Clubkultur 2020
Aktuell, Kultur, Nach(t)kritik

Wie gehts der Clubkultur? Die Betreiber vom Blitz, Harry Klein und der Roten Sonne im Interview

Yannik Gschnell

Seit Freitag dem 13. März schweigt der Bass in München, zumindest in den Clubs, also da wo er hingehört. Nach beinahe 300 Tagen ohne Clubbetrieb, ohne Ekstase, ist es nun an der Zeit für ein Zwischenfazit. Deswegen haben wir mit Peter Fleming vom Harry Klein, Branimir Peco vom Blitz und Peter Wacha von der Roten Sonne über das vergangene Jahr und die Zukunft der Clubkultur gesprochen.

Zwar sind die Clubs leer, oder zu Corona-Testzentren umfunktioniert, doch die Clubwelt steht nicht still. Seit diesem Monat gelten Clubs in Berlin als Kulturstätten und durch das sogenannte Berghain-Urteil dürfen Clubbetreiber fortan Eintrittsgelder mit 7% besteuern. Das sind rosige Aussichten, allein die Möglichkeit zu feiern fehlt fürs erste.

Es gibt also viel zu besprechen. Das sehen nicht nur wir so, auch das Team des Harry Klein hat die Gelegenheit genutzt und letzte Woche am Kultur-Donnerstag einen Live-Talk veranstaltet. Der Titel: Kann Club Kultur? Musik-Clubs und der ewige Kampf um Anerkennung. Auch darüber haben wir mit den drei Münchner Nachtlegenden gesprochen.

Doch zuerst die Frage nach dem Gemütszustand: Wie hat die Clubszene das Jahr 2020 erlebt?

Für uns war völlig klar, dass wir unbedingt weitermachen müssen und den Leuten was geben müssen.“ so Peter Fleming. „Wie immer das auch möglich ist. Deswegen haben wir so kontinuierlich Livestreams gemacht.“ Zum einen, um die Leute vor den Bildschirmen tanzen zu lassen, zum anderen um all den Künstler*innen und DJs eine Gelegenheit zu bieten, das zu tun was sie lieben – Musik zu machen.

Das sieht auch Branimir Peco ähnlich, auch wenn ihm das Medium nicht gefällt. „Ja klar knallt’s, auch mal zu Hause eine Technoplatte aufzulegen, aber diese Musik heißt Clubmusik, weil sie wirklich für Clubs gemacht wurde. Die sollte man als gemeinsames Erlebnis in einem Musikclub erfahren.“

Im Winter wirds kalt für die Musik

Gleichzeitig sieht auch er die Gefahr, das Musiker*innen vergessen werden. „Das ist jetzt nicht unbedingt das Beste für die Kulturwirtschaft, wenn sich Kulturschaffende plötzlich mit etwas anderem beschäftigen.“

Gerade jetzt im Winter fehlen die Möglichkeiten, corona-konform zu feiern. „Im Sommer ging es ja noch gut. Da konnte man im Freien noch was machen. Ein paar kleine Sachen waren erlaubt und es liefen ein paar illegale Sachen,“ resümiert Peter Wacha.

Aber es gab halt keinen Club. Es gab keinen Bass, der den Körper in Vibration versetzt. Diese ekstatische Stimmung, das ist irgendwie vorbei. Es war eine Zäsur, man weiß auch nicht wie es weitergeht. Das hat aber auch seine positive Seite gehabt. Viele Leute haben sich entschleunigt. Raus aus diesem Hamsterrad der Routine im Alltag. Eine Veranstaltung jagt die nächste. Es hat mal so ein bisschen eine Reflektion eingesetzt. Ich finde die Zeit auch sehr gut zum Nachdenken.

