Kultur

Das Leben ist anderswo

Markus Michalek

Schreiben ist Exzess. Der Münchner Web-Poet Kapinski wird an dieser Stelle jede Woche über die Schmerzen, den Exzess, das Glück der Münchner Autoren berichten. Eintrag Nr.3 über Groupies und Erfolge.

Lesungen sind wunderbar, wenn Autor, Text und Publikum zusammen kommen. Berührungsängste sind nicht erlaubt. Signieren ist Pflicht, Geselligkeit die Kür. Nachts dann, gegen ein Uhr morgens, am Tresen einer Stammbar. Die Anspannung weicht. Geschafft! Nicht irgendeine Lesung, sondern die bisher wichtigste. (Von der man weiß, dass sie nicht immer die Wichtigste bleiben wird) Um einen herum: Freunde, wenn sie anwesend sind, andere Gäste (die sind es immer) und oft genug eine nicht seltene Spezies – Literatur-Groupies. Die werden – Überraschung – von folgenden Faktoren bestimmt:

Aussehen:
Selbst ein hässlicher Autor hat Erfolg bei Frauen, wenn er gut schreibt. Dann ist es egal, ob er groß, klein, dick, dünn oder vielleicht sogar ein Zwerg ist. Sie werden ihn lieben, wie sie alles lieben, was auch nur annähernd aus ihm heraus fließt. Selbst, wenn’s sein eigenes Ich ist.

Alter:
Das Alter des Autors verhält sich oft äquivalent zum Alter der Groupies. Gerüchteweise gilt es in gewissen Damenkreisen jenseits der Vierzig als schicklich, sich einen vielversprechenden, aufstrebenden Autor in den Dreißigern als Seelentröster mit einem garantierten Maß an Empfindlichkeit zu halten. Mit der Anzahl der gewonnenen Preise, mit der Anzahl der verkauften Bücher steigt die Wahrscheinlichkeit, in dieses Dilemma zu geraten.

Erfolg:
Erfolg macht einsam, denn hast du erst den Erfolg (den du dir übrigens so sehr gewünscht hast), wollen alle ein Stück von Dir. Nicht nur die Groupies, nein, die Medien, dein Agent, sofern es einen gibt, dein Verleger, sofern es keinen Agenten gibt. Erinnert sich noch jemand an das Stillleben: gequältes Lächeln im schwarzen Underdress vor schwarzem Kissen; Frank Schätzing 2009? Deine ältesten Freunde tauchen aus ihrer Versenkung auf und schleimen dich um Gästelisteplätze für jede deiner Lesungen an, nur um dann doch nicht zu erscheinen. Und zu den ältesten Freunden gesellt  sich eine Menge Neuer.

Langsam das Glas geschwenkt und dem Wein dabei zugesehen, wie er seine Wellen schlägt. Ich möchte Yang Mu zitieren, einen hierzulande wenig bekannten taiwanesischen Dichter: „Die Einsamkeit ist ein uraltes Tier. (…) Es kriecht mit Mühe in mein volles Weinglas. Mit zärtlichen Augen betrachtet es kummervoll den Abendtrinker. In solchen Momenten weiß ich, dass es bereut, leichtfertig seine vertraute Welt gegen meinen kalten Wein vertauscht zu haben. Mitleidig setze ich das Glas an die Lippen und schicke es zurück in mein Herz.“ (Einsamkeit, Yang Mu, Patt beim Go, A-1 Verlag, 2002)

Und wenn man Glück hat, dann sind noch ein paar Autorenkollegen/Innen da, mit denen man sich unterhält, nebenbei ein wenig über den ganzen Zirkus, in dessen Mitte oder Peripherie man sich befindet, lästert – bis irgendwann der Morgen graut. Dann geht man nach Hause, vom Ruhm ist in diesen Momenten nur wenig zu spüren.

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