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Was bedeutet die Cannabis-Legalisierung für München?
Legalisierung – aber wie genau eigentlich?
Das Thema der Cannabis-Legalisierung wurde seit seiner Aufnahme in den Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung im Jahr 2021 hitzig diskutiert. Mittlerweile weiß also vermutlich jede*r zumindest grob, was das „Cannabisgesetz“ beinhaltet, deswegen hier einmal nur die wichtigsten Punkte der Legalisierung im Überblick:
Ab dem 1. April werden der Besitz und Anbau von Cannabis für Erwachsene erlaubt. Zu Hause ist dann der Besitz von bis zu 50 Gramm und drei Hanfpflanzen zulässig, in der Öffentlichkeit darf man bis zu 25 Gramm mit sich führen. Auch der Konsum in der Öffentlichkeit ist dann erlaubt, jedoch nicht in einem Umkreis von 100 Metern um Schulen, Kitas, Spielplätze oder Sportstätten. Auch in Fußgängerzonen soll ein Kiffverbot von 7 bis 20 Uhr gelten. Mittlerweile existiert sogar eine digitale „Bubatzkarte“ auf der die erlaubten Bereiche markiert sind (Achtung: Angaben ohne Gewähr, die Karte dient nur der Veranschaulichung).
Die Abgabe von Cannabis wird zukünftig über sogenannte Anbauvereinigungen geregelt, die als rechtlich eingetragene Vereine oder Genossenschaften nicht gewinnorientiert produzieren oder verkaufen dürfen. Der geplante Starttermin für die Abgabe ist hier der 1. Juli. Die Mitgliederzahl ist auf 500 Mitglieder pro Verein beschränkt, die Abgabe von Cannabis ist nur an Mitglieder gestattet.
Einen Verkauf an Dritte nach dem Coffeeshop-Prinzip ist vorerst nicht erlaubt. In einem zweiten Schritt der Legalisierung ist das Einführen von Modellregionen bzw. -kommunen geplant, in denen der Verkauf durch Apotheken oder lizenzierte Geschäfte erfolgen soll.
Weiterhin verboten bleiben der Anbau und Besitz für Minderjährige, sie werden aber nicht strafrechtlich verfolgt. Stattdessen sollen Interventions- und Präventionsprogramme ausgebaut werden. Auch das Dealen, also die Weitergabe von Cannabis an Dritte, bleibt strafbar.
Gegenwind aus der Landesregierung – Befürwortung im Stadtrat
Obwohl mittlerweile auch der Bundesrat den Weg für die Legalisierung freigemacht hat, steht die bayerische Landesregierung weiterhin geschlossen gegen die Freigabe und rüstet sich gegen deren Konsequenzen: Laut der letzten Kabinettssitzung vom 12. März wolle man „die Regelungen im Freistaat einheitlich so restriktiv wie möglich auszulegen.“ Dafür soll eine „zentrale Kontrolleinheit“ zur strengen Überwachung der Anbauvereine eingerichtet werden, die Kosten belaufen sich dabei auf rund sechs Millionen Euro. Laut Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) wolle man insgesamt sicherstellen, dass Bayern trotz der Legalisierung nicht zur „Kifferhochburg“ mutiert. Die Argumente der Landesregierung haben sich seit Beginn der Debatte kaum verändert, sie warnt weiterhin vor dem hohen Suchtpotential der Droge, einer Ausdehnung des Schwarzmarkts und einem erheblichen Aufwand für Polizei und Verwaltung.
Deutlich für eine Freigabe von Cannabis spricht sich derweil die grün-rote Rathausregierung aus. In einem Antrag an den Stadtrat fordert die Koalition eine Bewerbung Münchens für die in Zukunft geplanten Modellregionen, Münchner*innen könnten Cannabis dann in lizenzierten Geschäften frei erwerben. Das Gesundheitsreferat soll hierzu die Münchner Bevölkerung befragen und darauf aufbauend passende Informations- und Hilfeangebote entwickeln. Mit dem Antrag wollen die Fraktionen Polizei und Staatsanwaltschaft entlasten, den illegalen Handel bekämpfen und den Jugendschutz stärken. Laut der Antwort des Gesundheitsreferats will man die Teilnahme an einem Modellprojekt prüfen, sobald dafür auf Bundesebene ein rechtlicher Rahmen vorliegt, für den Sommer 2024 sind Expert*innengespräche zur Suchtprävention geplant.
