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10 Restaurants und Cafés in München, in denen Inklusion gelebt wird

Valerie Schuiling

Als große Schwester von jemandem mit Down-Syndrom stelle ich immer wieder fest: die meisten Leute wissen nicht genau, wie sie reagieren sollen, wenn sie auf jemanden mit einer Behinderung treffen. Redet man drüber? Ignoriert man es ganz? Was darf man fragen (Spoiler: alles, wenn man lieb und freundlich ist)? Solange man niemanden im Familien- oder Freundeskreis hat, ist es schließlich schwer in Kontakt zu kommen mit Teilen der Gesellschaft, denen man selbst nicht angehört.

Inklusion ist deshalb wichtig, um ein besseres Verständnis für unsere Mitmenschen entwickeln. Seien das nun Menschen mit Behinderung, mit Fluchthintergrund oder aus schwierigen Lebensverhältnissen. Einen kleinen Teil können wir selbst dazu beitragen, unsere Gesellschaft inklusiver zu machen – oder zumindest die Arbeitsplätze aus inklusiven Projekten unterstützen. Ein niedrigschwelliger Ansatz ist dabei inklusive Gastronomie, bei der besonders Menschen mit Behinderung oder Geflüchtete im Service tätig sind. Auch in München gibt es einige gute Adressen. Man muss nur wissen wo. Hier ist eine Liste mit Adressen, die wir persönlich empfehlen können:

1. Gelebte Inklusion im BalanDeli

Das BalanDeli steht seit 2017 für Vielfalt und Inklusion. Denn hier arbeiten Menschen mit verschiedensten geistigen Behinderungen Hand in Hand zusammen mit Menschen ohne Beeinträchtigung. Die Betreuer*innen behalten immer den Überblick: Man hört Sätze wie „Frag die zwei Damen mal ob alles in Ordnung ist“, „Hast du schon die Bestellung bei Tisch 63 aufgenommen?“ – während die Kellner*innen mit Down-Syndrom die Besucher*innen zu aktuellen Gerichten beraten oder geschäftig die Tische wischen. Besonders erfreulich: die Preise halten sich recht konstant unter zehn Euro und die Karte wartet jeden Tag mit wechselnden Gerichten – mit oder ohne Fleisch. Mit den leckeren Açai Bowls, Kaffee oder Kuchen wird hier entspannt in den Tag gestartet oder später die Mittagspause verbracht. Bei gutem Wetter kann man sichauch sein Essen To-go bestellen und die Beine im Community-Pool gleich gegenüber baumeln lassen.

BalanDeli, Balanstraße 73: Mo-Fr 8:00 – 16:00 Uhr

2. Bücherkisten und Cafés bei der Pfennigparade

Wer schon den ein oder anderen Berührungspunkt mit Menschen mit Behinderungen hatte, dem wird die Pfennigparade sicher ein Begriff sein. Die Stiftung leistet ihren Beitrag zu einer inklusiven Gesellschaft zwischen Menschen mit und ohne körperlicher Behinderung und betreibt neben Bücherkiste, Gärtnerei und Post-Filiale auch ein Café. Das Beans and Books Café vereint dabei die zwei wohl besten Dinge der Welt (zumindest, wenn ihr mich fragt): Kaffee und Bücher (für 1,50€!). Das braune Lebenselixier kommt von der Moccasola-Rösterei der Lebenshilfe München. Beim Trinken unterstützt ihr also auch noch die dortigen Arbeitsplätze von Menschen mit Behinderung. Im Moment ist das Lokal aufgrund eines Wasserschadens geschlossen, aber ab dem 22.08 könnt ihr wieder bei leckerem Frühstück in einem guten Buch schmökern.

