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Design: Eine Branche im Wandel – So war’s bei unserer CREATIVE SESSION am 22. Februar

Simon Hirler
Unsere vergangene CREATIVE SESSION in der PERLE hatte dieses Mal die aktuelle Lage der Designszene zum Thema. Zusammen mit einem interdisziplinären Panel an Branchenexperten wurden Themen wie der Zusammenhang von Design und gesellschaftlicher Verantwortung, die Zukunft der Designwirtschaft und die Situation des Standorts München diskutiert.

„Wertebasiertes Design“ und gesellschaftliche Verantwortung

Was hat Design für unsere Gesellschaft zu leisten? Diese Frage wurde von unseren Gästen hitzig diskutiert, bei einem Punkt waren sich die Sprecher*innen jedoch einig: Egal ob im Produkt-, Grafik- oder Kommunikationsdesign; die Szene hat einen Auftrag, der über die reine Gestaltung hinausgeht. Das Thema gesellschaftliche Verantwortung wird im Beruf immer zentraler, berichtet Matthias Edler-Golla, Professor für Design an der Hochschule München. Disziplinen wie etwa das „speculative design“ beschäftigen sich mit Blick auf die Zukunft mit großen Herausforderungen wie der Klimakrise. Durch die Zusammenarbeit von Designschaffenden und Wissenschaftler*innen könne man komplexe Themen visuell erklärbar machen und die Leute zum Nachdenken anregen. „Es geht darum, Fragen aufzuwerfen“ sagt Edler-Golla, zum Beispiel die Frage danach, wie urbane Räume in Zukunft gestaltet werden müssen, um sich an den Klimawandel anzupassen.

Auch für die junge Kommunikationsdesignerin Susi Luger ist verantwortungsvolles Design eine wichtige Aufgabe: Für ihre Bachelorarbeit im Jahr 2023 schuf sie die barrierefreie Ausstellung „deepdive“, in der die Kommunikation zwischen Gebärdensprach- und Lautsprach-Nutzer:innen Thema ist. Sie ist davon überzeugt, dass Design auch einen Beitrag zu sozialen Fragen wie Inklusion leisten kann und muss. In der Branche ist diese Haltung längst angekommen, erzählt Christine Moosmann. Moosmann ist Chefredakteuren des Grafikmagazins und hat mehrere Jahrzehnte Erfahrung in der Szene. Das alte Grundprinzip „Form follows Function“ wandle sich zunehmend zu „Form follows Values“, meint sie, ein echter Mehrwert für die Gesellschaft sei heute wichtig.

Gerade beim Thema Nachhaltigkeit ist die Designbranche am Zahn der Zeit: Das Motto der diesjährigen munich creative business week (mcbw), der größten Designmesse Deutschlands und Platform für neue Ideen in der Branche, ist „How to co-create with nature“. Man habe sich bewusst gegen das Riesenthema KI entschieden, berichtet Thorsten Buch, Leiter der munich creative business week. Man wolle dieses Jahr zeigen, wie der Mensch gemeinsam mit der Natur arbeiten kann und welche Rolle die Designschaffenden bei der Entwicklung von nachhaltigen Ansätzen spielen.

KI im Design – Fluch und Segen.

Natürlich spielt das Thema Künstliche Intelligenz trotzdem eine große Rolle in der Arbeit der Designer*innen und hat die Branche stark verändert. KI „betrifft die ganze Szene“, sagt Hermann Iding von der Typografischen Gesellschaft München. Die TGM versteht sich als interdisziplinäre Expertenplattform die Designschaffende der verschiedenen Sparten vernetzt und weiterbildet. Für viele seien KI-Modelle eine große Hilfe, sei es fürs Brainstorming oder das Entwerfen von Storyboards. Aber in manchen Sparten, wie etwa im Fotodesign, bedrohe KI die Arbeit der Designer*innen. Einerseits seien KI-Modelle sowie Graphic-Design-Programme nach dem Baukastenprinzip „demokratisierend“ für die Branche wie auch den Kunden, andererseits gehe dabei die Expertise der Designer*innen verloren, sagt Iding.

