Kultur, Was machen wir heute?

„Dreck und Chaos sind immer mit drin“

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Mitten im ärgsten Wiesn-Trouble veröffentlichte „Magentaa“ Anfang Oktober das Electronica-Album „Pulse”. Hinter Magentaa verbirgt sich Wolfgang Schmetterer, seines Zeichens eine Hälfte des Slow-Electronica-Duos “MOC – Musik für die stabile Seitenlage”. Nach einem halben Jahr Basteln und Feinschliff ist „Pulse“ nun im Umlauf, mit seinen Einflüssen aus abstraktem Hiphop, Kulturtechniken des Dub und den Bauplänen der Minimal Music aber nicht unbedingt Musik für jedermann, wie Schmetterer selbst zugibt. Im Interview mit mucbook.de spricht der Münchener über den Songwriting-Prozess, seine Punk-Vergangenheit und die weiteren Pläne mit „Pulse“.

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Foto: www.closeup-photography.de

Bei deiner Musik geht es laut deiner eigenen Aussage um „bits und pieces“, du demixed und modulierst Songs und jagst deine Musik durch den Reißwolf. Wer so ins Detail geht und so viel Arbeit hineinsteckt, ist ein ziemlicher Perfektionist, oder?

Ja, leider. (lacht) Das kostet mich natürlich immer ziemlich viel Arbeit. Aber das ist immer wie eine Reise. Man fängt irgendwo an, an einem Stück zu arbeiten und dann läuft es in eine bestimmte Richtung bis man sich denkt „Aha, was muss ich machen, damit es in die Richtung besser weitergeht?“. Bei Pulse war es so, dass einfach viel Arbeit da rein gegangen ist, Sachen wegzuwerfen. Die Stücke sind ziemlich „voll“, und das hört man auch. Wenn man sich Pulse anhört, merkt man auch, dass einige Sachen wiederkommen, dass es Remixe von sich selbst sind, die untereinander auch wieder kombiniert sind. Also ist da sicherlich viel Perfektionismus dabei. Andererseits gehts mir jetzt nicht um den sauberen Klang und das alles total aufgeräumt ist. Da ist schon ein wenig Dreck und Chaos immer mit drin.

Wie entsteht ein Song bei dir und wie fängst du an? Setzt du dich an den PC probierst rum oder hast du die Ideen zuerst im Kopf und setzt sie dann um?

Die Pulse Sachen entstanden ganz stark in der Software. Es sind aber auch oft irgendwelche Anfangsideen da. Das kann etwas Rhythmisches sein, das können irgendwelche Sachen sein, die ich auf meinem E-Piano einspiele oder einfach eine Gesangsmelodie. Zum Beispiel habe ich beim ersten Stück von Pulse die Gesangsmelodie aus einem anderen Track von mir genommen und sie einfach doppelt so schnell laufen lassen. Dann wirkt es irgendwie micky-mausig, aber genau das hat dann die Sache auf die richtige Spur gebracht.
Ich habe lang in einer Garagenband Bass gespielt, gesungen und die Songs geschrieben, aber im Moment ist die Elektronik interessanter. Und es passiert sehr viel Richtung Software. Ein großes Thema waren auch die Dinge, die ich als Instrumente zweckentfremdet habe. Zum Beispiel aus mehreren Effekten zusammengebaute Echomaschinen. Ketten aus Echos, die sich ineinander verschränken, damit kann man unglaublich schöne Muster erzeugen. Ich habs auch geschafft, da einen Kniff heraus zu kriegen, dass aus Sachen, mit denen andere Leute ihren Klang nur verfeinern, eigene Instrumente werden. Das ist auch das, was an dem ganzen wichtig sein könnte, beziehungsweise was für mich wichtig ist, dass es nicht so wie in der Rockmusik abläuft: Wir spielen ein Stück, dann kommt der Refrain, der knallt dann unglaublich rein. Es hat immer dieses fragmentarische. Dass man Teile hat – bits und pieces – die kombiniert, aber dann auch schnell wieder aufgelöst werden. Dass man nie das Gefühl hat, das ganze Stück gehört zu haben. Das ist das, was ich aus über 20 Jahren Beschäftigung mit Dub mitgenommen hab, dass man Sachen auf das Skelett runtermischt und auch da wieder lässt.

Du hast am Anfang gesagt, du schmeißt viele Sachen weg. Kommt es auch mal vor, dass du am Schluss einen 15-Minuten-Epos hast und dann die Hälfte wieder weg kürzt, oder wie muss man sich dieses „Wegschmeißen“ vorstellen?

