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Die lebenswerteste Stadt der Welt? Warum München in Städterankings so gut abschneidet

MUCBOOK Magazin

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Bei Städterankings erreicht München regelmäßig Spitzenplätze. Unsere Autorin fragt sich, was hinter diesen Auszeichnungen steckt und ob das die Münchner*innen genauso fühlen.

 

München – geil, oder? Bin ich im Ausland und sage, woher ich komme, stoße ich damit meist auf Begeisterung und Anerkennung. Irgendjemand murmelt selig „Oktoberfest“ oder „Beer“ und grinst. International sorgt München – mit seinem schönen Alpenpanorama und Biergartenkulissen –  schon beim Namedropping für wohlwollendes Nicken. Dieses Bild ist nicht weit weg vom einstigen Stadtslogan „Weltstadt mit Herz“. Das positive Image wurde vor einigen Jahren sogar quasi offiziell festgestellt: 2018 schaffte es München auf Platz 1 der jährlich erscheinenden Liste der 25 lebenswertesten Metropolen im Ranking des britischen Magazins „Monocle“. Weltweit. Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. 

Okay, 2018 ist nun schon ein bisschen her. Aber auch in anderen Jahren und in anderen Städterankings ist München oft auf den vorderen Rängen dabei. „Monocle“ ist nicht die einzige Institution, die solche Rankings durchführt. Auch das amerikanische Beratungsunternehmen Mercer und die britische Zeitschrift „Economist“ erstellen jährlich ähnliche Listen.

Wer sich in die Welt der Rankings begibt, merkt schnell: Es gibt sie wie Sand am Meer. Manchmal möchte man meinen, sie dienen lediglich dazu, Schlagzeilen zu erzeugen: Jede Lokalzeitung, jedes Stadtmagazin kann sich das Ranking aussuchen, das gerade am besten passt, das seiner Stadt am meisten schmeichelt. Beide Parteien profitieren schließlich von der Aufmerksamkeit, die sich mit diesen Listen generieren lässt: die Studienmacher, hinter denen meist Konzerne oder internationale Medienhäuser stecken, und  die lokalen Medien, die sich in Lobeshymnen auf ihre Heimatstadt suhlen.

 

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Was zählt

Im Detail arbeiten diese Studien mit verschiedenen Kriterien. Gemeinsam haben sie aber, dass München in der Regel recht weit vorne mitspielt. Damit ist die Stadt nicht alleine: Auch andere Städte wie Wien, Melbourne oder Tokio finden üblicherweise ihren Weg in die Top 20. Bedeutet das also, dass die Bewertungssysteme aussagekräftig sind? Um diese Frage zu beantworten, muss man ins Detail gehen. Denn jedes geht anders vor: Bei „Monocle“ sind die Kriterien unter anderem Sicherheit, Klima, Architektur, öffentlicher Verkehr, Zugang zur Natur, Stadtplanung und medizinische Versorgung. Das Mercer-Ranking vergleicht Städte – ganz ähnlich – nach Faktoren wie Sicherheit, Bildung und Kultur, Gesundheitsversorgung, politischer und wirtschaftlicher Stabilität sowie öffentlichem Verkehr und Umwelt. Beim EUI-Ranking dagegen gilt New York City als Maß aller Dinge: Die Metropole wird mit einem Vergleichswert von 100 als Referenz herangezogen.

Dass München regelmäßig fantastisch abschneidet, scheint irgendwie logisch. Die Stadt hat schließlich einiges zu bieten: tolle Parks, die Alpennähe, die historische Altstadt und ein vergleichsweise großes Budget für Kunst und Kultur.

Was wirklich zählt

Das Konzept der Lebensqualität, wie es Städterankings nutzen, stützt sich also auf mehr oder weniger objektive Faktoren – als Indikator für die allgemeine Lebensqualität. 

