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Faszination Film – So war’s bei unserer CREATIVE SESSION am 18. Januar

Simon Hirler

Bei unserer ersten CREATIVE SESSION im neuen Jahr drehte sich diesmal alles um die Lage der deutschen Filmbranche: Wie geht es der deutschen Filmwirtschaft und den Filmschaffenden Münchens? Wie hat sich die Branche in Zeiten von Streaming und KI verändert? Und wie muss die Szene gefördert werden, um sich international beweisen zu können?

Das waren unsere Gäste:

Vom Drehbuch bis zur Postproduktion – auch dieses Mal konnten wir mit unserem interdisziplinären Panel wieder umfassende Einblicke in die verschiedenen Sparten der deutschen und vor allem der Münchner Filmbranche gewinnen. Der Start in die Szene und die alltägliche Arbeit der Filmschaffenden ist aber oft nicht leicht, wie unsere Speaker*innen berichteten.

Die Drehbuchautorin Oliwia Strazewski wünscht sich deshalb mehr Struktur im Filmgeschäft. Nach ihrem Drehbuch-Studium an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen arbeitete sie als Autorin für verschiedene Serien und Filme, 2021 schuf sie für ZDF NEO ihre eigene Mystery-Serie „Another Monday“. Gerade für Autor*innen und Kreative sei die deutsche Branche aktuell „wie der wilde Westen“, es fehle an Support-Netzwerken für junge Talente und allgemeiner Struktur im Business. Für sie ist die Zusammenarbeit mit einer Agentur deshalb unerlässlich, um einerseits als Autorin in der Branche fair behandelt zu werden und andererseits Kontakte und Netzwerke aufzubauen zu können.

Wie wichtig Kontakte und enge Zusammenarbeit in der Szene sind, weiß auch Ana de Mier y Ortuño. Die Filmeditorin war schon für den Schnitt von Kinofilmen wie „Was man von hier aus sehen kann“ (2022) oder „Oskars Kleid“ (2022) verantwortlich. Ein gelungener Roh- und Feinschnitt funktioniere nur über die persönliche Zusammenarbeit mit den Regisseur*innen, sagt sie. Für die Branche allgemein wünscht sie sich mehr Diversität, sie fordert aber auch besser geregelte Arbeitszeiten für ihren eigenen Beruf: Für Filmeditor*innen sind bisher Arbeitstage von mehr als 10 Stunden die Regel, das sei schlichtweg zu viel Zeit vor dem Rechner, findet sie.

Auch für Philipp Ernst war das Knüpfen von Kontakten und das Kämpfen um Anerkennung in der Branche eine anfängliche Herausforderung: Mit seiner Musikproduktionsfirma Century Rolls Music arbeitet Ernst an der Vertonung verschiedenster Produktionen – vom Werbespot bis zum Kinofilm. Für seine Arbeit haben er und sein Team auch schon den Bayerischen Filmpreis für die Filmmusik des Films „Lara“ (2019) erhalten. Im „people business“ Film müsse man sich sein Standing erkämpfen, sagt er. Es sei ein langer Weg gewesen, bis er und sein Team an den Filmproduktionen arbeiten konnten, die sie auch wirklich machen wollten. Für die deutsche Branche wünscht er sich eine stärkere Internationalisierung. Der deutsche Film stehe im internationalen Vergleich relativ schlecht da, was für Ernst auch mit den Förderbedingungen der Branche zusammenhängt.

Über die Situation der deutschen Filmförderung weiß Anja Metzger bestens Bescheid: Sie ist Leiterin der Film Commission Bayern, die die erste Anlaufstelle für nationale und internationale Porduktionen im Freistaat darstellt. Die Commission ist einerseits für die Bewerbung des Filmstandorts Bayern zuständig, sie unterstützt aber auch die Produktionen vor Ort. Für das Tagesgeschäft bedeutet das die Akquise von internationalen Produktionen, die Motivsuche, das Organisieren von Drehgenehmigungen und generell alles, was die „Umsetzung der kreativen Leistung“ der Autor*innen betrifft. Metzger findet die deutschen Fördersysteme klar „ausbaufähig“, um den Standort Bayern/Deutschland im internationalen Vergleich attraktiv zu gestalten. Neue große Drehstandorte wie die „Penzing Studios“ bei Landsberg am Lech bieten zwar „großes Potenzial“ für die Branche, aber insgesamt gebe es aktuell eine merkbare „Produktionsdelle“. Der Grund sind unter anderem die gestiegenen Produktionskosten und günstigere Produktionsbedingungen in anderen Ländern.

