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„Schon kleine Schritte bringen viel – man muss sie nur gehen“

Seit vielen Jahren begleitet und fördert Klaus Bäumler die Diskussion um die Gestaltung des Museumsquartiers in der Maxvorstadt. Schon vor zehn Jahren hatte er das Entwurfsseminar „Pinakothek und der Öffentliche Raum“ mitorganisiert. Es blieb folgenlos. Wir sprachen mit ihm.

Zehn Jahre später – im Sommer 2010 erteilte der Stadtrat der Verwaltung endlich einen Prüfungsauftrag. Jetzt sieht Klaus Bäumler Stadt und Freistaat, zwei öffentliche Hände, und die private Stiftung Pinakothek der Moderne in Kooperation und Wettbewerb aktiv. Belebt Konkurrenz das Geschäft? Das hofft er. In jedem Fall, sagt Bäumler, können schon kleine Schritte viel bringen. Die Fragen stellte Gernot Brauer.

„Das größte Plus des Freiflächen-Workshops ist, dass er überhaupt stattfand und realistische Lö­sungsansätze aufzeigt“, sagt Bäumler mit Blick auf die Jahrzehnte lang erfolglosen Überlegungen zur Gestaltung des Museumsquartiers in der Maxvorstadt. Sie waren im Sande verlaufen. Teilneh­mer waren enttäuscht, Sponsoren frustriert. „Mit dem Blick von außen sind jetzt von fünf internationalen Büros konkrete Maßnahmen auf den Tisch gekommen, die diskutiert werden kön­nen.“ Allerdings wendet Bäumler ein: „Das Ziel des Freiflächenworkshops sehe ich ganzheitlich. Es ist nicht zu differenzieren zwischen den Bedürfnissen der Museumsbesucher, der lokalen Nut­zer und der MitarbeiterInnen der Institutionen. Es geht vielmehr um eine optimale fußgängerfreundliche und qualitätvolle Gestaltung des Öffentlichen Raums für Alle. Im ältesten Dokument der Münchner-Stadt-Bau-Geschichte formulierte Kaiser Ludwig der Bayer vor fast 700 Jahren das heute noch gültige Leitbild für den Öffentlichen Raum in der Stadt. Prägnant und weitsichtig traf er im Mai 1315 Regelungen für den heutigen Marienplatz mit dem Ziel, dass dieser  „… lust­sa­mer und … schöner und … gemachsamer sey herren, bürgern, gästen und allen leuten, die hierauf zu schaffen haben.’“

„Der Bearbeitungsbereich nach Süden war allerdings zu knapp bemessen. Die Grenze ‚Karlstraße’ ist willkürlich gewählt und entbehrt einer sachlichen Rechtfertigung. Im Rahmen des Workshops haben Bearbeiter mit dem objektiven Blick von außen die überragende Bedeutung des Alten Botanischen Gartens für das Museumsquartier erkannt. Denn die „klassische“ städtebauliche Konzeption der Maxvorstadt umfasst als Herzstück diese wichtige historische Grünanlage. Das Museumsquartier ist daher zum Hauptbahnhof über Sophienstraße/Kunstplattform (Ring von Staccioli) und über ei­ne neu zu schaffende Fußgängerquerung Stachus/Lenbachplatz (Künstlerhaus), Alte Börse, Eingangsportal Alter Botanischer Garten mit der Fußgängerzone zu verknüpfen. Nur so kann die wichtige Achse Arcisstraße/Katharina-von-Bora-Straße als ‚Rückgrat’ des Museumsquartiers die ihr mit Recht zugedachte neue Wirksamkeit entfalten. Positiv hervorzuheben ist, dass im Workshop die besondere Bedeutung der Verbindungsachse zum Englischen Garten/Haus der Kunst/Prinz­regentenstraße unterstrichen wurde. Eine wichtige Scharnierfunktion hat hier der Bereich Finanz­garten/Prinz-Karl-Palais – Hofgarten – Altstadtring. Eine ‚Ertüchtigung’ des Fußwegenetzes, z.B. durch neue ‚grüne’ Zugänge zum Finanzgarten im Bereich Von-der-Tann-Straße/Prinz-Karl-Pa­lais kann kurzfristig und kostengünstig realisiert werden.“

Die Workshop-Ideen negieren bislang die Notwendigkeiten des Durchgangsverkehrs. Antworten hierauf waren innerhalb von zwei Tagen nicht zu erwarten. Aber die sogenannte Alternative 5 zur Neuordnung des Verkehrs ist schon Jahrzehnte alt. Wie sollte es weiter gehen?

