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Meinung: Gebt das Leitungswasser in der Gastro frei!
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München ist stolz auf sein sauberes Trinkwasser. Trotzdem bieten die meisten Gastronomiebetriebe lieber mit Bergpanoramen bedruckte Flaschen zu hohen Preisen an. Der kostenlose Ausschank von Leitungswasser: eine Seltenheit. Wäre das nicht frischer und umweltfreundlicher? Ich finde: Da stimmt was nicht.
von Sina Bahr
Flackerndes Licht. Feuchter Dampf. Bebende Lautsprecher. In der Hand ein leeres Glas. Nur noch geschmolzene Eiswürfel. Ich fühle mich schwummrig. Bin ich betrunken oder dehydriert? Gierig trinke ich das Eiswasser, das sich am Glasboden gesammelt hat. Es schmeckt nur noch nach Rum und Rohrzucker. Meinen Durst stillt es nicht. „Sorry! Kann ich kurz?“ Meine Worte kommen nicht gegen Nina Chubas Stimme und ihren Song an. Also drängle ich mich vorbei an nassen T-Shirt-Rücken. Mein Ziel: die Bar. Doch ich komme nicht für Ninas „Wildberry Lillet“.
Ich suche meine Hosentasche, doch finde keine. Diese blöden Stoffhosen. Mein Geld ist in der Tasche einer Freundin. Also setze ich auf ein Leitungswasser aufs Haus. Ich versuche, mir meine körperliche Erschöpfung bestmöglich ins Gesicht zu schreiben. Gerunzelte Stirn. Lider auf Halbmast. Die Erfahrung hat gezeigt: Mit diesem kleinen Schauspiel erhöhe ich meine Erfolgschancen. Als ich Augenkontakt mit der Barkeeperin habe, lehne ich mich vor. „Kann ich ein Glas Leitungswasser haben?“, schreie ich gegen die Musik an. „Sonst kippe ich vielleicht noch um!“, flehen meine Augen.
Obwohl ich die Rolle mittlerweile draufhabe, würde ich gerne auf diese Show verzichten, wenn ich im Club ein Zwischenwasser brauche. Das gute ZwiWa. Alle schwören darauf. Es gilt als das beste Mittel gegen einen schlimmen Rausch und den Kater am Morgen. Trotzdem ist kostenloses Trinkwasser keine Selbstverständlichkeit. Wieso? Sollte es nicht im Interesse der Bars sein, dass ihre Gäste fit bleiben?
Ich frage nach in Münchner Clubs
Das Team vom Bahnwärter Thiel versichert mir, sie würden auf Anfrage kostenlos Leitungswasser ausschenken. Da sie auf Einnahmen angewiesen seien, stehe dieses Angebot aber nicht auf der Karte. Offiziell wird abgefülltes Flaschenwasser im halben Liter verkauft – für einen relativ günstigen Preis, wie sie mir versichern – 3,50 €. So macht es auch das Team vom Harry Klein. „Sehr günstig“ nennt Geschäftsführer Peter Fleming den Preis von 3 € für die Halbliterflasche.
Teures Flaschenwasser auf der Karte, kostenfreies Leitungswasser nur bei konkreter Bitte: eigentlich ein okayer Kompromiss, denke ich. Trotzdem bin ich skeptisch. Auf diese Weise nach Leitungswasser zu fragen, fühlt sich irgendwie falsch an. Als hätte ich nur das Recht darauf, wenn es mir schlecht geht. In einigen Clubs gibt es zudem ein ganz anderes Problem: kein laufendes Wasser an der Bar. Rebecca Engler aus dem 089 erzählt, dass sie nur in der Küche einen Frischwasseranschluss zum Spülen haben, nicht an der Bar. Gehe es einer Person beim Feiern nicht gut, bekäme sie einfach Flaschenwasser geschenkt. Wasser rettet uns aber nicht nur vor dem drohenden Alkoholkollaps. Es stillt auch unseren Durst und hält den Körper gesund – ist also ein elementares Lebensmittel, egal ob Tag oder Nacht.
