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„Aliens würden das sicher verstehen“ – Angela Aux im Interview und in den Kammerspielen (Verlosung!)

Fantastisch, was Angela Aux da bald auf die Beine stellt. Nicht nur eine profane Releaseshow, sondern eine aufwendige multimediale Albumpremiere erwartet uns in den Münchner Kammerspielen am 29.04. Wir haben ihn interviewt!

Zwischen betörender Schönheit und beängstigenden Fragen bewegt sich der Münchner Singer-Songwriter (Selbstbeschreibung: Weird Folk) auf seinem kommenden Album „Instinctive Travels On The Paths Of Space And Time“. Darauf blickt er mit großen Augen in die Zukunft. Was wird aus dem Menschen, wenn die KI unser Schicksal übernimmt? Nach was sehnen sich Algorithmen? Haben auch Superintelligenzen schlechte Tage?

Auf dem Album klingt das viel wärmer und emotionaler als diese abstrakten Begriffen hier vermuten lassen. „Die zauberhaft wehmütigen Songs sickern mit ihren goldfarbenen Harmonien auch so durch die Risse und Löcher unserer harten Schale“, sagt BR Zündfunk Moderator Christoph Lindemann etwa.

Das Album ist dabei Teil einer Trilogie, zu der auch die Science Fiction-Novel „Nach dem Ende der Zeit“ und eben die Aufführung auf der Theaterbühne gehört. Für den Auftritt schlüpft Aux – früher meist mit blonder Perücke und im Kleid auf der Bühne – in ein quasi-reptiloides Echsenkostüm (oder Alienkostüm). Verschwörungstheorien – noch so ein dickes Brett. Fast paradox also, dass die Harmonien auf dem Album zur Versöhnung einladen. Und die Texte zur gegenseitigen Verständigung. Ein paar Sachen wollten wir deshalb persönlich wissen. Bevor es auf die Bühne geht, haben wir uns Florian Kreier a.k.a Angela Aux zum Interview geschnappt. Für das Album – das wir vorab hören durften – zücken wir das Prädikat: unbedingt hörenswert!

Hi Angela Aux, dein letztes Album „In Love With the Demons“ liegt ein paar Jahre zurück. Was ist seither passiert?

Die Welt hat sich völlig verändert und es sind so viele Sachen passiert, dass ich gar nicht weiß wo ich anfangen soll. 

Deine aktuellen Pressefotos erinnern an etwas Extraterrestrisches oder Futuristisches. Wie erklärst du einem Alien oder einem Zeitreisenden Angela Aux?

Angela Aux ist ein Medium, das sich zwischen Musik und Literatur immer neue relevante Themen sucht, um in Performances und Songs und Texten anderen Menschen einige interessante Dinge dazu mitzugeben. So eine Hexe oder Medium hat es in allen Kulturen immer gegeben, bestimmt auch auf anderen Planeten. Aliens würden das sicher verstehen. 

Was sind die Themen auf deinem kommenden Album „Introduction to the Future Self“ und wie passt es in dein bisheriges Oeuvre?

Die Zukunft der Menschheit, wenn man das so nennen kann. Denn das, was wir heute als menschlich betrachten, wird sich wohl nahezu assimilieren mit einer zukünftigen Vorstellung, die dann wiederum nur noch wenig mit dem zu tun haben wird, was wir heute so sind. Wer wir gewesen sein werden, könnte also auch das Thema sein. Und warum wir uns sozusagen schon immer in Auflösung und Neuformatierung befunden haben. Aber Digitalisierung, um mal alles zusammenzufassen, was mit Computern zu tun hat, wird das größte Nadelöhr durch das sich dieser Planet je zwängt. 

In deinen Lyrics und Interviews merkt man, dass du gut informiert bist über aktuelle gesellschaftliche Diskurse sowie das popkulturelle Zeitgeschehen der letzten Jahrzehnte. Kulturpessimistische Töne entdeckt man kaum. Glaubt Angela Aux angesichts des menschgemachten Klimawandels und multipler Krisen etwa an eine gute Zukunft?