„Stecke ich jetzt den Kopf in den Sand oder bin ich eben kreativ?“

Ein solcher neuer Gedanke waren beispielsweise betischte Clubs, ein Konzept an dem beispielsweise das Filmcasino im Sommer krachend gescheitert ist und durch eine medienwirksame Polizeirazzia unrühmliche Bekanntheit erlangt hat. Peter Wacha kann sich ein solches Feiern allerdings schon für die Rote Sonne in 2021 vorstellen:

„Klar, wenn du da jetzt so ein Ballermann-Volk hast, dann ist das Ganze zum Scheitern verurteilt. Ich habe da eher an ein Kulturprogramm gedacht, mit mehr Live-Musik, dann auch eher experimentell. Es wäre ja auch mal ein wirklich toller Zeitpunkt, die andere Seite der elektronischen Musik in einem schönen Ambiente zu präsentieren. Wenn man nicht diesem Diktat des Dancefloors ausgesetzt ist.“

Club ist eben nicht gleich Club. Gerade in den öffentlichen Statements aus der Politik wurde da vieles in einen Topf geworfen. Es gab wenig Verständnis für Clubs wie das Harry Klein, die Rote Sonne oder das Blitz, vielmehr sprach man die gesamte Feierszene an, als gäbe es in Deutschland nur Dorfdiscos.

Fehlt es politisch an Anerkennung für die Clubkultur?

„Ich glaube schon, dass seitens der Politik eine gewisse Anerkennung vorhanden ist. Sonst wäre ja sowas wie in Berlin nicht passiert,“ so Peter Wacha. „Auch in Bayern werden ja gießkannenmäßig kleine Beträge über die Clubs ausgeschüttet, damit wir unter selbstausbeuterischen Bedingungen weiterbüffeln dürfen, um ein Kulturprogramm zu schaffen und der Jugend einen Platz zu geben. Wir erfüllen eine soziale Aufgabe, das darf man nicht vergessen. Aber dann kommt so ein Staatskanzleichef Herrmann daher und sagt, die Clubleute sind alles Trickser, das geht halt gar nicht.“

Auch Ministerpräsident Markus Söder polarisierte im Frühjahr, als er anmerkte, dass diejenigen die Tanzen wollen, das ja zu Hause mit ihren Partnern tun können. Für Branimir Peco ist das ein Statement aus einer clubfremden Lebenswelt.

„Ich glaube der Herr Söder hat einfach in seinem Werdegang den Teil des Lebens nicht mitgemacht und ist ja auch CSU-Politiker geworden. Natürlich spür’ ich da erst einmal Unverständnis und fass’ mir an den Kopf. Am Ende habe ich aber eher Mitleid mit dem Typen, der jetzt seit zehn Monaten mit seiner Frau zu Hause tanzt.

Berlin macht’s vor

An diesem Punkt ist Berlin nun einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Denn der Club als Kulturstätte genießt nun ein ganz anderes Ansehen und steht auf einer ähnlichen Stufe wie Theaterhäuser oder die Oper. In München schaut das noch anders aus.

Wir werden halt immer noch, also rein von der rechtlichen Seite, in die gleiche Schublade wie ein Bordell oder eine Spielhalle gesetzt. Offiziell sind wir eine Vergnügungsstätte. Das schmerzt irgendwie.“ Peter Fleming möchte lieber anders dargestellt werden. „Wir sind nicht die Leute, die nachts nur Geld sehen und wo es nur darum geht, Drogen im Club zu nehmen. Wir bieten wirklich ein kulturelles Programm.

Im Harry Klein fließen 25% des Umsatzes in die Programmplanung. Alleine für das letzte Jahr liegt Peter Fleming eine Bestätigung über 240 kuratierte kulturelle Veranstaltungen im Harry Klein von der Spielstätten-Förderung Bayern vor. Da kann kaum ein Theater mithalten. Doch die rechtliche Anerkennung fehlt weiterhin. Paradox, da den Clubs, die ein kulturelles Programm vorweisen können, durch Überbrückungshilfen bis zu 100% der Betriebsausgaben erstattet werden.

Das Clubsterben bleibt vorerst aus, aber was ist mit den Künstler*innen?