Das Auf und Ab der deutschen Filmbranche

Die Trends und medialen Entwicklungen der letzten Jahre haben auch das Arbeiten der Filmschaffenden stark beeinflusst: Für Ernst ist vor allem der Lizenzkauf von Musik durch große Streaminganbieter eine Herausforderung, auch die Vergütung beim Ausspielen im Internet also z.B. in Mediatheken ist vergleichsweise gering. Andere Berufe hingegen haben vom Boom der „Streamer“ profitiert – zumindest anfangs. Zu Beginn der Covid-19-Pandemie etwa, als die ganze Welt vor Netflix und co. auf dem Sofa lag, waren Filmeditor*innen extrem gefragt. Streaminganbieter haben Editor*innen im großen Stil „weggekauft“, erinnert sich de Mier y Ortuño. Viele schafften so einen leichten Einstieg in die Branche und auch die Bezahlung verbesserte sich. In den letzten Jahren gehe die Lohnkurve jedoch steil nach unten: „Die Leute reißen sich um die großen Projekte“, sagt sie.

Der Grund hierfür liege im veränderten Nutzerverhalten, erklärt Metzger. Der Corona-Streaming-Boom sei vorbei, auch die Produktionsfirmen seien wählerischer geworden. Die Auswahl der Produktions- und Drehorte orientiere sich mittlerweile oft an letzten Erfolgen: Beispielsweise sei Spanien für die Filmstudios lange so ein Erfolgsstandort gewesen, sagt Metzger. Aber auch die gestiegenen Energiekosten führten zu „mehr Druck und weniger Drehtagen“, weshalb eine wirtschaftliche Standortwahl umso wichtiger geworden ist. Für die Zukunft des Medienstandortes Bayern gebe es große Chancen, meint sie.  Die Filmförderung im Freistaat deckt die gesamte Produktionskette ab und finanziert „von Unterhaltung bis ArtHouse“ verschiedenste Projekte. Auch wurden die Fördermittel nach Ende des Booms nicht gekürzt, im Gegenteil: Es gebe sogar Gerüchte um eine weitere Erhöhung in nächster Zeit, berichtet Metzger. Da die Produktionsfirmen die Standorte eindeutig nach den besten Förderungen auswählen würden, sei dies klar der richtige Schritt.

Deutsche Filmkultur – nur „Krimi und Schweighöfer“?

Trotz diesen positiven Entwicklungen hat der deutsche Film ein generelles Imageproblem, nicht nur international, sondern auch in heimischen Kinos. „Gerade deutsche Filme haben es in Deutschland schwer“, sagt Strazewski. Für sie liegt dieses paradoxe Problem hauptsächlich an den Sehgewohnheiten und der doch recht eigenen Filmkultur im Land. Die Geldbringer der Branche seien nach wie vor „Krimi und Schweighöfer“. Neuem und Unbekanntem stehe der deutsche Zuschauer mit großer Skepsis gegenüber, meint sie.  Das sieht auch Ernst so: „Wir denken nicht für den internationalen Markt!“ Der deutsche Film habe leider ein Image als Fernsehfilm, das liege auch an der Macht der Sender: Mit deren Geld gehe auch viel Einmischung einher, Platz für Kreativität bliebe da kaum. Die Filmlandschaft könne sich nur ändern, wenn man Risiken eingeht und sich seine kreativen Freiheiten erkämpft, meint er. Dann würde der deutsche Film auch international mehr Beachtung finden.

