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Die Medienbranche in der Verantwortung – So war’s bei unserer CREATIVE SESSION am 11. März

Simon Hirler

Unsere CREATIVE SESSION in der PERLE hatte dieses Mal die aktuelle Lage der Münchner Medienbranche zum Thema. Gemeinsam mit einem interdisziplinären Panel aus Lokaljournalist*innen und Branchenexpert*innen wurden Themen wie der verantwortungsvolle Umgang mit KI, überzeugende Führungskultur sowie die Rolle und Zukunft des Lokaljournalismus in München diskutiert.

Lokal und relevant? – zur Zukunft des Lokaljournalismus

Der Journalismus steht unter Druck, nicht nur die großen Medienhäuser haben mit sinkenden Abozahlen und der Entwicklung neuer Erlösmodelle zu kämpfen. Im Lokaljournalismus ist die Situation ähnlich, den Mut zu verlieren wäre aber die falsche Reaktion. Das meint auch Johannes Ott, Geschäftsführer von Radio Gong 96.3. Er spricht sich für mutiges Handeln und Innovation in der Branche aus: „Wir machen social radio“, sagt er, sein Sender wolle nicht nur berichten, sondern auch „das Leben in München besser machen und mit den Hörern Dinge bewegen“. So könne man im Radio gleichzeitig lokal und relevant bleiben, meint er, denn als Hauptmusikquelle diene das Radio schon lange nicht mehr. Gerade deshalb setzt Radio Gong seinen Fokus auf Inhalte, guten Lokaljournalismus, Unterhaltung und Musik. Diese Mischung sei „extrem wichtig fürs Radio“, sagt Ott.

Dass es für Lokalmedien schwieriger geworden ist, relevant zu bleiben, weiß auch Jacqueline Hoffmann. Sie ist für einen Thinktank des MedienNetzwerks Bayern verantwortlich, der sich stark mit Web3 und KI in der Branche beschäftigt und Unternehmen miteinander vernetzt. Mittlerweile sei es für den Lokaljournalismus unabdingbar, verschiedenste Kanäle (Social Media, Audio, Video) zu bespielen und „Multichannel-Pakete“ für Konsument*innen sowie Werbepartner*innen anzubieten. Auch die Personalisierung von Angeboten mittels KI sieht sie als große Chance, um nachhaltig auf die schwankenden Interessen und Geldbeutel der Konsumenten eingehen zu können. Dafür müsse man sich trauen, kreativ zu sein und bewusst neue Wege und Formate auszutesten.

Genau diesen Schritt ist Lukas Paetzmann gegangen, als Geschäftsführer von Articly hat er sich dem Hör-Journalismus verschrieben. Mit Articly kann man Artikel, Hintergrundberichte und Analysen namhafter deutscher Outlets ganz einfach per App hören: „Wir produzieren Audioformate im deutschen Journalismus für Leute, die nicht alles lesen können oder wollen“, sagt er. Articly sei damit genau auf das veränderte Nutzungsverhalten der Konsument*innen abgestimmt und könne den Hörer*innen eine gute Informationsaufnahme im Alltag bieten – egal ob unterwegs oder auf der Couch. Er sieht Audioprodukte als Medium der Zukunft. Gerade hier könne KI ordentlich „Rückenwind“ für kleine Verlage bieten, da die Vertonung sowie Produktion von Inhalten deutlich einfacher und kostengünstiger werden. So könnten auch die kleineren Player am Ball bleiben und ihre Inhalte multimedial ausspielen.

Dieser Trend hin zu multimedialem Journalismus verändert die Ausbildung des Nachwuchses, wovon Klaus Kranewitter berichten kann. Er ist Programmleiter des Radiosenders M94.5 der Mediaschool Bayern, der als Ausbildungsplattform für Nachwuchsjournalist*innen und Radiomacher*innen dient. Kranewitter weiß, dass man gerade als Lokalmedium nie alle Kanäle bespielen kann, seiner Meinung nach gehe es darum, eine persönliche Sparte zu finden. Darauf sind auch die Ausbildungen, Praktika und Studierndenjobs bei M94.5 ausgelegt: Es gebe viele Möglichkeiten, die eigenen Stärken zu vertiefen, sein eigenes Feld zu finden und auch früh Verantwortung zu übernehmen. Diese Spezialisierung im Beruf wurde auch durch den KI-Boom bedingt, sagt er. Die neue Rolle der Redakteur*innen beinhalte eine enge Zusammenarbeit mit den verschiedenen Tools und Modellen, das gewissenhafte „Auditieren der KI-Outputs“ werde dabei immer wichtiger.