Wer bis dahin nicht warten will, der ist genauso gut mit dem Café Scheidplatz beraten. Strenggenommen gehört das Restaurant zwar nicht zur Pfennigparade, das Gebäude der Stiftung ist aber gleich nebenan und beide arbeiten eng zusammen. Wer sich zu Kaffee und Kuchen in die Sonne setzt, der wird also den ein oder anderen Rollstuhlfahrer neben sich haben. Im ersten Stock des Cafés ist eine von der Pfennigparade organisierte Bücherkiste unter gebracht, in der ihr gut erhaltene Second Hand Bücher bekommt und geduldig stöbern könnt.

Außerdem interessant: von der Pfennigparade wird ein monatliches Repair-Café organisiert, wo ihr (euren) kaputten Sachen wieder zu neuem Leben verhelfen könnt!

Beans & Books, Knorrstraße 8: Mo-Fr 9:00 – 18:00 Uhr

Café Scheidplatz, Belgradstraße 104: Di-So 9:00 – 23:00 Uhr

3. Geflüchtete unterstützen im Bellevue di Monaco

Das Bellevue di Monaco an der Ecke Müller- und Corneliusstraße ist nicht nur ein wunderbares Café, sondern auch ein Wohn- und Kulturzentrum für Geflüchtete. Diese können sich hier in leichter Sprache über Konzerte, Lesungen, Sprachkurse und andere Beratungsangebote informieren. Im Haus selbst finden oft Veranstaltungen statt und es werden Wohnungen für Geflüchtete beherbergt. Das Café wird zusammen mit Geflüchteten organisiert und betrieben – kein Wunder also, dass sich auf der Speisekarte ein bunter Kulturen-Mix wiederfindet. Die Gerichte sind alle vegan oder vegetarisch und reichen von Fattoush oder Tabouleh (syrisch-libanesische Salatgerichte) bis zum guten alten gegrillten Sandwich. Auch für den kleinen Geldbeutel ist was dabei, denn bezahlt wird bei vielen Gerichten nach dem Prinzip: jeder so viel er kann. Die Tagesgerichte oder das Samstags-Brunch kann man regulär für Preise irgendwo zwischen 9€ bis 16€ genießen.

Bellevue di Monaco, Müllerstraße 2-6: Di-Fr 11:00 – 22:00 Uhr, Sa 10:00 – 22:00 Uhr; Sommerpause bis inklusive 5.09.22

4. Second Hand Kleidung und Snacks im NähWerk

Im Café des Weißen Raben arbeiten Menschen mit Unterstützungsbedarf, egal ob mit psychischen Erkrankungen, geistiger Behinderung, Suchterkrankung oder Menschen mit ausbaufähigen Deutschkenntnissen. Auf der Karte stehen Gerichte für den kleinen Hunger, aber auch Kuchen, Burrito-Bowls sowie vegane Currys. Die jungen Gäste sind mit Kindercappuchino und Spielzeug gut versorgt, die Großen können nach einem leckeren Snack im Innenhof durch selbstgenähte Unikate und Second Hand Mode stöbern. Eine Änderungsschneiderei für dort gekaufte Lieblingsteile ist gleich im Laden unter gebracht, damit das Outfit für die nächste Party auch wirklich sitzt. Wer in diesem kleinen Café unterwegs ist, setzt sich also gleich doppelt ein: für ein bisschen mehr Inklusion und ein bisschen weniger Kleidungs-Müll.

