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Games: „Zwischen Kultur und Wirtschaftsfaktor“ – So war’s bei unserer CREATIVE SESSION am 7. März

Simon Hirler
Bei unserer CREATIVE SESSION in der PERLE stand diesmal die Münchner Gamesbranche im Mittelpunkt. Unter der Moderation von MUCBOOK-Redakteur Moritz Müllender konnten wir zusammen mit Expert*innen der Branche einen Einblick in die Situation der Münchner Gamesszene gewinnen. Dabei wurden Themen wie Rolle des Standorts München, die kulturelle Verantwortung der Branche und aktuelle Trends der Szene diskutiert.

Der Games-Standort München

Kein Medium hat in den letzten Jahren einen solchen Hype erfahren wie das der Videospiele. Rund 54 Prozent der Deutschen „zocken“ zumindest gelegentlich, bei den 16- bis 29-Jährigen sind es ganze 85 Prozent. Die Branche der Spielemacher*innen wächst stetig, auch am Standort München. Dabei zeigt sich die Szene oft persönlicher und lokaler, als man das beim globalen Phänomen Gaming erwarten würde: Robin Kocaurek ist Entwickler beim Münchner Games-Studio JumpyBit und dort für Konzeption und Umsetzung im Gamedesign zuständig. Für ihn ist besonders die lokale Vernetzung der Branche anerkennenswert. In jeder Großstadt gebe es eine „eng geflochtene Szene“ aus passionierten Spielemacher*innen, die zusammenarbeiten und sich vernetzen. Deshalb engagiert sich Kocaurek auch stark in der Münchner Community. Er hat beispielsweise das Projekt „House of Games“ mitangestoßen, das vom bayerischen Digitalministerium realisiert wird.

Das House of Games soll als neuer „Begegnungsort für Entwickler*innen und Spieler*innen“ dienen und den kreativen Austausch in der bayerischen Branche fördern. Für Kocaurek ist das sehr wichtig, die Szene lebe gerade von diesen „kleinen sozialen Kollisionen“ der Spielemacher*innen untereinander. Das kann auch Lena Fischer bestätigen: Sie war lange in der Games-Förderung des Freistaats „Games/Bavaria“ tätig und hat den Münchner Game-Jam ins Leben gerufen: Auf einem Game-Jam treten verschiedene Entwickler*innenteams gegeneinander an und haben in der Regel 42 Stunden Zeit, um ein fertiges Spiel zu bauen. Dabei gehe es auch viel um das gemeinsame Brainstormen und Experimentieren, sagt Fischer. Gerade solche Events würden das Engagement und die „Flamme“ der Branche deutlich zeigen. Deshalb brauche es auch mehr gemeinsame Räume für die Szene im Freistaat.

Das hat laut Fischer auch die bayerische Politik verstanden. Der Freistaat sei mittlerweile Vorreiter in der deutschen Games-Förderung. Für die Politik liege die bayerische Spielebranche „irgendwo zwischen Kultur und Wirtschaftsfaktor“ und erhalte deshalb vermehrt Unterstützung. In München selbst gebe es aber noch viel zu tun. Andere Städte wie Bayreuth oder Nürnberg mit seinem Haus des Spiels seien da deutlich weiter. Auch Kocaurek findet es „unendlich schade“, dass in München momentan kaum Begegnungsstätten für Gaming-Communitys existieren. Er sieht die Stadt hier in der Verantwortung und findet, dass das House of Games ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung ist.

„Zocken“ als Kulturgut

Unsere Speaker*innen sind froh, dass Gaming mittlerweile zum Massenphänomen und festem Bestandteil der Pop- und Internetkultur geworden ist. Kaum ein Hobby schweiße so sehr zusammen wie das gemeinsame Spielen, meint Kocaurek: Um Videospiele herum hätten sich mittlerweile riesige Communitys entwickelt, sei es im ESport oder auch im „passiven Konsum“, also z. B. über YouTube oder Twitch.