In Spanien verpflichtet ein Gesetz zum Gratiswasser
Sehnsüchtig denke ich an andere Länder. In Spanien zum Beispiel gibt es seit Kurzem ein Gesetz, das Hotels und Gastro verpflichtet, Leitungswasser kostenlos anzubieten. Damit will die Regierung vor allem der Flut von Plastikflaschen entgegenwirken, in dem Wasser dort fast ausschließlich verkauft wird. In Frankreich und Italien dagegen wird die Karaffe mit Leitungswasser im Restaurant oft ganz selbstverständlich serviert. Dort gehört es einfach zum Leben dazu. In München erlebe ich das anders. Meist muss ich auf Flaschenwasser ausweichen, das zu Preisen angeboten wird, die mir als geringverdienende Studentin den Schweiß auf die Stirn treiben.
Dass die Menschen in Gastronomien hart arbeiten und Gewinne unerlässlich sind, möchte ich nicht infrage stellen. Besonders in München sind die Fixkosten hoch. Aber ich glaube, dass durch den Ausschank von Leitungswasser nur ein Bruchteil der Getränkeeinnahmen wegfallen würde. Warum? Diejenigen, die sich einen Kaffee oder ein Bier bestellen wollen, werden das auch weiterhin tun. Und wer zwischendurch Durst hat, muss sich nicht mehr zweimal überlegen, ob er sich eine zusätzliche Wasserbestellung leisten kann.
Andy Salger, Geschäftsführer der Goldenen Rakete, stimmt mir zu. Die Kosten für Flaschenwasser seien für viele ein Grund, den kleinen Durst zwischendurch einfach auszuhalten. Darum bietet sein Personal Leitungswasser proaktiv an, besonders zu Bestellungen wie Kaffee oder Rotwein. Kurzfristig mache der Betrieb dabei zwar keinen Gewinn, langfristig sieht er aber Vorteile. Die Menschen fühlen sich wohl, kommen gerne wieder und greifen vielleicht beim Trinkgeld tiefer in die Tasche.
Auch beim Trachtenvogl bringt man Gästen gerne ein Glas Leitungswasser aufs Haus, wie mir Inhaber Christian Ohlmann erzählt. Öffentlich bewerben möchte auch er dieses Angebot nicht. Die kostenpflichtige Alternative ist jedoch kein Flaschenwasser, sondern Tafelwasser aus der eigenen Zapfanlage. Hier wird das Münchner Leitungswasser gefiltert und gekühlt. Das sei umweltfreundlicher und verursache weniger Kosten. Angeboten wird es für 3,50 € für einen halben und 5,90 € für einen ganzen Liter.
Die Betriebe sind sich einig: Wasser ist wichtig. Umsatz ist wichtiger. Aus Unternehmersicht total verständlich. Ich finde: Die Verantwortung für dieses Problem sollte nicht auf den Schultern der einzelnen Restaurants und Bars liegen. Ich bin nicht wütend auf die Barkeeperin, die mir nur widerwillig ein Glas über den Tresen reicht. Ich bin nicht wütend auf den Kellner, der mir sagt: „Wenn Sie stilles Wasser wollen, müssen Sie eine Flasche bestellen.“ Ich bin wütend, dass kostenfreies Trinkwasser keine Normalität ist und stattdessen diskutiert werden muss, ob es sich finanziell rechnet. Aber solange die Entscheidung bei den Unternehmen liegt, wird sich daran nichts ändern. Ich finde: Ein Gesetz muss her! Ein Gesetz, das vorschreibt, zu jeder Bestellung wahlweise ein Glas Leitungswasser anzubieten. Mit der Möglichkeit, den Aufwand für Ausschank und Reinigung durch eine kleine Servicegebühr auszugleichen. Mehr Leitungswasser und weniger Bergpanorama!