Café Nähwerk, Schwanthalerstraße 79: Mo-Fr 11:00 – 17:00 Uhr

5. Das Ausbildungsrestaurant Roecklplatz

In der Küche des Restaurants Roecklplatz stehen nicht nur ausgelernte Köche, hier trägt ein großes Team aus Azubis zusammen mit ihren Ausbilder*innen die Verantwortung. Die meisten der Auszubildenden kommen dabei aus schwierigen Lebenssituationen und haben einen Lebenslauf mit Brüchen. Im Roecklplatz wird ihnen deshalb eine gastronomische Ausbildung unter der Betreuung von Sozialarbeiter*innen ermöglicht, die sowohl bei beruflichen als auch bei privaten Problemen für sie da sind. Ziel ist außerdem, den Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, Gastgeber*innen von Menschen und Schichten zu sein, mit denen sie normalerweise wenig in Berührung kommen. Und das Konzept läuft gut. So gut, dass den Betreiber*innen sogar schon ein Bundesverdienstkreuz für ihre Arbeit verliehen wurde. Und die Verpflegung? Die Speisekarte ist klein, aber anspruchsvoll, das Essen schmeckt nicht nur lecker, sondern wird mit viel Liebe auf dem Teller serviert. Heiß begehrt sind etwa die Wienerschnitzel, aber auch für Veganer*innen wird mit veganen Käseplatten, Salaten – der vegane „Mozzarella“ ist wirklich lecker – und Rote Bete Dumplings mit getrüffeltem Champagnerkraut einiges geboten. Die Gerichte kann man bei etwas gehobeneren Preisen rund um die 20€ draußen in der Sonne genießen oder man macht es sich drinnen mit einem Glas Wein gemütlich.

Roecklplatz, Isartalstraße 26: Mo-Sa 17:30 – 24:00 Uhr

6. Nach dem Theater ins Conviva im Blauen Haus

Das Conviva im Blauen Haus erkennt man schon von weitem, denn es ist – Überraschung – tatsächlich in einem blauen Haus bei den Kammerspielen. Beim Conviva handelt es sich um ein integratives Gastronomie-Projekt bei dem Menschen mit Lernbehinderung, leichten körperlichen Einschränkungen oder geistiger Behinderung ins Arbeitsleben integriert werden. Der leckeren Speisekarte tut es keinen Abbruch, dass die ein oder andere Anweisung vielleicht etwas öfter wiederholt werden muss. Innen ist es hell und simpel eingerichtet, das Essen selbst vorzüglich. In den Genuss der Conviva-Küche kommen aber nicht nur die Besucher*innen des Restaurants, sondern auch die Belegschaft des Theaters und die Student*innen und Mitarbeiter*innen der Hochschule für Film und Fernsehen. Alle Theatergänger*innen sind im Restaurant daher bestens aufgehoben und finden hier mit ein bisschen Glück vielleicht sogar die ein oder anderen Schauspieler*innen von der Bühne wieder.

Conviva im Blauen Haus, Hildegardstraße1: Mo-Fr: 11:00 – 1:00 Uhr, Sa & So 17:00 – 1:00 Uhr

7. Besondere Koch-Künstler in der Kunst-Werk-Küche

Wer im Werksviertel auf der Suche nach leckeren saisonalen Gerichten ist, der wird in der Kunst-Werk-Küche sicher fündig. Täglich werden hier wechselnde Gerichte von einem Team gezaubert, das unter anderem aus ganz besonderen Menschen besteht. Auf das Wort „behindert“ wird hier nämlich bewusst verzichtet, da die Fähigkeiten jedes Einzelnen in den Mittelpunkt gerückt und seine*ihre Besonderheiten als Stärke gefeiert werden. Zusätzlich zum Restaurant betreibt die Kunst-Werk-Küche auch einen Heimservice, bei dem ihr ein Wochenpaket nach Hause bestellen könnt. Die sieben Gerichte werden schockgefroren und können ganz praktisch Zuhause in der Mikrowelle erwärmt werden. Die Location im Werksviertel wird außerdem für Kochkurse, Workshops und Partys genutzt.