Verantwortungsvoller Journalismus mit KI?

Eins ist klar: KI ist hier, um zu bleiben. Unsere Speaker*innen sind sich darin einig, dass damit viele Umwälzungen auf die Medienbranche zukommen werden und jetzt schon lohnende Use-Cases existieren. Für Hoffmann ist das Schaffen von neuen Erlösmodellen ein großer Vorteil von KI. Durch personalisierte Werbung und plattformübergreifenden Content mittels KI schaffe nun auch „Nischencontent“ den Weg zu seinem Zielpublikum. Inhalte werden so leichter zugänglich und ganz neue Communitys können erschlossen werden. Das sieht auch Paetzmann so, für kleine Unternehmen sei das eine große Chance, zum Beispiel in der Produktion „nischiger Audioformate“ per KI. Auch Articly nutzt KI zur Textmodifikation, denn nicht alle Artikel, die sich gut lesen, lassen sich auch gut hören. Hier kann KI die Struktur der Texte anpassen und so ein bessere Hörerfahrung schaffen. Paetzmann weiß, dass dieses Thema nicht ganz unumstritten ist, er betont aber, dass am Inhalt der Texte nichts verändert werde und die Anpassungen in enger Absprache mit den Urheber*innen erarbeitet werden. Letztendlich gehe es darum, dass alle von der besseren Verwertung der Texte profitieren können, sagt er.

Auch der Sender M94.5 setzt bei administrativen Aufgaben und Workflows auf KI. Das erleichtere einfach den Alltag, damit man sich auf die eigentlichen Inhalte konzentrieren könne, meint Kranewitter. Gleichzeitig ermutigt er den Nachwuchs, mit den verschiedenen KI-Modellen zu spielen und neue Ideen auszutesten. Er betont aber, dass der Kern des Berufs immer der Mensch bleiben werde, das sei vor allem für das Vertrauen in den Journalismus wichtig. Dem stimmt auch Ott zu, die persönliche Komponente sei gerade im Radio entscheidend. Außerdem sei der aktuelle Stand von „synthetischen Stimmen“ in der Contentproduktion noch nicht ausgereift genug: „Das will keiner hören!“, meint Ott. Ein Use-Case, bei dem Ott aber gerne auf KI setzt, ist das Thema Radiowerbung: Mit der Plattform „RadioADMaker“ können Unternehmen unkompliziert eigene Radiospots mit KI produzieren lassen; Ott war an der Entwicklung des Startups beteiligt. Bisher sei das Buchen und Einsprechen-Lassen von Radiowerbung kompliziert und teuer, durch den RadioADMaker werde der ganze Prozess deutlich vereinfacht, sagt er. Dabei werden sogar künstliche Stimmen verwendet, diese würden bei kurzen Spots von etwa 30 Sekunden kaum auffallen. Für ihn sei es sehr wichtig, den Einsatz von KI in Zukunft in die richtigen Bahnen zu lenken.

Transparenz sei für den journalistischen Umgang mit KI sehr wichtig, sagt Hoffmann. Blindes Vertrauen und fehlende Kennzeichnung von KI-Inhalten könnten der Branche nachhaltig schaden und zu einem Vertrauensverlust führen. Das fürchtet auch Ott, man müsse sich die Sorgfalt behalten, das Vertrauen der Zuhörer zu verspielen „wäre gefährlich“. Gleichermaßen betont er aber, dass Journalisten ohnehin eine kritische Grundeinstellung teilen würden und so auch vorsichtig-skeptisch auf das Thema KI zugingen. Kranewitter bezeichnet KI als „größte Herausforderung für den journalistischen Nachwuchs“, denn die Attraktivität und der Stellenwert des Berufs würden sich damit wandeln. Ebenso werde das Publikum immer skeptischer, was KI-Inhalte betrifft. Laut Hoffmann wäre es deshalb sogar denkbar, dass „menschlicher Content“ in Zukunft einen höheren Stellenwert erhält als maschinell erstellte Texte. Einer Studie nach wären Konsumenten sogar bereit mehr für menschliche Inhalte zu zahlen. Das könne auch eine Chance für den Lokaljournalismus sein, meint Paetzmann: Er erklärt, dass „Hyperlokales“ ohnehin etwas von KI geschützt bleibe, da oft nicht genug Daten und Quellen zum Auswerten existieren würden. Ohne diese Daten könnten KI-Modelle nur schlecht arbeiten.