Bäumler

„Das Provisorium der heutigen Verkehrsführung (Einbahnstraßen-Paar Gabelsbergerstraße/ The­re­sienstraße) besteht seit 1971. Eine grundsätzliche Änderung im Sinne der Reduzierung des Verkehrsaufkommens ist, wie ich befürchte, auch in den nächsten zwanzig bis dreißig Jahren po­litisch-administrativ nicht durchsetzbar. Der starke Ost-West-Verkehr durch das Museumsquartier ist unabänderliche Konsequenz der Errichtung der Fußgängerzone und der damit verbundenen Schließung der historischen Ost-West-Achse in der Altstadt. Die Auflösung des Einbahnstraßensystems, wie vom Stadtrat schon am 21. Mai 1980 (Alternative 5) angedacht, soll jetzt endlich den Rennstrecken-Charakter von Gabelsbergerstraße und Theresienstraße entscheidend verändern. Das aktuelle Beschleunigungsprogramm für die Museumslinie 100 umfasst hoffentlich auch den hierfür notwendi­gen Umbau der Signalanlagen. Vielfach bedarf es keiner großen Baumaßnahmen, von der West­rampe des Altstadtring-Tunnels abgesehen. Denn es gibt kleine, aber intelligente Maßnahmen, die viel zur Fußgängerfreundlichkeit im Museumsquartier beitragen können. „

Zum Beispiel?

„Die funktionelle Verknüpfung der Fußwegesysteme zwischen Alter und Neuer Pinakothek durch eine sogenannte Querungshilfe für Fußgänger über die Theresienstraße ist als Sofortmaßnahme unabdingbar. Dies gilt auch für die Verbindung zwischen Alter Pinakothek und dem Bereich der Hochschule für Fernsehen und Film/Ägyptisches Museum über die Gabelsbergerstraße.“

Wird das reichen, um die Gelände der Museen besser miteinander zu verknüpfen?

„Natürlich nicht. Das sind nur kleine Sofortmaßnahmen unabhängig von einem zu erarbeitenden Gesamtkonzept. Hager Landschaftsarchitekten haben im Workshop richtig gesehen, dass bauliche Abgrenzungen der Freiflächen sowie Hecken und Büsche den qualitätvollen grünen Freiraum zersplittern. Um hier ein optimales Gestaltungskonzept zu entwickeln und dieses trotz vielfältiger Zu­ständigkeiten im staatlichen und städtischen Bereich auf Dauer umzusetzen, müssen administrative Hürden überwunden werden. Das entsprechende Instrumentarium, um solche parzellenübergreifende Lösungen zu erarbeiten, ist durch die Initiative der Stiftung Pinakothek der Moderne in Form der übergreifenden Lenkungsgruppe auf den Weg gebracht, in der Staat und Stadt kooperieren.“

Kann der Königsplatz aufgewertet werden?

„Der Königsplatz hat die Qualität, das ‚grüne Herz’ des Museumsquartiers zu werden. Schon heute sind seine Grünflächen im Sinne der ‚Besitzergreifung des Rasens’ intensiv urban-kommunikativ genutzt. Dennoch sieht die Stadtverwaltung in dieser historischen Grünanlage ausschließlich ei­ne Verkehrsfläche. Damit spricht sie dem Königsplatz jede Aufenthaltsqualität ab. Allein mit diesem Argument hat die Stadt München abgelehnt, die temporäre Sperrung der Durchfahrt über den Königsplatz an Sonntagen des Sommerhalbjahres auf ihre Machbarkeit zu prüfen.“

Zwei Landschaftsarchitekten haben auf die Bedeutung der TU-Mensa verwiesen.

„Zu Recht. Das Mensagebäude von Franz Hart hat zwischen Lenbach-Haus, Königsplatz und den Pinakotheken eine Scharnierfunktion. Mit Blick auf die Neuordnung des Stammgeländes der TU sollte über eine Konversion im Sinne einer multi-disziplinären Kulturnutzung nachgedacht werden, vergleichbar dem sogenannten Reaktor-Bau Ecke Gabelsberger-/Luisenstraße.“

Die Mensa liegt außerdem an der Straße, die das Quartier mittig erschließt, der Arcisstraße.