Moosmann stimmt dem zu, gerade für kleinere Unternehmen seien solche Tools eine gute Möglichkeit, um sich günstig einen digitalen Unternehmensauftritt zu schaffen. Die Rolle der Designer*innen müsse sich deswegen wandeln, weg von der reinen Gestaltungsarbeit und hin zu kreativ-strategischer Betreuung der Kunden. Design sei nicht nur das Endergebnis, sondern auch der kreative Weg dorthin, ergänzt Buch. Auch Luger meint, dass es Designschaffende weiterhin als „Qualitätsgarant“ brauche. Durch die vielen Tools habe sich mittlerweile die Devise „mehr Masse als Klasse“ bei Logos und Webauftritten entwickelt. Die Sprecher*innen sind sich einig, dass man KI und co. Keineswegs verteufeln dürfe, gleichzeitig müsse sich die Branche aber gegen diese Entwicklungen behaupten.

Der Designstandort München

Was die Landeshauptstadt angeht, ist die Branche gut aufgestellt. Der Standort München sei „höchst attraktiv“ und ein wichtiges Zentrum der deutschen Branche, sagt Buch.  Aber wie immer schlägt sich das hohe Preisniveau Münchens auch auf die Arbeit der Designschaffenden nieder: Die Bezahlung schwankt je nach Sparte enorm, Freelancer haben es ohne die Unterstützung einer Agentur eher schwer in München.

Für Buch ist auch das System der „Pitches“ ein Problem: Üblicherweise schreiben Unternehmen dabei einen Designauftrag aus, um den manchmal mehr als 10 Agenturen konkurrieren. Den Auftrag bekommt dabei aber letztlich nur eine Agentur. Die anderen Bewerber gingen dabei leer aus und würden, trotz den vielen Ressourcen, die Agenturen in solche Pitches investieren, nur schlecht bezahlt. Auch für Moosmann ist das Pitch-System ein „ungleiches Spielfeld“, es sei aber leider üblich in der Branche. Gerade große Agenturen mit höheren Kapazitäten würden dabei bevorteilt werden, deswegen müssten sich gerade Freelancer und kleinere Agenturen behaupten und mehr auf Selbstbestimmung setzen. Im Ernstfall würde das auch heißen, unfaire Pitch-Angebote zu boykottieren, die Designer*innen dürften sich „nicht ausbeuten lassen“.

Dieser Ansatz für bessere Arbeitsbedingungen würde den Standort München auch für Branchen-Nachwuchs attraktiver machen. Golla findet es schade, dass kaum externe Studierende für ein Designstudium nach München kommen, obwohl die Hochschule München als Design-Ausbildungsort an sich sehr beliebt ist. Auch die Big Player der Branche haben München für sich entdeckt, zum Beispiel Apple, die den Standort München als europäisches Zentrum für Chip-Design erschlossen haben.

Insgesamt sind unsere Panelgäste optimistisch: Die Münchner Branche hat gute Voraussetzungen, um auch in Zukunft am Ball zu bleiben und sich international zu behaupten.

Die PERLE ist eine neue Zwischennutzung von MUCBOOK CLUBHAUS in Kooperation mit dem STEINCHEN KULTURCAFÉ und dient als neue Kulturstätte für Debatten, Kultur, Kunst und Impulse in Laim. Ziel der vom Freistaat Bayern, der Landeshauptstadt München, dem Bezirksausschuss sowie dem Eigentümer Urban Progress unterstützten Zwischennutzung ist es, einen Wohlfühlort und Treffpunkt für die Kreativ- und Kulturszene Münchens, aber auch für die Bewohner:innen Laims zu schaffen.

Vielen Dank an dieser Stelle auch an die Möglichmacher dieser Veranstaltungsreihe, insbesondere das Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie als Fördergeber, aber auch an das Team von bayernkreativ für die Antragsbearbeitung.

Die Zwischennutzung wird ermöglicht durch den Bauherren Urban Progress.
Dieses Projekt wird mit Mitteln der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert sowie der Landeshauptstadt München und dem Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft kofinanziert.

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