Auf kommunaler Ebene oder in wissenschaftlicher Forschung hingegen geht es oft eher um  die sogenannte „subjektive Lebenszufriedenheit“. Und die wird ganz individuell erhoben: Bürger*innen bewerten dann, wie sehr sie – alles in allem – mit ihrem Leben zufrieden sind. Eine lebenswerte Stadt müsste folglich auch viel Zufriedenheit hervorbringen. Oder?

Aristoteles war der erste Glücksforscher, wenn man so will. Bereits im alten Griechenland hatte er Glück als Lebensziel der Menschen definiert. Seitdem versuchen die Psychologie, die Wirtschaftswissenschaften und auch die Soziologie die entscheidenden Faktoren für ein gelungenes Leben herauszuarbeiten. All das, was individuelles Glück und Lebenszufriedenheit erhöht. Natürlich ist Zufriedenheit subjektiv und lässt sich nicht vollständig erklären. Aber es gibt persönliche Umstände, die damit üblicherweise korrelieren – beispielsweise Gesundheit, hohes Einkommen und Kontakt zu vielen Freund*innen, wie etwa eine Münchner Studie zur Lebenszufriedenheit vom Institut für Soziologie der LMU von 2010 belegt. 

Glück und Lebenszufriedenheit sind aber auch an Orte gebunden. Das zeigt sich im internationalen Vergleich. Im Auftrag der Vereinten Nationen etwa untersuchen  Expert*innen seit 2012 die Zufriedenheit von Menschen in aller Welt. In diesem „World Happiness Report“ erreichte Finnland den höchsten Glückswert und sicherte sich 2022 den Titel als glücklichstes Land der Welt. Auf den nächsten Plätzen: vor allem skandinavische Länder. Deutschland schafft es gerade mal auf Platz 17.

 

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Wie zufrieden sind die Münchner*innen?

Auch die Stadt München selbst macht solche Umfragen: Alle fünf Jahren wird eine Stichprobe von Bewohner*innen dabei unter anderem zu ihrer persönlichen Lebenszufriedenheit befragt. Auf einer Skala von 1 („überhaupt nicht zufrieden“) bis 10 („völlig zufrieden”) zeigten sich die Münchner*innen 2021 zuletzt ziemlich zufrieden – mit einem stabilen Durchschnittswert von 8,0. 2016 lag der Wert noch bei 7,6.

Viele Menschen aus meinem Umfeld aber empfinden München – entgegen diesen Studienergebnissen – nicht mehr als sonderlich lebenswert. Die Eltern vieler Freund*innen zum Beispiel überlegen sich, wegzuziehen, oder haben es bereits getan. Viel zu teuer, hektisch und überfüllt sei es hier. Mir hingegen ist es oft ein bisschen zu spießig und ich denke daran, wie ich mich aufrege, dass mich die U-Bahn nachts nicht mehr nach Hause bringt und ich trunken auf dreistellige Minutenanzeigen blicken muss. 

Das mit dem spießigen Ruf geht nicht nur mir so. Auch die Szene der Kulturtreibenden klagt darüber. Die Initiative „Monokultur“, ein loser Zusammenschluss von Künstler*innen, kritisierte 2018 das Image als wohlsituierte Langweiler-Stadt mit Bussi-Bussi-Gesellschaft. Wohlgemerkt in dem Jahr als München von „Monocle“ ausgezeichnet wurde. Das Kollektiv verklagte die Stadt München symbolisch wegen Rufschädigung. Niemand könne sich vorstellen, dass die*der nächste Rapper*in oder ein relevantes Punkalbum aus München kommt, argumentierten die Kläger*innen. Für diesen Standortnachteil und Imageschaden sollte die wohlhabende Stadt gegenüber den ansässigen Künstler*innen also bitte aufkommen. Geändert hat sich an diesem Ruf seither nicht viel. Wer hat also recht: „Monocle“ oder Monokultur München? 