„Und die verbindet das Museumsquartier, wie dargestellt, mit dem Alten Botanischen Garten. Die Verkehrsfrequenz dieser Nord-Süd-Achse hat erheblich nachgelassen, wie die neu geschaffene ‚30er Zone’ südlich der Brienner Straße beweist. Die im Workshop erarbeiteten Vorschläge von Hager Landschaftsarchitekten hier umzusetzen, ist keine Utopie.“

Bleibt die Frage, was mit den sanierungsbedürftigen und wohl mit Asbest belasteten Institutsbauten entlang der Theresienstraße neben der Sammlung Brandhorst werden soll.

„In dem seit 1994 rechtsverbindlichen Bebauungsplan Nr. 1641 für das Areal ‚Türkenkaserne’ sind diese Flächen bereits für ‚Kultur’ ausgewiesen. Hier bietet sich für den Münchner Konzertsaal des 21. Jahrhunderts ein adäquater Standort an. Das Konzertsaalprojekt im Marstall ist ja gescheitert. Hier in der Maxvorstadt kann – ohne politisch-administrative Hürden – an die Orte der Münchner Musiktradition angeknüpft werden: an das Odeon und an die „Tonhalle“ Ecke Türkenstraße/Prinz-Ludwig-Straße. Im Koordinatennetz Bayerischer Rundfunk/Hochschule für Musik und Theater wäre das Museumsquartier für den neuen Konzertsaal ein Standort mit ‚Exzellenz-Qualität’. Und: Der Marstall der Münchner Residenz kann die ideale Raumschöpfung für ein Museum des 21./ 22. Jahrhunderts werden.“

Bis zu einer solchen Entscheidung werden viele Jahre vergehen. Was halten Sie für vordringlich? Was muss geschehen, damit der Workshop der Stiftung nicht ebenso im Sand verläuft wie das Entwurfsseminar ‚Pinakothek der Moderne und der Öffentliche Raum’ vor einem Jahrzehnt?

„Damals, im Jahr 2000, ging es primär um die Ausfahrt des Altstadtringtunnels und damit fast aus­schließlich um Belange in der Zuständigkeit der Stadt München. Heute sind Staat, Freistaat und Stiftung aktiv. Die Stadt erneuert und ergänzt das Lenbachhaus. Der Freistaat hat der Sammlung Brandhorst ein Zuhause gegeben. Ägyptisches Museum und Hochschule für Fernsehen und Film werden 2011 eröffnet. Das NS-Dokumentationszentrum München wird 2013/2014 fertig gestellt sein. Damit wächst der Handlungsdruck – unabhängig von Olympiade-Plänen. Die Zeit ist reif. Nö­tig sind keine Millionenprojekte. Mit der im Workshop vielfach angesprochenen ‚action directe’ ist auf vielen Gebieten Wesentliches kurzfristig zu erreichen.“

Bislang haben sich Stadt und Staat nicht einmal über ein visuelles Leitsystem zu ihren Museen einigen können. Enttäuscht Sie das nicht?

„Das nehme ich völlig gelassen. Wer sich vornimmt, z.B. die Pinakotheken oder das Lenbach-Haus zu besuchen, wird sich zurecht finden. Ein wenig Entdecker-Mentalität ist in jeder fremden Stadt reizvoll. Was spricht dagegen, als ‚Suchende’ erkennbare Menschen anzusprechen und ihnen bei der Orientierung Hilfe anzubieten? Eine Form der gastfreundlichen Kommunikation, die durch kein noch so perfektes Leitsystem im Öffentlichen Raum zu toppen ist. Und: Ein handlicher, herkömmlicher ‚Kultur-Stadtplan’ für das Museumsquartier, der fußgängerfreundlich gestaltet Haupt-, Neben- und Schleichwege, kurze Wege zum Museumsbus 100, U-Bahnen und Straßenbahn aufzeigt, ist eine überfällige und kostengünstige Sofortmaßnahme für etwa 1,5 Millionen Menschen, die Jahr für Jahr die Museen in der Maxvorstadt besuchen.“

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