Kultur

Ich bin ein anderer

Markus Michalek

Trevanian
Der Münchner Web-Poet Kapinski schreibt in mucbook jede Woche vom Autorendasein – heute über die Lust an Pseudonymen.

Den Herren auf diesem unscharfen Foto dürften die Wenigsten kennen, seinen wahren Namen schon gar nicht – jahrelang rankten sich Geheimnisse um seine Person. Schließlich veröffentlichte er seine Bücher ausschließlich unter dem Pseudonym Trevanian. Bürgerlich hingegen hieß er Rodney Whitaker. Warum also die Maskerade?

Autoren lieben ihre Pseudonyme. Was der eine nicht schreiben kann/darf, darf/kann der andere dafür umso mehr. Das hat seinen Sinn, vom Experimentierfreudigen, Geheimnisvollen (oder beruflichen, privaten, gesellschaftlichen, notwendigen Gründen) einmal abgesehen. Muss man als Erklärung wirklich das viel zitierte Vorwort aus mille plateaus bemühen: „Wir haben den Anti-Ödipus zu zweit geschrieben. Da jeder von uns mehrere war, ergab das schon eine ganze Menge.“ Vielfalt ist es schließlich, die das Leben lebenswert und einen Menschen liebenswert macht.

Autoren hassen ihre Pseudonyme. Nur,wir sollten vorsichtig, ja liebevoll mit ihnen umgehen. Einmal da, bleiben sie hartnäckig, so sehr man sich manchmal auch bemüht, Ihnen den Garaus zu machen. Sie sind kein Mantel, den man sich heute noch nach Belieben umhängt, im nächsten Winter aber in die Altkleidersammlung gibt, nur weil dieser Mantel vielleicht ein wenig unmodisch erscheinen mag. Ebenso wenig ist es nötig, ein Megaspektakel um ein Pseudonym zu zelebrieren. Ein klarer Satz dazu genügt. Andernfalls läuft eine künstlerisch wertvolle Tradition in Gefahr, zur reinen Farce zu verkommen.

In eigener Sache: Ich werde manchmal mit dem Namen Kapinski begrüßt. Das ist etwas, was mich dann sauer aufstoßen lässt. Denn Kapinski ist nicht etwa nur ein Pseudonym, es ist eine Figur. Eine, die nur in bestimmten Bereichen existiert, ja sogar nur existieren darf. Die, um einem literarischen Anspruch gerecht zu werden, andere Sachen schreibt, als Markus Michalek. Warum? Die Antwort gibt der französische Schriftsteller Arthur Rimbaud, der wusste das schon jung: Je est un autre.

Um etwaige Pathologievorwürfe vorwegzunehmen: von therapeutische Seite seien bislang keine Befürchtungen vorhanden, hieß es auf meine besorgte Nachfrage. Das beruhigt und man fühlt sich in der Gesellschaft von anderen Autoren und ihren zugehörigen Künstlernamen geborgen. Und falls irgendwann der Tag kommen mag, an dem der eine Name den anderen verschlingt, dann ist das eben so.

Nachtrag I: Wenn das Ich ein Anderer ist, wer bist Du dann eigentlich?

Nachtrag II: Es sollte also heißen: Du schreibst auch als Kapinski, richtig? Etwas, was ich ohne zu zögern mit „Ja“ beantworten werde.

Nachtrag III: Und zugegeben, ist es mir immer schon ein Spaß gewesen, mich als Kapinski auf diversen Gästelisten eintragen zu lassen.

Nachtrag IV: Denn mal ganz ehrlich, wer von uns würde nicht manchmal gern in ein anderes Ich schlüpfen, und sei es nur probeweise für einen Tag?

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