Chance und Herausforderung: KI in der Filmbranche

Auch das Thema KI beschäftigt die Filmschaffenden: Für Autor*innen wie Strazewski ist ChatGPT ein „großartiger Brainstorming-Partner“, wenn es um frische Ideen oder „Kleinigkeiten“ in der Drehbuchhandlung geht. Sie ist sich auch sicher, dass KI ihren Beruf nie übernehmen wird: Modelle wie ChatGPT würden eben doch nur auf Bekanntes zurückgreifen, aber „echte Kreativität“ fehle ihnen. Auch das Problem von KI und Urheberrechten sei für sie selbst noch kein Thema.  De Mier y Ortuño geht es ähnlich, auch sie verwendet KI im Schnitt. Beispielsweise in der Vertonung, per Sprach-KI kann man mittlerweile Dialoge nachbauen und so die Betonung der Schauspieler anpassen. Solche Tools sind für sie eine gute Unterstützung, aber insgesamt sagt sie klar: „Film ist zu persönlich, um von KI gemacht zu werden!“ Beim Thema Filmmusik und KI ist Ernst hingegen eher kritisch. „Das wird sehr schnell sehr stark kommen“, meint er. Auch wenn sich zum Beispiel klassische Musik bisher nicht einfach so generieren ließe, sei die Entwicklung für Künstler*innen bedenklich. Er merkt aber auch an, dass allein die richtige Auswahl der Filmmusik ein „persönlicher Prozess“ sei, den KI immer nur nachahmen kann.

Was kann München für Filmschaffende leisten?

Was den Medienstandort München angeht, wünschen sich unsere Speaker*innen mehr Unterstützung und einen allgemeinen Sinneswandel. Natürlich hat die Filmförderung keinen Einfluss auf die bekannten Probleme wie hohe Mietpreise und Lebenskosten, aber gerade was die Bereitstellung von Produktionsräumen oder die Nachwuchsförderung in der Branche angeht, gibt es „viel zu tun“, meint Metzger. Man müsse gezielt Nachwuchs ausbilden und Räume schaffen, sagt sie. Dem stimmt auch de Mier y Ortuño zu: Gerade Praktikant*innen müssen stärker gefördert und der Einstieg in die Branche erleichtert werden. Ein erster Schritt in diese Richtung ist das Programm „skills in progress“ der deutschen Filmförderung, sowie ein neues Anreizsystem für Praktikant*innen und Frauen in Führungspositionen. Darüber hinaus wünscht sich Metzger einen Wandel im gesamten Förderkonzept: Die Vergabe der Gelder durch verschiedene Gremien sei ein „Macht-System“ mit viel Einfluss. Im Vergleich dazu fehle es an einfachen Anreizen wie etwa Steuervergünstigungen. Ernst unterstützt diesen Ansatz, man müsse mehr aus den Förderungen rausholen, um Branchenunternehmen nach München zu holen und hier zu halten. Aber auch im Anspruch müsse München raus aus der „bayrischen Suppe“ und sich filmisch mehr trauen. Auch Strazewski findet, dass sich die Branche grundlegend ändern muss. Sie fordert bessere Bezahlung und mehr Respekt für Autor*innen, aber auch einen stärkeren Fokus auf Diversität. Momentan würden einfach „viele Stimmen im Business fehlen“, da sowohl das Filmstudium als auch der Einstieg in die Branche für viele finanziell nicht stemmbar ist. Perspektiven von weniger privilegierten Autor*innen schaffen es so nur selten auf die große Leinwand. Insgesamt sind sich die Filmschaffenden aber einig, dass die Branche in Bayern gute Grundlagen bietet, um diese Probleme anzugehen und sich so auch in Zukunft zu behaupten.

Die PERLE ist eine neue Zwischennutzung von MUCBOOK CLUBHAUS in Kooperation mit dem STEINCHEN KULTURCAFÉ und dient als neue Kulturstätte für Debatten, Kultur, Kunst und Impulse in Laim. Ziel der vom Freistaat Bayern, der Landeshauptstadt München, dem Bezirksausschuss sowie dem Eigentümer Urban Progress unterstützten Zwischennutzung ist es, einen Wohlfühlort und Treffpunkt für die Kreativ- und Kulturszene Münchens, aber auch für die Bewohner:innen Laims zu schaffen.

Vielen Dank an dieser Stelle auch an die Möglichmacher dieser Veranstaltungsreihe, insbesondere das Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie als Fördergeber, aber auch an das Team von bayernkreativ für die Antragsbearbeitung.

Die Zwischennutzung wird ermöglicht durch den Bauherren Urban Progress.
Dieses Projekt wird mit Mitteln der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert sowie der Landeshauptstadt München und dem Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft kofinanziert.


Text: Simon Hirler

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