Gesunde Führungskultur in der Branche

Die vielen Trends haben die Arbeitskultur in der Medienbranche deutlich verändert. Gerade Führungspersonen müssten sich an dieses Klima anpassen, darin sind sich unsere Gäste einig. Einerseits müsse man seine Mitarbeiter*innen für den Umgang mit KI ausbilden, z.B in Workshops, die Hoffmann über das MedienNetzwerk Bayern organisiert. Dabei sei es wichtig, die Leute bei ihrem derzeitigen Wissensstand abzuholen und individuell auf Fragen und Ideen einzugehen. Für Kranewitter ist eine gesunde Feedbackkultur im Beruf zentral, das seien Fähigkeiten, die man bewusst mitausbilden und vorleben müsse. Dem stimmt Ott zu, als Geschäftsführer versucht er, gerade bei jungen Mitarbeiter*innen am Ball zu bleiben, denn oft hätten diese die innovativsten Einfälle. Gleichzeitig gelte es, Hierarchien wo möglich abzubauen und alte Organisationstrukturen aufzubrechen. Paetzmann sieht das ähnlich, ihm ist es wichtig mit dem hohen Tempo der Branche mithalten zu können und sich bei neuen Ideen „einfach zu trauen“, sonst riskiere man in der Branche unterzugehen.

Für die Münchner Medienbranche sehen unsere Speaker*innen große Herausforderungen aber auch Chancen: Hoffmann sieht im verantwortungsvollen Umgang mit KI eine gute Gelegenheit, neue Produkte und Communitys aufzubauen. Dabei gilt es aber transparent zu bleiben und die Konsument*innen mitzubilden. Für Ott liegt die Zukunft des Lokaljournalismus im bewussten Abgrenzen zu den großen Medienhäusern und globalisiertem Allerwelts-Content. Eine große Herausforderung seien aber die Finanzierung und der Aufbau von zukunftsfähigen Erlösmodellen. Auch Paetzmann sieht im „Hyperlokalen“ eine gute Zukunft für Münchens Journalismus. Bei der Arbeit mit KI müsse man jedoch darauf achten, seine Erlöswege nicht an Dritte abzutreten, sondern die eigenen Produkte auch selbst zu monetarisieren. Für Kranewitter als Ausbilder sind vor allem die hohen Kosten in München eine Hürde, die sich negativ auf den Nachwuchs der Branche auswirken. Das Preisniveau dürfe nicht zum Standortnachteil für München werden, sagt er.


Die PERLE ist eine neue Zwischennutzung von MUCBOOK CLUBHAUS in Kooperation mit dem STEINCHEN KULTURCAFÉ und dient als neue Kulturstätte für Debatten, Kultur, Kunst und Impulse in Laim. Ziel der vom Freistaat Bayern, der Landeshauptstadt München, dem Bezirksausschuss sowie dem Eigentümer Urban Progress unterstützten Zwischennutzung ist es, einen Wohlfühlort und Treffpunkt für die Kreativ- und Kulturszene Münchens, aber auch für die Bewohner:innen Laims zu schaffen.

Vielen Dank an dieser Stelle auch an die Möglichmacher dieser Veranstaltungsreihe, insbesondere das Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie als Fördergeber, aber auch an das Team von bayernkreativ für die Antragsbearbeitung.

Die Zwischennutzung wird ermöglicht durch den Bauherren Urban Progress.
Dieses Projekt wird mit Mitteln der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert sowie der Landeshauptstadt München und dem Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft kofinanziert.

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