Kultur, Live

“Wir trauen uns jetzt, zu zweit zu klingen”

Das Akustik-Duo El Rancho.

Früher haben sie in Metalbands geschrammelt, dann den Sound akustischer Gitarren für sich entdeckt. Luca Wollenberg und Patty Roche sind zusammen das Münchner Gitarren-Duo El Rancho. Diesen Herbst legen sie ihr zweites Album vor, erste Songs daraus gab es am Donnerstag bei einem Konzert im Cord Club zu hören. Ein kaffee- und kippenlastiges Gespräch über die Koexistenz von Gegensätzlichem, einen Tritt in die Eier und ein ausgeschlagenes Label-Angebot.

Ihr sitzt hier so einträchtig. Aber ein Kumpel von euch hat verraten, dass ihr euch früher überhaupt nicht ausstehen konntet.

Patty: Das stimmt, wir konnten zu Schulzeiten gar nicht miteinander. Ich war ursprünglich eine Klasse über Lucas, aber dann bin ich in Latein durchgefallen und musste wiederholen. Ich wollte wirklich auf gar keinen Fall in seine Klasse – und bin natürlich genau dort gelandet.

Luca: Jetzt hast du diese nette Begegnung auf dem Pausenhof ausgelassen…

Patty (lacht): Da hat Luca mich beleidigt und meine Mutter gleich dazu. Daraufhin habe ich ihm einen Tritt in die Eier verpasst. Ich glaube, das war unsere erste richtige Begegnung…

Bei der es offenbar nicht geblieben ist. Was hat die Wende gebracht?

Patty: Das hat noch ziemlich lange gedauert. Nach der Schule sind wir uns über Freunde nochmal begegnet und haben gemerkt, dass der andere vielleicht doch ganz in Ordnung ist. Heute verstehen wir uns so gut, dass wir oft gefragt werden, ob wir Brüder sind.

Luca: Oder schwul.

Patty: Sind wir übrigens nicht.

Euer Debüt “Strangeland” war eine Art musikalisches Roadmovie, wo geht die Reise mit dem zweiten Album hin?

Luca: Diesmal gibt es keine Reise, sondern eher ein übergeordnetes Motto.

Das da wäre?

Luca: Die Koexistenz von Gegensätzlichem. Das Album wird “The Black & White Sessions” heißen und mit dieser Schwarz-Weiß-Thematik spielen. Die eine Hälfte der 16 Songs steht unter einem negativen, die andere unter einem positiven Motto. Man hört das aber nicht sofort, die Songs fusionieren. Das ist die textliche und musikalische Quintessenz des Konzepts.

Patty: Zu der Idee kam es, weil uns aufgefallen ist, dass Lucas Songs immer irgendwie einen fröhlichen Charakter haben, während meine eher düster sind. Da wir aber gemeinsam an den Stücken arbeiten, verschwimmt das.

Und welche Songs sind für euch besonders wichtig? Jeder nur einen, bitte.

Patty: Ich muss noch überlegen. Aber ich weiß, dass Luca es sofort weiß.

Luca: Bei mir ist es “Did you feel me”. Der Song klingt ganz anders, als alles, was es vorher von El Rancho gab. Wahnsinnig positiv, sehr tanzbar. Jedes winzige Detail an diesem Song freut mich. Ich habe auch den Text geschrieben, was normalerweise eher Pattys Part ist. Ich bin der Typ für die Gitarren.

Worum geht es in diesem Song?

Luca (druckst etwas rum): Es geht um ein Mädchen. Eigentlich ist es nicht meine Art, Lieder über so was zu schreiben….

Patty: Was? Alle deine Songs handeln von solchen Sachen. “Open up your heart” zum Beispiel!

Luca: Aber das sind ja fiktive Sachen. Ich will nicht so ins Detail gehen. Es geht um eine besondere Konstellation in einer Zeit, in der nicht klar war, was Sache ist und was passieren wird. Ich hinterfrage meine eigenen Werte und Vorstellungen bezüglich meiner Entscheidungen.