Gute Frage! Ich glaub es ist immer leichter Dystopien zu entwerfen als Utopien, darum ist fast jeder Film über die Zukunft ein Katastrophenfilm. Gute Utopien gibt’s wenige, wohl weil es viel schwieriger ist sie zu entwerfen. Ich glaube also lieber an eine positive Zukunft als Angst zu haben vor einer negativen, dabei fokussiere ich ja obendrein die wichtigen Themen und gebe meine Energie da rein. So steigern sich die Chancen, dass eine positivere Zukunft eintreten kann. 

Du hast einen bemerkenswerten Spoken Word Text – den „Deutschland Text“. Da spricht quasi der Volksmund und das kollektive Gedächtnis durch dich – Sätze von Max Mustermann versetzt mit bekannten nah-geschichtlichen Zitaten. Etwa Gerhard Schröder und seine Flasche Bier. Wie kamst du auf diese Idee und was war deine Intention dahinter?

Deutschland ist ein Konzept, ein relativ abstraktes  Bündel aus Geschichten und Eindrücken, Sätzen und Daten. Im Prinzip gibt es so viele Deutschlands wie es Menschen gibt, die sich als Einwohner sehen, wobei auch viele andere Menschen aus dem Planeten ein Bild davon haben. Dazu kommt, dass alle Menschen gewisse Zerrbilder und Vorurteile mit sich rumtragen. Darauf macht der Text sozusagen aufmerksam. Auf dem neuen Album ist ein ähnlicher Text im Song „Almost Human After All“, da geht’s um das abstrakte und widersprüchliche Konzept des Menschen. 

Wir sprechen als Gesellschaft momentan oft dystopisch über die Zukunft. Zugleich erleben wir gerade den Durchbruch von KI-Anwendungen im Alltag mit Programmen wie Chat GPT. Wie kannst du als Künstler darauf reagieren oder damit arbeiten? Verändert sich dadurch die Funktion und die Produktion der Kunst?

Ich mach seit einigen Jahren Performances mit Schreibmaschine. Ein junges Mädchen schaute mir eine Weile zu und meinte dann ganz euphorisch zu ihrer Mutter: Schau mal Mama, ein Drucker mit Tastatur. Ich glaube ChatGTP wird das bis auf weiteres nicht hinbekommen auf einem Marktplatz zu sitzen und Gedichte mit Schreibmaschine zu schreiben. Genau so lesen Menschen noch in hundert Jahren Zeitung und fahren Rad, obwohl es ganz andere Lösungen gäbe. Wie gut diese Lösungen sind, ob Auto oder Jetpack, ist auch nie so ganz klar. ChatGPT ist so eine Art Tamagotchi, aber mit einem anderen Nutzwert, weil es zur Produktion taugt. Ob die Produkte aber wirklich wertvoll sind, wird die Zeit zeigen. Oder die Kunst. 

Deine Musik klingt meist eher entspannt trotz der großen und durchaus ernsten Themen. Wie kommt’s?

Das ist der Plan. Gut, dass er funktioniert. 

Du veröffentlichst auf dem verdienten Münchner Kult-Label Trikont. Was bedeutet dir das?

Ich habe meine eigenes Label Inselgruppe gegründet, da erscheint das Album. Aber Trikont ist trotzdem ein super Label mit einer tollen Geschichte. 

Als Kunstfigur Angela Aux trägst du oft Frauenkleider und wirst auch immer wieder darauf angesprochen. Nachdem die Gender-Debatte weiter ist als vor fünf oder zehn Jahren: Was hat sich für dich in diesen Jahren verändert, auf der Bühne als nicht-binäre Person in Erscheinung zu treten? 

Ich hab das im Prinzip 2004 begonnen. Damals war das Thema weit nicht so präsent wie heute, niemand hat von nicht-binär gesprochen. Aber es haben sich reihenweise Leute drüber aufgeregt, über den Namen oder das Bühnenoutfit. Mir ging’s in erster Linie darum, Abstand von mir selbst zu nehmen, vor allem auch von mir als Mann. Ich bin auf weit über hundert Konzerten so aufgetreten und rum gelaufen. Im Club, auf Festivals, danach an der Tankstelle oder im Hotel: eher wenige Menschen reagierten halbwegs normal auf mich in dem Kostüm. Das bedeutet schon was; kein Nachrichtensprecher, Fußballtrainer oder CEO ist jemals in einem Kleid in Erscheinung getreten und wenn einer es tun würde, wäre es wohl weltweit in den Medien. Das sagt viel über die Rolle von Männern in der Öffentlichkeit. Und das ist im Prinzip unverändert seit meinen Anfängen. 