Ja, auch in die Richtung, dass man Sachen einfach wieder heraus schneidet. Aber oft achte ich auch einfach drauf, dass nicht zu viel gleichzeitig läuft. Dass man immer das Gefühl hat, da sind zwei, drei, allerhöchstens vier Sachen, die man gleichzeitig im Kopf behalten kann. Die geistern und irrlichtern dann da herum, tauchen auf und verschwinden wieder. Man muss die Dichte an Informationen reduzieren. Das fertigstellen von Pulse hat auch ziemlich lange gedauert. Also normalerweise brauch ich ein paar Monate. Das läuft bei mir ja nebenher zu Arbeit, Familie und Band. Aber diesmal hab ich wirklich ein halbes Jahr gebraucht, weil ich einfach so viel Kleinarbeit hatte und so viel runter reduzieren und wegstreichen, den Sound zerstören und nochmal aufbauen musste.

Worst by Magentaa


Kommst du eigentlich ursprünglich aus der Rock-Ecke? Du hast ja gesagt, du hast Bass gespielt und gesungen?

Ja, ich war der Kopf einer Band namens „Jemand“ und wir haben auch ein paar Mal gespielt, meistens im Substanz. Das war so eine Post-Punk-Geschichte mit deutschen Texten. Da komm ich zwar her, aber das Andere war auch immer so im Hintergrund. Ich hab mich schon immer mit Elektronik beschäftigt, hab immer Hip-Hop gehört. Und das ist für mich auch das Interessantere. Ich war halt dabei, als „Blue Monday“ ein Hit war, und das sind so Sachen, die bleiben einfach hängen.

Und wenn das Elektronische mal Unterstützung von einem echten Bass oder Piano kommt, spielst das also auch du?

Ja, das Spiel alles ich. Ich komm ja eigentlich vom Klavier, hab das auch relativ lang und erfolglos gelernt. (lacht) Das Bass-Spielen war dann aber das, wo ich mich richtig einhaken konnte, wo ich gemerkt habe, dass das das Instrument für mich ist. Am Bass ist ja das Tolle, das man diesen tiefen, physischen Ton hat. Und man spielt immer nur einen Ton. Das ist auch etwas, was total gut zu mir passt. Ein Klavier macht mir da einfach zu viel.

Was steckt eigentlich hinter dem Namen „Pulse“?

Man darf da nicht zu lange darüber nachdenken. Es kommt irgendwann zu mir und bleibt dann einfach da. Und dann nehme ich es so, wie es ist.
Ich hab lange überlegt, wie man das Konzept auf einen Punkt bringen kann, dass es auch alle verstehen. Wie nenne ich es, damit die Leute verstehen, was die Essenz des Ganzen ist?
Es ist der ständige ablaufende Puls, der zuckt, aber nie soweit führt, dass eine House-Bassdrum anfängt. Aber es pulsiert immer kurz davor. Das war die Idee dabei.

Gibt’s Magentaa auch mal live oder war das ein reines Studioprojekt?

Ich möchte es unbedingt live spielen! Ich weiß aber noch nicht genau, wo. Es läuft jetzt erst einmal alles in Schritten ab. Der erste war, das Album zu veröffentlichen, der zweite ist jetzt gerade das Album in den Medien zu promoten und bekannt zu machen. Ich war auch zum Beispiel im De:Bug-Podcast. Der größte Electronica Podcast Deutschlands. Nächster Schritt wird dann eben sein, das Ding auch live zu spielen. Ich träume ja auch ein bisschen davon, das Konzept auch mal ein bisschen größer spielen zu können, vielleicht auch mehr theatralisch inszeniert. Ich will auf jeden Fall ganz wenig visuelles und ganz viel Musik. Eine Mehrkanal-Geschichte, mit vielen Sounds, mit starken Sounds und mehr in die Fläche als auf dem Album. Nicht so konzentriert und auf den Punkt oder kratzig, sondern voller. Das ist gerade so die Idee. Aber ich werde auf jeden Fall ein paar kleinere Café-Club-Nummern spielen hier in München und dann einfach schauen, wohin es sich weiter entwickelt. Ich denke, was da gerade passiert, das machen nicht viele, und das ist etwas, was ich weitergeben kann. Da ist eine Idee da, die liegt irgendwo zwischen Minimal Music und Electronica und das Publikum dafür muss man sich wahrscheinlich erst erspielen und „backen“. Das Ganze ist ja auch so angesetzt, dass der finanzielle Gewinn nicht davon abhängt, wie viele Alben ich verkaufe. Aber erst einmal geht es jetzt darum, dass die Leute es hören können, vor allem umsonst hören können. Ich bin auch bewusst in ein Netlabel gegangen und es hat alles super geklappt mit „Phonocake“, ein toller Name in der Electronica-Szene. Ich denke, das jetzt viele Leute auf der Welt “Pulse“ einfach hören können, das hilft schon mal weiter.

Mehr Infos unter www.magentaa.taigaland.net

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