Das Medium hat aber auch andere Bereiche der Kreativwirtschaft mitgeprägt. Gerade beim Thema Storytelling und Interaktivität habe die Gamesbranche die Art, wie in Film und Literatur Geschichten erzählt werden, stark beeinflusst, sagt Fischer: Die Branche traue sich einfach, neue Ansätze nach dem Trial-and-Error-Prinzip auszuprobieren. Breite Teile der Kulturlandschaft könnten von diesem Ansatz lernen und täten das auch.

Mit dem neuen Status von „Zocken als Kulturgut“ kommt aber auch eine neue Verantwortung auf die Branche zu. Gerade die „Killerspiel“-Debatten der letzten Jahre haben das Bild des Hobbys und seiner Konsumt*innen negativ geprägt. Die Branche komme klar aus einem „männlich geprägten Umfeld“, sagt Kocaurek. Auch das Entwickeln sei nach wie vor eine „Männerdomäne“. Auf der Seite der Konsument*innen hat sich das Bild aber gewandelt: Laut Statista sind rund 50 % aller Spielenden Frauen. Auch die Inhalte der verschiedenen Games sind vielfältiger geworden: Gerade im Indiebereich würden sich kleine Entwicklungsstudios trauen, „verschiedenste Blickwinkel“ anzusprechen und Stereotype aufzubrechen, sagt Fischer. Themen wie Feminismus, Queerness oder mentale Gesundheit finden so ihren Platz in der Gaming-Kultur und erzeugen neue diverse Communitys.

Spielemachen als Beruf

Die verschiedenen Fanbases und Communitys haben aber auch die Arbeit der Entwickler*innen verändert. Mittlerweile wollen viele Fans ihre persönlichen Wünsche in den Spielen verwirklicht sehen. Entwickler*innen und Studios seien stark von der öffentlichen Meinung abhängig, sagt Kocaurek. Und da das Spielemachen „einfach eine persönliche Angelegenheit“ sei, gehe einem das Feedback der Spieler sehr nahe. Fischer stimmt dem zu: Viele Spieler*innen hätten mittlerweile hohe Ansprüche und würden in der Entwicklung „mitreden“ wollen. Das Zusammenarbeiten mit den Communitys kann aber auch Vorteile bieten: Im Trend der Co-Creation werden Spieler*innen mittlerweile sogar direkt in den Entwicklungsprozess eingebunden und geben bereitwillig Feedback für den Feinschliff des Spiels. Hier zeigt sich wieder der gemeinschaftliche Aspekt der Szene.

Auch für die Münchner Szene wünscht sich Fischer mehr „Gemeinschaft und Vielfalt“ sowie Räume, um das Medium Games zu feiern. Kocaurek stimmt dem zu. Er hofft auf eine ordentliche Umsetzung des House of Games als Ort des Zusammenkommens und Spielens. 


Die PERLE ist eine neue Zwischennutzung von MUCBOOK CLUBHAUS in Kooperation mit dem STEINCHEN KULTURCAFÉ und dient als neue Kulturstätte für Debatten, Kultur, Kunst und Impulse in Laim. Ziel der vom Freistaat Bayern, der Landeshauptstadt München, dem Bezirksausschuss sowie dem Eigentümer Urban Progress unterstützten Zwischennutzung ist es, einen Wohlfühlort und Treffpunkt für die Kreativ- und Kulturszene Münchens, aber auch für die Bewohner:innen Laims zu schaffen.

Vielen Dank an dieser Stelle auch an die Möglichmacher dieser Veranstaltungsreihe, insbesondere das Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie als Fördergeber, aber auch an das Team von bayernkreativ für die Antragsbearbeitung.

Die Zwischennutzung wird ermöglicht durch den Bauherren Urban Progress.
Dieses Projekt wird mit Mitteln der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert sowie der Landeshauptstadt München und dem Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft kofinanziert.

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