Zur Veröffentlichung deines neuen Albums wird in den Kammerspielen am 29.04. im Schauspielhaus eine transmediale Erzählung gezeigt. Es geht um – Zitat – „Super-Intelligenzen, synthetische Parallel-Universen und neuartige Wesen zwischen Humanoiden, Technologie und Bewusstsein“. Was dürfen wir von diesem Abend erwarten und wer ist noch Teil der Angela Aux Schwarmintelligenz?

Mitgewirkt haben Rania Mleihi, Su Steinmassl, Moby Digg, Lorand Lajos. Jessica Dettinger, Milena Wojhan, Beni Brachtel, Bojena Todorow, Maria de Val, Henny Herz, Matze Proellochs, Lisa Niklisch. Es ist eine der außergewöhnlichsten Releaseshows, die die Stadt gesehen hat. Das ist wirklich so. 

Was sollte man vor der Aufführung unbedingt noch lesen oder googlen?

Anita Augspurg, Ursula K. Le Guin, Donna Haraway und Rosi Braidotti. 

Und Frage zuletzt: Müssen wir den Planet wirklich bald verlassen?

Müssen vielleicht schon. Aber können nicht. 

Reinhören auf Spotify: „Mourning Times“ vom neuen Album

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Schon gewusst? Als Heiner Hendrix schreibt Florian Kreier auch Texte – unter anderem als Kolumnist für unser Printmagazin.

Verlosung: Gewinn 1×2 Karten für die Aufführung von “Introduction to the Future Self“

Bevor ihr vielleicht doch versucht, den Planet zu verlassen, solltet ihr natürlich noch die Show von Angela Aux besuchen. Wir verlosen 1×2 Karten für den Abend. Hinterlasst uns einfach einen Kommentar unter dem Artikel und ihr seid mit im Lostopf. Ausgelost wird am Mittwoch, 26.04.


In aller Kürze:

Was?Introduction to the Future Self“ – Album-Releaseshow und transmediale Erzählung von Angela Aux
Wann? 29.04.2023; Beginn: 20 Uhr
Wo? Münchner Kammerspiele, Schauspielhaus, Maximilianstraße 26 (Tickets 25 EUR bzw. 10 EUR ermäßigt)


Über Angela Aux:

Angela Aux ist das Bandprojekt um den Musiker und Autor Florian Kreier, der neben seiner Tätigkeit als Komponist und Songwriter für Kino und Theater (u.a. „SystemError”, „Schlafschafe”, “Gott du kannst ein Arsch sein”) auch als Schriftsteller veröffentlicht (z.B. “Utopien sind meine Heimatae” auf Trikont). Kreier ist Mitglied und Songwriter für verschiedene Bands (u.a. Aloa Input, Sepalot Quartet).

Beitragsbild/Bilder: © Milena Wojhan/PR

10 Comments
  • Thomas Hain
    Posted at 18:00h, 20 April

    Einen letzten Blick auf das Universum werfen

  • Felicia
    Posted at 19:01h, 20 April

    Wäre toll

  • Cenco
    Posted at 08:34h, 21 April

    Es ist windig in der Galaxie heute Nacht.

  • Simon Atherton
    Posted at 11:28h, 21 April

    Das wird interessant

  • Judith Köster
    Posted at 12:23h, 21 April

    Uiiiiii – ich würd wahnsinnig gern zu dem coolen Event!!! 🙂

  • Matthias Wieser
    Posted at 12:23h, 21 April

    Angela Aux hab ich noch nie live gesehen, das wär wirklich ein top Gewinn!

  • Christian Illing
    Posted at 09:49h, 24 April

    Das wär wirklich schön

  • Lulumavie
    Posted at 11:18h, 24 April

    Au ja, das wäre super!

  • Julia Muehlen
    Posted at 21:20h, 26 April

    Klingt spitze. Möchte ich hin!

  • Sonja Schmalzl
    Posted at 13:37h, 31 März

    Oh Gott, ich würd mich so unglaublich freuen! Ich hab zur Zeit das Pech meine bereits gekauften Tickets nie einlösen zu können, weil entweder ich krank bin oder die Kinder. Vielleicht hab ich ja diesmal mehr Glück?

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