Kultur, Nach(t)kritik

Bombastisches Spektakel ohne Tiefgang

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Turandot

Die Theatertruppe La Fura dels Baus war mal für ihre innovativen Performances bekannt. Ob raschelnde 3D-Brillen und barbusige Animateurinnen innovativ sind, darf allerdings bezweifelt werden. Wer jedoch auf Bombastik statt feiner Musik steht, ist hier gut bedient.

Die chinesische Prinzessin Turandot hat sich geschworen, nur den Mann zu heiraten, der drei Rätsel lösen kann, die sie ihm stellt.

Sie will damit verhindern, das Schicksal einer Urahnin von ihr zu teilen, die einst von einem Mann verschleppt und vergewaltigt wurde. Viele Männer versuchen sich an dem Rätsel, aber keiner kann es lösen und müssen deshalb sterben. Prinz Calaf will ebenfalls sein Glück versuchen, denn er hat sich unsterblich in Turandot verliebt. Sein Vater und Liù, die ihn heimlich liebt, wollen es ihm ausreden, aber er versucht es trotzdem und hat Erfolg. Turandot ist aber nicht gewillt, ihr Versprechen zu halten. Calaf, der seinen Namen bisher geheim gehalten hat, schlägt ihr einen Handel vor: wenn sie bis zum Morgengrauen seinen Namen nicht herausfindet, heiraten sie, ansonsten ist er bereit zu sterben. Turandot foltert Liù, um den Namen aus ihr herauszupressen, aber diese schweigt aus Liebe zu Calaf und stirbt für ihn.

Hier endet Puccinis Komposition, das Happy End für Calaf und Turandot konnte er nicht mehr schreiben, weil er vorher starb.

Verschiedene Komponisten haben sich an dem Schluss versucht, aber bei dieser Inszenierung einigte man sich zwei Wochen vor der Premiere darauf, den Abend mit Liùs Tod enden zu lassen. Damit hatte man nur noch 105 Minuten reine Spielzeit, die man mit zwei Pausen von insgesamt 60 Minuten auf eine akzeptable Länge aufblies. Dachte ich anfangs noch, man würde diese zwei Pausen nur der Gastronomie zuliebe machen, war ich ziemlich bald froh, meinen gestressten Augen etwas Ruhe gönnen zu können.

Denn auf der Bühne wurde nicht gespart an Effekten, koste es was es wolle.

Ich hatte das Gefühl, die Protagonisten im Graben waren deshalb so laut, weil sie sonst gegenüber dem Spektakel über ihnen untergegangen wären. Sängerfreundlich war das jedenfalls nicht. Die Regie von Carlus Padrissa sah zwar viele, oft überflüssige, Effekte vor, Personenregie ist aber offensichtlich nicht seine Stärke. Gesungen wurde hauptsächlich am Graben, ziemlich statisch, das erinnerte mich an einen Figaro in Berlin, der dort immer noch gespielt wird und ein halbes Jahr jünger ist als ich. Und als er mal anscheinend nicht wusste, was er mit dem Chor anfangen sollte, mussten halt ein paar Breakdancer für Action auf der Bühne sorgen.

Im Vorfeld wurde bereits lanciert, dass man 3D-Effekte eingebaut habe.

Schon als ich das zum ersten Mal hörte, erschloss sich mir der Sinn nicht ganz. Eine Opernbühne ist bereits dreidimensional. Warum muss man etwas Zweidimensionales hinzufügen und das dann künstlich auf drei Dimensionen aufblasen? Ganz abgesehen davon, dass es ziemlich laut raschelt, wenn 2000 Zuschauer gleichzeitig billige Papierbrillen aufsetzen. Nachdem ich beim ersten Mal das Gefühl hatte, mein Gesichtskreis würde dadurch sehr eingeschränkt, habe ich für den Rest des Abends drauf verzichtet, die Brille umständlich über meine eigene zu pfriemeln.

Nach dem ersten Akt war ich förmlich erschlagen, mir taten die Augen weh von den ständig wechselnden Projektionen und mir dröhnten die Ohren von der Lautstärke.

Bestimmendes Element war eine riesige Turbine oder Linse, die zugleich Guillotine und Podest war. Der Chor hatte trug nette Kostüme, die zumindest etwas chinesisch anmuteten. Warum sich allerdings all diese Chinesen in ein europäisches Land im Jahr 2046 verirrt hatten, blieb offen. Calaf löst die Rätsel mit Hilfe eines Smartphones, warum sind da seine Vorgänger nicht darauf gekommen? Als einzig wirklich schönes Bild wird mir das Schlussbild in Erinnerung bleiben, in dem Liu an einem aus ihrem Inneren wachsenden Bambus stirbt. Allerdings dauerte es nicht lange, bis dieser tolle Eindruck durch noch eine überflüssige 3D-Projektion zerstört wurde.

Die Sänger, wenn man sie denn mal hören konnte, waren bis auf die drei Minister wirklich gut.

Einzig Marco Berti als Calaf schaffte es mühelos, immer über das Orchester zu kommen, bei Ekaterina Scherbachenkos wunderschöner Schlussarie als Liù lies der Maestro dankenswerterweise nicht so in die Vollen gehen. Jennifer Wilson war stimmlich eine schöne Turandot, durfte oder konnte aber leider nicht expressiv spielen. Positiv aufgefallen sind mir auch noch Alexander Tsymbalyuk als Vater von Calaf und Ulrich Reß als der von Turandot.

Leider wirkte das ganze auf mich so überladen, so überreizend, dass ich mich gar nicht auf die tolle Musik konzentrieren konnte. Etwas weniger wäre hier vielleicht mehr gewesen.
Foto Wilfried Hösl

Termine:
Staatsoper
Mi 07.12.2011, 19.00 Uhr
Sa 10.12.2011, 19.00 Uhr
Mi 14.12.2011, 19.00 Uhr
Sa 17.12.2011, 19.00 Uhr
Di 20.12.2011, 19.30 Uhr

Mehr Infos und Bilder gibt es hier

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