Das ist jetzt aber kryptisch.

Luca: Mit Absicht! Wenn ich ein Lied höre, nervt es mich, wenn ich genau weiß, worum es geht. Und außerdem ist das sehr persönlich, echt schwer zu erklären.

Patty: Bist du fertig? Ich habe zu Ende überlegt: Mein speziellster Song ist “Just a word”. Ein alter Song, den ich noch vor El Rancho-Zeiten geschrieben habe. Textlich geht es darum, dass man Stimmen hört. Nicht wie bei einer psychischen Krankheit, sondern eher so alltäglich. Wie mit einem guten Engel und einem bösen Engel auf der Schulter, wenn man Entscheidungen treffen muss. Man kann jede Sache so oder so angehen. Viele Songs, die ich schreibe, beinhalten diesen Aspekt. “Just a word” beschäftigt sich mit diesem Phänomen. Deshalb ist er von der Aussage her am wichtigsten für mich, denn ich höre diese Stimmen sehr oft.

Was hat sich im Vergleich zum ersten Album geändert?

Patty: Luca hat jetzt einen Schnauzer!

Luca (streicht demonstrativ über selbigen): Wir haben gelernt, dass weniger auch mehr sein kann. Auf der ersten CD gibt es viele Harmonien, die deutlich konstruierter klingen als auf dem neuen Album.

Patty: “Strangeland” haben wir so angepackt, wie man das in jeder Rockband machen würde. Aber mittlerweile hat sich die Songschreiberei mehr auf das Akustische verschoben. Bei “Strangeland” könnte man problemlos auf jeden Song Bass und Schlagzeug legen, aber jetzt haben wir darauf geachtet, dass die Songs akustisch gut funktionieren. Wir trauen uns mehr, zu zweit zu sein und auch so zu klingen.

Für die Aufnahmen habt ihr euch in ein einsames Haus in der Toskana abgesetzt…

Patty: Wir hatten Zeit, ein bisschen was in der Bandkasse und diese alte Idee, ganz woanders aufzunehmen. Also haben wir unser Zeug gepackt, ein Haus gemietet und sind losgefahren. Und hey, es hat sich voll gelohnt.

Luca: Den ganzen Gesang haben wir draußen aufgenommen. Deshalb hört man manchmal Vögel oder Grillen. Das war  ein wahnsinnig authentisches Gefühl, in der Natur zu spielen. Alles klingt echter, wärmer und organischer als auf der ersten CD.

Die ja aber auch Eindruck hinterlassen hat. Ein Label wollte euch unter Vertrag nehmen – ihr habt abgelehnt. Warum?

Luca: Die Rechte an deiner Musik sind das Wichtigste, was du als Musiker hast. Heute ist es aber leider üblich, sie komplett abzugeben. 360-Grad-Verträge nennt man das, man ist dann extrem an das Label gebunden. So ein Angebot hat man uns gemacht. Wir haben abgelehnt, das Risiko war uns zu groß.

Patty: Klar wollen wir gern ein Label haben, aber so eben nicht. Wir glauben an das, was wir machen. Warum also das erste Angebot nehmen, wenn wir keinen Zugzwang haben. Wir vertrauen darauf, dass wir mit El Rancho noch viel erreichen werden.

Wie soll das funktionieren, wenn einer von euch bald zum Studium nach Salzburg zieht?

Luca: Wenn ich mein Studium beginne, wird das die Sache erschweren und die Rahmenbedingungen verschärfen. Aber dann werde ich eben noch mehr Freizeit opfern, die Wochenenden in München verbringen. El Rancho hat Priorität. Wenn sich da was ergibt, lasse ich das Studium sofort sausen.

Auf welchen Song eines anderen Künstlers seid ihr eifersüchtig?

Patty: “Sober” von Pink!

Luca: “Sober” von Pink! Einfach und puristisch, nicht außergewöhnlich, aber so wie er ist geil. Auf so einen Song wären wir auch stolz.

Bild: Lena Semmelroggen

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