Nach(t)kritik

Eiskalt und Herzlos

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Es kann jede treffen, immer und überall. Das habe ich für mich aus der hochdramatischen Uraufführung von “Kalteis” nach dem Roman von Andrea Maria Schenkel des Jungen Schauspiel Ensemble München mitgenommen. Ich gestehe, mit dem Roman konnte ich nicht besonders viel anfangen, aber die szenische Umsetzung hat mir außerordentlich gut gefallen. Erzählt im Stile einer Moritat mit einem Bänkelsänger (Stefan Straubinger)zu Beginn, der auch den Rest des Abends mal drohend, mal fröhlich musikalisch untermalte. Die Bühne (Mark Späth) ist eher zeitlos, fächerförmig an der Wand aufgereihte Bierbänke symbolisieren das Wirtshaus oder die Wiesn, zwei verschiebbare gekachelte Wände die Räume. Die Kostüme von Aylin Kaip platzieren die Handlung sehr konkret in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg, dennoch könnte das Stück auch im Heute spielen.

kaleis-a-0358Joseph Kalteis wird gefasst, als er ein 12-jähriges Mädchen überfällt. Von da ab wird sein Leben in Rückblenden erzählt, teils szenisch, teils in direkter Ansprache. Mit seiner hervorragenden Personenregie zeichnet Regisseur Michael Stacheder das eindringliche Portrait eines Getriebenen, der Frauen missbraucht und ermordet. Als zweiter Strang wird das Leben von Kathi aus Wolnzach erzählt, ein exemplarisches Beispiel für ein junges, naives Mädchen, das vom Land in die Großstadt kommt und dort immer mehr abrutscht. Abgerundet wird das ganze durch kurze Einblicke in das Leben von drei anderen Mordopfern und ihrer nächsten Verwandten. Ich habe mich ein bisschen schwer getan, die Ereignisse im Kopf zu sortieren, aber der Faszination dieser nachwirkenden Schlaglichter konnte ich mich nicht entziehen.kaleis-a-2078

Regisseur Michael Stacheder hält die Spannung über den gesamten Zeitraum des drei Stunden dauernden Theaterabends, erlaubt dem Zuschauer aber Hin und Wieder auch einen kleinen, befreienden Lacher, etwa wenn ein Mann die alte Bösl spielt, oder ein Dialekt besonders komisch gerät. Ansonsten wären wir wohl alle am Ende mit abgeknabberten Fingernägeln da gesessen.  Da ist keine Geste übertrieben oder zu wenig, präzise und ohne überflüssigen Schnickschnack spielen die Darsteller ihre diversen Personen.

Dabei präsentiert sich das Junge Schauspiel Ensemble München wieder in bester Form. Bis auf Joachim Aßfalg, der den Joseph Kalteis authentisch und tiefgehend spielt, schlüpfen alle Darsteller in verschiedene Rollen und zeigen damit insbesondere ihre Wandlungsfähigkeit und Vielfalt. Besonders berührt hat mich das intensive Rollenportrait der Walburga Kalteis, Josephs Geliebte und spätere Frau, durch Ulrike Dostal. Ausgezeichnet agierte auch Theresa Hanich als naives Mädchen Kathi, die in der Großstadt verloren geht und erwachsen werden muss. Ebenfalls beeindruckend schlüpfte Nina Bernreuther in ihren diversen Rollen und auch Marlen Poebig konnte insbesondere in der Rolle Mordopfer Kunigunde Adlhoch überzeugen. Thomas Trüschler und Robert Ludewig ergänzten diesen hochklassigen Abend mit hervorragendem Spiel.

kaleis-a-0485Weitere Vorstellungen am 25.3. sowie 26. und 27.4. Karten zu 24.00 € (erm.: 19.20 €), 20.00 € (erm.: 16.00 €) oder 16.00 € (erm.: 12.80 €) auf der Homepage des Kleinen Theater Haar.

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