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Vorwürfe gegen Münchner Museum

Laura Höss
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Weigert sich das Völkerkundemuseum, Kriegsbeute zurück zu geben? Im dem Staatlichen Museum liegt ein Königsschatz aus Kamerun. Der Enkel des Fürsten fordert das Kunstwerk zurück – bislang ohne Erfolg.

„Bis zum heutigen Tag weigert sich das Völkerkundemuseum nicht nur, dieses gestohlene Kunstwerk zurück zu geben, sondern sogar auf die Umstände hinzuweisen, unterer denen das Ausstellungsstück in den Besitz des Völkerkundemuseums gelangte. Und dies, obwohl der Diebstahl bestens dokumentiert ist. “

Diese Pressemitteilung der Gruppe [muc] postkolonial sollte die Münchner wachrütteln. Die Ethnologinnen und Historikerinnen wollen das postkoloniale Erbe Münchens ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken.

Ihre besondere Aufmerksamkeit gilt zur Zeit einem Stück, das sich im Besitz des Münchner Völkerkundemuseums befindet. Ein Schiffsschnabel, genannt „Tangue“, den der damalige Reichsgouverneur und spätere Direktor des Völkerkundemuseums Max Buchner während eines Angriffs auf die Stadt Hickory Town, das heutige Bonabéri, an der kamerunischen Küste erbeutete.

„Bestens dokumentiert“, wie es in der Pressemitteilung heißt, ist dieser Raub durch einen erschütternd emotionslosen Tagebucheintrag des früheren Völkerkunde-Direktors aus dem Jahr 1884:

„Das Haus des Lock Priso wird niedergerissen, ein bewegtes malerisches Bild. Wir zünden an. Ich habe mir aber ausgebeten, dass ich die einzelnen Häuser vorher auf ethnographische Merkwürdigkeiten durchsehen darf. Meine Hauptbeute ist eine große Schnitzerei, der feudale Kahnschmuck des Lock Priso, der nach München kommen soll.”

Seit langem verlangt Prinz Kum’ a Ndumbe III., der Enkel des damals beraubten Königs Lock Priso, die Rückgabe des Schiffschnabels, einer Königsinsignie seiner Familie, die „die Seele des Volkes spiegelt“.

Das Museum reagiert zurückhaltend. „Wir sind uns der Problematik durchaus bewusst“, sagt Dr. Stefan Eisenhofer, der Leiter der Afrikaabteilung des Völkerkundemuseums, auf Anfrage von mucbook. „Allerdings sei der Prinz noch nie persönlich an das Museum herangetreten, „die Rückgabeforderungen äußerten sich immer über Dritte“.

Der Prinz ist in Deutschland kein Unbekannter. Prinz Kum’ a Ndumbe III. hatte eine Professur für Afrikapolitik an der FU Berlin und schreibt seit 40 Jahren auch in deutscher Sprache. Der international renommierte Brückenbauer der Kulturen engagiert sich mit der von ihm 1993 in Douala gegründeten Stiftung AfricAvenier für die Entwicklung und internationale Einbindung Afrikas. Er war mehrmals auf der Leipziger und Frankfurter Buchmesse zu Gast. Dort stellte er seine Werke vor, die neben wissenschaftlichen Texten auch Gedichte und Erzählungen umfassen.

Das erste Mal hörte der Abteilungsleiter des Völkerkundemuseums Ende der 90er-Jahre von den Vorwürfen des Literatur-Prinzen. Durch keinen geringeren als Zubin Meta, den damaligen Generalmusikdirektor an der Bayerischen Staatsoper, einem Freund Prinz Kum’ a Ndumbes. Zuletzt stand der vermeintliche Raub bei einem Treffen Eisenhofers mit der Gruppe [muc] im September 2009 auf der Tagesordnung.

Das Hauptproblem ist aus Sicht des Museums die rechtliche Frage. Laut Eisenhofer fehle dem Enkel des Fürsten die Legitimation. Offiziell sei der kamerunische Prinz eine „normale Privatperson“. „Er hat uns gegenüber nicht belegt, dass er tatsächlich legitimer Erbe dieses Schiffschnabels ist“, so Eisenhofer. Außerdem sei der Schiffsschnabel Eigentum des Bayerischen Staates und könne auch nur an Staaten zurückgegeben werden.