Würden Clubs endlich auch offiziell als Kulturstätten anerkannt, käme das nicht nur den Clubbetreiber*innen zu Gute, doch vielmehr auch den Künstler*innen. Das zeigt sich auch an der aktuellen Arbeit des Harry Klein: „Der größte Teil von diesen Soforthilfen fließt direkt an die DJs. Wir machen diese Livestreams möglich, haben die Technik fördern lassen. Jetzt haben wir die Möglichkeit, Künstler*innen einzuladen und mit einer Gage zu entlohnen. Wir verdienen dabei nichts, die Livestreams waren bislang alle kostenlos.“

Auch für Branimir Peco liegt die große Chance dieser Neueinordnung bei der besseren Repräsentierung von Künstler*innen in der Clubszene. „Die Künstler*innen müssen irgendwo platziert werden, weil das auch oft marginalisierte Gruppen sind, die sich gegen etwas auflehnen, oder für etwas aufstehen, aber das Podium nicht kriegen. Oder es kommen nicht genug Leute. Die gehen vielmehr in Kulturbetriebe, anstatt in die Clubs, wo sie eigentlich hingehören.

München braucht mehr Überzeugungstäter

„Du kannst ja niemanden zwingen, irgendwas zu mögen. Da ist so eine gewisse Förderung immer total hilfreich in sämtliche Richtung, für die Künstler*innen, für uns als Clubs, die sowas unbedingt platzieren wollen. Sonst entscheidet das betriebswirtschaftliche Prinzip und nicht die Leidenschaft.“

Die ersten Steine sind gelegt und auch mehr und mehr Fürsprecher*innen des Nachtlebens finden in letzter Zeit ihren Weg in den Münchner Stadtrat. Doch ganz so schnell wie in Berlin wird’s hier wohl nicht gehen.

Also meine Herren, wie sind die Pläne für 2021?

Wir werden auf jeden Fall mit den Livestreams weitermachen,“ so Peter Flemming. „Im nächsten Sommer wollen wir auch mindestens vier bis fünf Open Air-Locations bespielen, da wollen wir auch in die Stadtviertel gehen, ein bisschen dezentral sein. Damit nicht immer alles in der Innenstadt stattfindet.“

Auch Branimir Peco gibt sich zuversichtlich: „Wir halten durch und kämpfen, was anderes kann ich nicht so gut. Deswegen hab‘ ich jetzt auch nicht die Zeit genutzt, um mich umzuschulen. Ich glaube nicht, dass sich die Leute abgewöhnt haben, sich zu treffen und zu feiern. Ich habe den Club gemacht, um den Menschen was zu bieten. Ich mach das, weil ich es gern mach. Das war ja kein Akt der Verzweiflung, dass ich im Club-Milieu gelandet bin. Ich habe es mir so ausgesucht. Deswegen hoffe ich natürlich, so früh wie möglich wieder zu öffnen.

So früh wie möglich, hört man auf die optimistischsten Stimmen, bedeutet wohl trotzdem erst Herbst 2021. Doch auch dann wird alles anders sein. Also heißt es weiterhin kreativ zu sein:  Feiern mit Maske, wäre das was, Herr Wacha?

„Ganz schwierig. Am Anfang der Raver-Zeit gab es ja viele, die sich total originell gekleidet haben und mit Raumfahrt-Anzügen in die Clubs gelaufen sind. Das wäre natürlich schon lustig, wenn dann alle wie Raumfahrer kommen.


Doch damit es überhaupt soweit kommt, kannst auch du noch deinen Teil beitragen!

Das Harry Klein kannst du bei startnext unterstützen.

Die Rote Sonne hält sich mit einer neuen Collection über Wasser.

Auch auf der Blitz-Website kannst du vorbeischauen und supporten.

Wenn du den Vergessenen helfen willst, schau bei der Initiative Musik vorbei, die seit letzter Woche gezielt Solokünstler*innen und Bands unterstützen.

Let’s help each other, help each other!


Beitragsbild: © Sam Mar on Unsplash

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