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“Das Viertel hat wirklich viel Potenzial”- Die Cafébar Mona bringt Subkultur nach Bogenhausen
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Wer Matthias Stadler interviewen will, muss etwas Geduld mitbringen. Ständig wuselt er von Tisch zu Tisch, bedient hier, unterhält sich dort oder steht hinterm Tresen, um lachend Neuankömmlinge zu begrüßen. Trotzdem ist er irgendwie auch der ruhende Pol im geschäftigen Treiben von TAM TAM. Seit elf Jahren führt Matthias wie eine Art Zirkusdirektor das Kollektiv an, das in den letzten Jahren die Münchner Subkultur maßgeblich prägte und kürzlich seinen elften Geburtstag in der Roten Sonne feierte. Angefangen hat alles aber in seiner Heimat, im niederbayrischen Deggendorf. Hier wurde als erste größere Aktion gemeinsam mit Freunden eine alte Hafenhalle – nur mit Europaletten und viel Ideenreichtum – in eine temporäre Konzerthalle mit Dancefloor verwandelt.
Nach Stationen in München, wie der TAM TAM Bar in den Kammerspielen und der TAM TAM Skybar in Laim, eröffnete der scheinbar immer unter Strom stehende Stadler Anfang Mai nun die Cafébar Mona im Haus der Monacensia. Wer diese Referenzen kennt, weiß, dass die Mona nicht nur ein Café mit Kaffee und Kuchen sein wird, sondern ein Projekt, das kreative Möglichkeiten schafft. „In dem Viertel gibt es nicht viel und viele Leute freuen sich, dass es hier endlich mal einen unkomplizierten Ort gibt, den man mitgestalten kann“, sagt er. „Wo es einen Überschuss an Luxus gibt, passiert am wenigsten. Aber im Viertel gibt es schon viel Potenzial.”
Auf gute Nachbarschaft
Mit seiner offenen Art schaffte er es, das Kommunalreferat zu überzeugen, ihm den Zuschlag für das Café im Literaturhaus zu geben: „Meine Idee war es, relativ frei Projekte mit den Nachbarn in Bogenhausen zu entwickeln. Aber es war kein fertiges Konzept.“ Ringrum hat er sich erst mal vorgestellt: „Ich habe einen Monat lang alle Nachbarn kennengelernt. Das war unglaublich: Angefangen bei einem Herrn, der die Fernseh-Tatorte vertont und uns sein ganzes Soundarchiv mitbringt. Wir werden damit eine Installation im Keller aufbauen. Ein anderes Mal haben wir hier für und mit Kindern Seifenblasen gemacht und dann kam eine Harfenlehrerin mit ihren Schülerinnen vorbei und wollte die Seifenblasenaktion musikalisch untermalen.“
Für manche scheint das TamTam Café in Bogenhausen eine Art Jungbrunnen zu sein: „Die Leute hier haben auch eine Vergangenheit und können jetzt bei uns ihre zweite Jugend entdecken“, sagt Stadler. „Man hat auch manchmal den Eindruck man ist so eine Therapiestelle. Ein älterer Herr war zu Beginn der schärfste Café-Kritiker. Er leidet an Gürtelrose und bedankte sich jetzt bei uns, dass er die erste Stunde in diesem Jahr ohne Schmerzen erlebt hat. Man taucht hier in einen Kosmos ein und begegnet Leuten, denen man sonst vielleicht nicht begegnen würde.“ So schätzen die Konsulatsmitarbeiter der Umgebung den leichten Mittagstisch der Mona mit Suppe und Salat oder kommen auf einen Kaffee vorbei. „Uns haben die Leute aus Bogenhausen schon so viel mitgebracht. Immer wenn jemand gesagt hat, wir hätten kein Geschirr mehr, haben wir gesagt: ‘Dann bring uns welches mit’ und die kamen tatsächlich und brachten uns Berge an altem Geschirr mit und sogar eine Eismaschine.”
Das Café ist ein Familienprojekt
Für Stadler, der sonst eher im Nachtleben aktiv war – unter anderem unter seinem DJ-Pseudonym Monika Bluse – ist die Cafébar Mona eine Chance, sich jenseits des Nachtlebens neu zu positionieren. Gerade erst ist er zum zweiten Mal Vater geworden. Da stellt sich die Frage, wie er Familienleben und Café unter einen Hut bringt: „Das ist schon eine Herausforderung, aber auch ein Familienprojekt“, gibt Matthias zu. Das Café trägt nicht nur den Namen seiner Freundin, auch die gemeinsame Tochter kommt ihn öfters besuchen und hat mitentschieden, welche Süßigkeiten verkauft werden.
Familie wird groß geschrieben – von den Preisen bis zum Programm – ohne, dass dies die TamTam-typische Improvisationsfreude schmälert. So gibt es Kinderkonzerte (wie bei der Eröffnung mit der Band Café Unterzucker) genauso wie relativ spontane Hip-Hop-Gigs wie zuletzt bei Thraashboo aus Leipzig. Der lies sich beim Stagediven vom Publikum im Café auffangen. Aber auch politische Diskussionen, Lesungen und Noise-Performances finden Platz im Programm. Wer TAM TAM bisher nur aus dem Nachtleben kennt, muss jetzt etwas früher aufstehen um nichts zu verpassen, denn um 22 Uhr ist in der Regel Schluss: Während die Tam Tam Bar ein Nachtlokal war, ist die Mona ein Tagescafé und das lässt sich auch besser mit dem Familienleben vereinbaren.
Mehr Infos unter: www.cafebar-mona.de oder auf Instagram.
Die nächsten Live-Termine und Konzerte:
18.6. Jason Arigato (wahrscheinlich)
24.6. Slow Slow Loris
26.6. G.Rag & Landlergschwister
29.6. Bavarian Mobile Disco & Seducation (DJ Set)
…aber auch sonst liegt immer etwas Musik in der Luft.
Beitragsbild: © Andreas Müller; restliche Bilder: © Tam Tam; außer: Hochzeitskapelle und Café Unterzucker (© Enid Valu)