Ein Problem, dass oft bei Kolonialschätzen auftaucht: Rückgabeforderungen könnten rechtlich nur durch Regierungen gestellt und vollzogen werden, nicht jedoch von Privatpersonen an Institutionen, so der Museumsvertreter.

Die Kritiker wollen sich nicht mit Hinweisen auf Formalitäten abspeisen lassen. Sie werfen dem Münchner Museum vor, einen Raub und dessen brandschatzenden Hintergründe bewusst zu vertuschen. „Ein erster Schritt wäre eine Tafel, die Museumsbesucher über die Geschichte des Schiffsschnabels aufklärt“, meint Eva Bahl, Aktivistin bei muc.

Doch wie es bei Geschichte immer so ist: Über diese Vorgänge in der Kolonie existieren verschiedene Versionen. Aus Sicht Prinz Kum’ a Ndumbes III. war es schlicht ein schändlicher Raubzug im deutschen Eroberungskrieg. Stefan Eisenhofer sieht das anders: „So einfach lässt sich das nicht erklären“. Die Deutschen hätten ein Schutzabkommen für den Handel mit den Douala-Fürsten geschlossen. Dieses Handelsabkommen habe auch Zahlungen des Deutschen Reiches vorgesehen. Da die Verteilung unter den Fürsten nicht klappte, sei es zum Bürgerkrieg gekommen. Im Zuge dieses Bürgerkriegs kamen die Deutschen den verbündeten Fürsten zur Hilfe. Lock Priso hatte das Abkommen nicht unterzeichnet. Die Truppen des Kaisers brannten seinen Herrschaftssitz nieder und Max Buchner nahm den Königsschatz mit.

Eisenhofer stört die einseitige Bewertung der Ereignisse durch Kolonialaufarbeiter von heute. Ihn störe die „klischeehafte Darstellung“. Diese Fürsten seien „keineswegs unterdrückte und geknechtete Untertanen“ gewesen, „sondern durchaus selbstbewusste Akteure, die aus dem Abkommen mit den Deutschen Nutzen ziehen wollten.“

Stefan Eisenhofer hat inzwischen ein Dossier über den Schiffsschnabel in Auftrag gegeben. „Wenn dieses Dossier abgeschlossen ist, können wir auch die Tafeln neben den Kunstwerken austauschen und um die Erwerbungsgeschichte erweitern.“ Das kann aber noch dauern. Das Thema habe sich als umfangreicher herausgestellt als angenommen.

Derweil kündigt Eisenhofer eine große Umgestaltung der Afrika-Austellung an. So soll generell die Geschichte der Ausstellungsstücke beleuchtet werden. Wann der politisch korrekte Umbau des Museums beginnen soll ist noch unklar, denn dafür fehlt – wie so oft – das nötige Geld.

Dokumentation:

Der Aufruf des Prinzen vom 22. Dezember 2009 im Wortlaut:

“22. Dezember 1884 – 22. Dezember 2009

Vor 125 Jahren haben Kameruner Nein zum europäischen Kolonialismus gesagt.

“Ich bitte Sie, diese Fahne vom Mast herunterzuholen. Niemand hat uns gekauft. Sie wollten uns mit viel Geld bestechen, wir haben es abgelehnt. Ich bitte Sie, uns unsere Freiheit zu lassen und keine Unordnung zu uns zu bringen”.

Mit diesen Worten wandte sich der König der Bele Bele (Bonabéri, damals Hickory Town genannt), Kum’a Mbape alias Lock Priso, am 28. August 1884 schriftlich an den deutschen Konsul. Kum’a Mbape, der einzige König in Cameroons, der sich weigerte, den Vertrag vom 12. Juli 1884 zu unterschreiben, hatte sowohl in den Rängen seines Neffen King Bell, Ndumb’a Lobe, der auf der Seite von Bonanjo regierte, als auch in denen von King Akwa, Dika Mpondo und denen von King Dido, Jim Epée Ekwalla seine Anhänger.