Kunst-Werk-Küche, Atelierstraße 18: Mo-Fr 11:30-15:00 Uhr

8. Kuchen im Café Wohnwerk

In diesem Inklusionscafé in Neuhausen gibt es nicht nur eine Auswahl an sehr leckeren Kuchen, der Verein wohnwerk münchen e.V ermöglicht jungen Menschen mit Lern-Beeinträchtigungen hier auch eine Qualifizierung im Gastronomie-Bereich. Dabei richtet sich die Ausbildung ganz nach den Fähigkeiten des Einzelnen und ermöglicht ihnen so erste Schritte in die Selbstständigkeit. Ganz abgesehen davon (oder vielleicht gerade deswegen) fühlt man sich im Café einfach sofort sehr willkommen. Mittags wird ein kleines wechselndes Tagesgericht angeboten und ab Herbst finden wieder die beliebten Samstagsfrühstücks statt. Wer nicht das „Leserattenfrühstück“ wählt, verpasst etwas, denn wann bekommt man schon mal ein ganzes Frühstück samt belegter Brote UND ein Buch für 7.50€? Aber auch mittags kann man es sich prima mit einem Stück Kuchen (für nur 2,40€!) im Café gemütlich machen, wenn es was Süßes statt etwas Deftiges sein soll.

Café Wohnwerk, Schäringerplatz 13: Mo-Sa 13:00-17 Uhr, Betriebsferien vom 22.08-6.09

9. Frische Küche im Gasthaus Domagk

Inmitten der schönen Wohngegend beim Domagkpark liegt das Gasthaus Domagk. Aber nicht nur die Nachbar*innen lockt das genossenschaftliche Restaurant mit seiner Speisekarte an, sondern Gäste aus der ganzen Stadt. Es wird auf regionale Produkte Wert gelegt und die frischen Kräuter kommen direkt von der Dachterrasse. Mit Kinderschnitzel und veganen Gerichten auf Anfrage sind wirklich alle versorgt und können das Essen in der Sonne genießen. Das Konzept der Wirtshausgenossenschaft wurde von Renata Neukirchen entwickelt, die zuvor im Conviva im Blauen Haus tätig war. Erklärtes Ziel ist es, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen, die im fortgeschrittenen Alter noch aktiv sein möchten, zu beschäftigen und ihnen Arbeitsplätze zu geben. Gelegentlich gibt es auch Events und Konzerte im Haus.

Gasthaus Domagk, Fritz-Winter-Straße 12: Di-Fr 11:30 – 14:30 Uhr, Fr 17:00 – 22:00 Uhr, Sa 15:00 – 22:00 Uhr, So 15:00 – 18:00 Uhr, Betriebsferien bis einschließlich 22.08

10. In Fröttmaning zum Haidcafé

Etwas ab vom Schuss, dafür aber gleich an der Fröttmaninger U-Bahn liegt das Haidcafé. Es besteht aus einem Backshop und einem Restaurant, verkauft werden außerdem Zeitschriften und ein Grundsortiment an Lebensmitteln. Auf der Mittagskarte stehen täglich wechselnde Gerichte mit Preisen zwischen fünf bis sieben Euro. Leckeres Süßgebäck und Kaffee machen auch Morgenmuffeln den Start in den Tag etwas angenehmer. Das Café selbst besteht aus Mitarbeiter*innen mit und ohne Behinderung, denn es kooperiert mit den Betrieben und Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) der AWO München. Die Beschäftigten der WfbM sind dabei sowohl für die Zubereitung des Mittagstisches als auch den Service zuständig. Wer zufällig in der Nähe ist und einen guten Zweck unterstützen will (oder einfach nur nach einem günstigen Mittagessen sucht), ist im Haidcafé also bestens aufgehoben.

Haidcafé, Admiralbogen 47: Mo-Fr 7:00 – 14:00 Uhr, Sa 7:00 – 12:00 Uhr, Betriebsferien bis 20.08

Diese Liste zeigt, dass es einige gute Cafés und Restaurant in München gibt, die ihren Beitrag zu einer inklusiveren Gesellschaft leisten. Viele mussten allerdings leider auch nach Corona schließen. Über den Tellerrand oder das Café Plinganser der Lebenshilfe etwa, um nur zwei zu nennen. Allerdings gibt es auch gute Neuigkeiten: Über den Tellerrand plant weiterhin Kochtreffs für und mit Geflüchteten und man munkelt, dass auch die Lebenshilfe bald wieder ein neues Café eröffnen will. Lasst es euch schmecken!

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