Und es gibt noch andere ernst zu nehmende Probleme: hohe Mieten, Wohnungsmangel, wenig Platz für Subkultur und Freiräume, Gentrifizierung an allen Ecken, hohe soziale Ungleichheit und hohe Lebenshaltungskosten. München die lebenswerteste Stadt der Welt? Für Betroffene dieser Probleme muss das wie blanker Hohn klingen.

 

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(K)Eine Frage des Geldes

Auch Namen wie Kopenhagen, Zürich oder Sydney klingen nach Geld. Auch diese Städte findet man regelmäßig auf den vorderen Rängen. Werden Faktoren wie Mieten und Lebenshaltungskosten also gar nicht erst mit einbezogen in den einschlägigen Rankings? Natürlich machen diese Städte sehr viel Spaß, wenn man nicht ans Geld denken muss. Was aber ist mit denen, die sich diese Angebote nicht leisten können?

Zurück zu „Monocle“. Deren Konzept wurde in den vergangenen Jahren immer ausgefeilter und detaillierter. Die von den internationalen Redakteur*innen des Magazins erstellte Rangliste basierte früher auf einer Vielzahl objektiver Daten. Mittlerweile werden aber auch direkte und subjektive Erfahrungen durch ein globales Korrespondententeam miteinbezogen. Ebenso werden die Lebenshaltungskosten berücksichtigt. Welches Gewicht dieses Kriterium einnimmt, bleibt unklar. Denn: Nach wie vor nehmen überwiegend Städte, die für sündhaft teure Mietpreise bekannt sind, die vorderen Ränge ein. Im Gewinnervideo von 2018 heißt es nur: „And even though property prices are the highest in Germany, there are pockets full of alternative youth culture that detract people from all backgrounds – just as the beergardens do.“ Na dann!

Wichtig ist vielleicht auch, was diese Rankings bewirken. Sie haben nämlich einen Werbefaktor. Sie verschaffen Image und Prestige, weil sie große Resonanz in der internationalen Presse nach sich ziehen. Sie dienen als Aushängeschilder und Labels. Im Guten wie im Schlechten. Natürlich zieht man nicht unmittelbar dorthin, wo es gerade am lebenswertesten ist. Aber vielleicht orientiert man sich daran, wenn man überlegt, wo man ein Auslandssemester verbringt oder wohin der nächste Citytrip geht. Außerdem können solche jährlichen Rankings auch Ansporn für eine Stadt sein, sich zu verbessern oder einer Platzierung gerecht zu werden. Ein kleines bisschen Wettbewerb hat dem Qualitätsstandard noch nie geschadet. Blöderweise zieht diese Attraktivität dann wiederum die Preise auf dem Immobilienmarkt nach oben – ein teuflischer Kreislauf. Internationale Großkonzerne wie beispielsweise Apple oder Google orientieren sich unter anderem an solchen Rankings und beziehen sie maßgeblich in ihre Standortentscheidungen ein, wie Tim Cook, CEO von Apple, bei seinem letzten Münchenbesuch darlegte. Klar ist, dass München dadurch nicht unbedingt erschwinglicher wird.

 

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Es bleibt schwierig

In einer besonders lebenswerten Stadt zu wohnen ist natürlich keine Grundvoraussetzung zum Glücklichsein. Es ist aber richtig, dass gewisse Dinge dort einfach gut funktionieren. Das wirkt sich auf die Lebensqualität und die Laune der Bewohner*innen aus.

Für mich ist München aktuell trotzdem nicht die lebenswerteste Stadt der Welt. Das zeigt sich auch darin, dass ich den Großteil meiner Zeit als Erwachsene in anderen Städten verbracht habe. Vermutlich passt es gerade einfach nicht. Ich kann nur hoffen, dass ich – sollte ich eines Tages zurückkehren – noch eine bezahlbare Wohnung finde.

Text: Caroline Priwitzer

Beitragsbild: Unsplash/Herr Bohn

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