Der deutsche Unterhändler Eduard Schmidt schrieb Folgendes an seinen Arbeitgeber, den Großhändler Woermann, welcher bereits bedeutende Geschäftsinteressen in Cameroons hatte: „Gestern abend, nachdem wir mit King Aqua, King Bell und Green Joss eine Besprechung über diese Punkte hatten, zogen Aquas Neger und eine Menge Boys jodelnd und schreiend immer an unserer Beach (Strand) vorüber, sich in den rüdesten Ausdrücken über King Aqua und King Bell ergehend, dieselben anklagend, dass sie ihr Land an die Germans verkauft und sie zu Sklaven gemacht hätten. Die Feder sträubt sich zu schreiben, welche Insulte wir von diesen Kerls hinnehmen mussten…Die Aufzüge wiederholen sich leider soeben wieder.“

In einem anderen Vermerk schreibt derselbe Schmidt: „Ich blieb bis 3 Uhr nachts bei King Bell, erreichte aber zu meinem Bedauern nicht meinen Zweck, denn King Bell war durch die drohende, ablehnende Haltung seiner und Aquas Leute so eingeschüchtert, dass er erklärte, nichts ohne den Willen seiner Untergebenen zu tun.“

Die Ankunft des deutschen Kriegsschiffes „Möwe“ am 11. Juli 1884 auf dem Cameroons River (Wouri Fluss) beruhigte diese Könige. King Bell unterschrieb am 12. Juli sogar im Inneren des Kriegsschiffes. Der deutsche Konsul Dr. Max Buchner schreibt ein Jahr später im Juli 1885:

„Unsere Besitzergreifung hat überhaupt für alle Kamerunhäuptlinge so viel Unangenehmes zur Folge gahabt, dass sie gern das Geschehen rückgängig machen würden, falls sie könnten“ In der Folge finden Kämpfe in Bonanjo, Akwa, Deido und Bonabéri statt. In Begleitung der King Bell und King Akwa loyal gebliebenen Truppen wird Bismarcks Reichsmarine Hickory Town (Bonabéri) bombardieren und mit mehr als 300 deutschen Soldaten stürmen. Sie werden dort niemanden finden, da Kum’a Mbape zuvor den Rückzug befohlen hat.

Dies kann als die Geburt des bewaffneten Widerstands gegen den Kolonialismus in Kamerun bezeichnet werden. Der deutsche Konsul Dr. Max Buchner erzählt ausführlich :

„2. Dezember (1884) – Die Olga wirft einige Granaten aus ihren Geschützen nach Hickory Town, weil dort Feinde gesehen worden sein solle (…) Dann wieder Landungsmanöver. Das Hgaus des Lock Priso wird niedergerissen, ein bewegtes malerisches Bild. Wir zünden an. Ich habe mir aber ausgebeten, dass ich einzelne Häuser vorher auf ethnographische Merkwürdigkeiten durchsehen darf. Meine Hauptbeute ist eine große Schnitzerei, der feudale Kahnschmuck des Lock Priso, der nach München kommen soll.“

Vor 125 Jahren hat also das deutsche Kolonialregime durch militarische Macht und mit Hilfe von Strohmännern den Tangué der Bele Bele als Kriegsbeute geraubt, um ihn ins ethnographische Museum, dem Münchener « Völkerkundemuseum » zu sperren, dessen Direktor der gleiche Dr. Max Buchner später werden wird.

Ich, Prinz Bele Bele, Kum, Sohn von Ndumbe III., selbst Sohn von Kum’a Mbape (Lock Priso), an diesem 22. Dezember 2009, 125 Jahre nachdem koloniale und neokoloniale Politiken unsere Gesellschaftsordnungen nachhaltig zerstört haben, ehre all diese Kameruner/innen, die mit Klarsicht und Tapferkeit den Kolonialismus von Anfang an abgelehnt haben, und erkläre feierlich : «Ich verlange von der deutschen Regierung, dass der Tangué meines Grossvaters Kum’a Mbape, der als Kriegsbeute geraubt wurde, mir, meiner Familie und unserem Volk zuzüglich entsprechender Entschädigungen zurückgegeben wird, wie die aktuell geltenden internationalen Konventionen es vorsehen. Der dauerhafte Frieden und die Aussöhnung zwischen den Nationen/ Kulturen lassen sich nur realisieren, wenn fundamentale Ungerechtigkeiten durch Reparationen ausgeglichen werden. »

Ich würdige die Deutschen, die sich in Deutschland organisiert haben, damit der Tangué der Bele Bele nach Kamerun zurückkommt.

So sei es !

In Bonabéri, ehemals Hickory Town, den 22. Dezember 2009.

Prince Kum’a Ndumbe III
Le Prince Bele Bele

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