Anbaugenossenschaften wünschen sich ein „Leben und leben lassen“
Trotz der politischen Gemengelage bleiben die Verfechter der Legalisierung optimistisch und hoffen auf eine umfassende Umsetzung auch in Bayern. Gerade die Anbauvereine stehen schon in den Startlöchern und planen mit einer legalen Abgabe ab 1.Juli.
René Schmitt ist Gründungsmitglied des Cannabis Social Club München e.V. und Mitbegründer des genossenschaftlichen Cannabis-Anbauclubs-München. Schmitt ist Unternehmensberater, Softwareentwickler und selbst Cannabispatient. Zusammen mit anderen Aktivist*innen arbeitet Schmitt gerade am Aufbau einer Anbaugenossenschaft im Raum München. Mit ihrem Club wollen sie vor allem „Patienten, Selbstversorger und Homegrower mit höherem Eigenbedarf“ ansprechen, sagt Schmitt. Der Club soll dabei nur dem gemeinschaftlichen Anbau sowie der Abgabe dienen, konsumieren darf man dort nicht.
Die Genossenschaft muss sich an verschiedenste rechtliche Auflagen halten, z.B an bestimmte Sicherheits- und Qualitätsstandards der Anbauanlage. Dazu baut der Club momentan ein landwirtschaftliches Gebäude in der Nähe von München um: „Gitter vor den Fenstern, Alarmanlage, wahrscheinlich einen Sicherheitsdienst und eine Schaltung auf die Polizei etc.“, wird es wohl brauchen, meint Schmitt. Der ganze Umbau ist mit erheblichen Kosten verbunden, die der Club über die Genossenschaftsbeiträge der Mitglieder finanzieren will. Dafür sei eine Erstinvestition von 2000 bis 3000 Euro pro Mitglied nötig. Für die monatlichen Beiträge rechnet Schmitt mit 100 bis 200 Euro pro Mitglied, dafür gehöre einem dann aber auch „ein Fünfhundertstel der Cannabisanbauplantage“. Der Abgabepreis pro Gramm soll bei ca. 5 Euro liegen. Bisher habe der Club um die 50 Voranmeldungen, man habe also noch mehr als genug Platz für Interessierte, sagt Schmitt. Er kann verstehen, dass die hohen Beitragskosten anfangs abschrecken können, er rechnet aber noch mit vielen weiteren Anmeldungen in den nächsten Wochen, außerdem sei der Club ja noch im Aufbau.
An sich sind die Mitglieder optimistisch, auch wenn noch viele rechtliche Fragen offen sind und man einen hohen Kontroll- und Bürokratieaufwand erwartet: „Hier ist ganz viel rechtlich noch unklar und es wird wahrscheinlich Präzedenzfälle geben wie noch und nöcher“, sagt Schmitt. Natürlich wolle man alle Regelungen erfüllen, aber dafür müssten diese erst klar kommuniziert werden. Für die Zukunft wünscht er sich von der Politik einen fairen Umgang mit den neuen Clubs im Sinne von „Leben und leben lassen“. Von den geplanten Repressalien der bayerischen Regierung, wie etwa der geplanten zentralen Kontrolleinheit zur Überwachung der Clubs, hält Schmitt nichts. Die Bekämpfung eines beschlossenen Gesetzes sei ein Unding, sagt er. Der Regierung gehe es hauptsächlich darum, Konsumenten zu schikanieren und damit bei ihren konservativen Wählern zu punkten, meint Schmitt.
Unterstützung bekommen der Club vor allem aus dem Münchner Stadtrat. Momentan laufen Gespräche und Vernetzungstreffen zwischen den Münchner Clubs und den Regierungsfraktionen, darin will man sich auf gemeinsame Konzepte in der Organisation, sowie in Prävention und Jugendschutz verständigen. Mit Hinblick auf die vom Stadtrat geforderte Cannabis-Modellregion München hat auch der Cannabis-Anbauclub-München Ambitionen, Cannabis für den freien Verkauf anzubauen. Ob das glückt, bleibt abzuwarten, bis zum Anbaustart am 1. Juli gibt es auf jeden Fall noch einiges zu tun.
Beitragsbild: Elsa Olofsson auf Unsplash