarre um und trotzdem Zigarette in der Hand. Auf Konzerten in der deutschen Provinz schaffte er es zuweilen, den ganzen Abend lang nicht warm zu werden mit dem Publikum, und in den Ansagen blasiert vor sich hinzustammeln. Doch am Mittwoch im Milla ist der Austro-Folk-Songwriter mit dem markant nöligen Nebenhöhlentenor von Anfang an gelöst. München ist keine Provinz. Fans sind da. Eh Klar. Viele Österreicher. Es ist die Deutschland-Live-Premiere seiner gleich zwei neuen Alben: „Bäume“ und „Träume“ – ein ruhigeres, ein schnelleres. Und auch auf denen zeigt sich ein klarer Entspannungstrend – mehr Songs, weniger Skizzen, thematisch mehr Liebe, mehr Prater-Rasen-Aufenthalte und eindeutige Versuche einer Auseinandersetzung mit den administrativen Altersfragen eines 27-Jährigen; so etwa auf „Bäume“, dem Titelsong, einen fast unironischen Liebeslied, das eine echt ernstgemeinte Beziehung in der 2. Person besingt und mit einer womöglich ganz und gar unironischen Vision von „Kindern, Katzen und einem Garten, in dem wir wachsen“, endet.

Natürlich kann es der Nino trotzdem noch, das herausfordernde, ja spöttische Schmunzeln: Seine aktuelle Single heißt „Coole Person“ – der Entwurf eines reichen, langweiligen Normalos. Nein, klar, der Nino bleibt auf der sicheren Seite, und dennoch ist da weniger von dieser Emo-Pose als früher, mehr Klarheit im Auftritt, im Milla schwebt eine gütige Heiterkeit über ihm und seiner Band. Die erste Hälfte spielen sie dann auch fast ausschließlich neue Songs, in der zweiten wird permanent mitgesungen: Hits wie das sich in den Rausch der Euphorie hineindrehende „Urwerk“, der Wienerlied-Walzer vom „Schlagoberskoch“. Und ganz am Schluss noch das Zuckerl fürs Publikum: „Du Oasch“ ist die letzte Zugabe. Dem Publikum die Nostalgie, dem Nino ein Prosecco. Er gibt dann noch zu, er sei jetzt in „einem schwierigen Alter“ – und schwierig könnte für ihn heißen, bei all der harmonischen Gelassenheit den fruchtbaren Nebel aus der Optik zu verlieren. An Größe jedenfalls fehlte dem Nino an diesem Abend nichts mehr.

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