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„Hauptsache, es wird angegangen!“ – Im Gespräch mit der neuen KVR-Chefin Dr. Hanna Sammüller-Gradl

Caroline Priwitzer

Hört man Kreisverwaltungsreferat – kurz KVR – stellen sich bei einigen Münchner*innen wohl zunächst einmal die Haare auf. Man denkt an lange Wartezeiten für Meldetermine, Pässe und ähnliches. Aber das KVR macht natürlich viel mehr. Die Aufgabengebiete reichen von der Erteilung von Sperrstunden und Alkoholverboten, über die Falschparküberwachung bis zum Standesamt. Damit ist das KVR eine der vielseitigsten Behörden der Stadt. Seit kurzem ist Dr. Hanna Sammüller-Gradl (38) Kreisverwaltungsreferentin und steht somit an der Spitze dieser wichtigen Behörde. Zeit für ein Gespräch!

Die gelernte Juristin ist die erste Frau im Amt als oberste Referentin der Behörde. Ihr Selbstverständnis geht auch auf das Klischee der Nerv-Behörde ein: „Ich freue mich, Neues auszuprobieren und Möglichkeiten zu schaffen, wie man es den Menschen erleichtern kann, ins KVR zu gehen“, sagt sie. Lachend fügt sie hinzu: „Mir ist schon klar, das KVR wird nie die Behörde sein, bei der Menschen sagen: ‘Tschakka, heute habe ich meinen Termin, da freue ich mich auf.’“ Trotzdem hat sie Einiges vor.

Behördentrott?

Wie schwer ist es denn überhaupt Neuerungen ins KVR zu integrieren? „Das kommt drauf an. Ist es etwas, das viel Geld kostet? Dann kann es schon mal länger dauern.” Personalzuschaltungen seien dafür ein Paradebeispiel, weil das mit Haushalten und Kämmereien abgestimmt werden müsse, sagt sie. Andere Themen könnten aber sehr schnell umsetzbar sein: “Prozesse und Organisation zu verändern, ist ja ganz originär meine Aufgabe als Referentin.” Besonders schätzt sie an ihrer neuen Position die Erwartungshaltung, die ihr im politischen Umfeld entgegen gebracht wird: „Es wird nicht erwartet, dass ich eine Lösung präsentiere, die in allen Einzelheiten schon perfekt ist. Es ist wirklich der Konsens da: Lass uns was ausprobieren und wenn man auf dem Weg merkt, es ist noch nicht ideal, dann kann man immer nachbessern. Hauptsache, es wird angegangen!“

Auf die Frage wie sehr sie von Gesetzen eingeschränkt sei, antwortet Sammüller-Gradl: „Die Politik – und politisch ist meine Position als KVR-Referentin ja, – kann städtische Regelungen grundsätzlich ändern. Eine städtische Satzung oder Verordnung zu ändern, das ist natürlich ureigene Position des Stadtrates und das sehe ich auch als meine Position als Referentin dort gegebenenfalls Beschlussvorschläge einzubringen und die Normen zu überdenken, zu aktualisieren und anzupassen. An Bundesrecht, Landesrecht und landesrechtliche Verordnungen, also höherrangiges Recht muss man sich halten. Am Ende ist aber jede sicherheitstechnische Norm eine Ausgestaltung und Abwägung von Grundrechten und da ist meist ein Ermessungsspielraum da.”

Ausländerbehördenchaos…

In letzter Zeit machte das KVR vor allem mit seiner Ausländerbehörde Negativschlagzeilen: “In der Ausländerbehörde ist viel zu machen was Sprache angeht, um das oft empfundene und wahrscheinlich auch reale Machtgefälle zu verbessern”, stimmt Sammüller-Gradl zu. Von ihrem Auslandsstudium in Paris kenne sie – „natürlich auf einem ganz anderen Niveau“ – das Gefühl in der Verwaltung zu sitzen, sich hilflos zu fühlen und alles zu geben, aber aufgrund der Sprachbarriere nicht weiterzukommen. „Das wünsche ich niemandem! Und da hoffe ich, dass sich bei der Ausländerbehörde an ganz vielen Stellen noch die Möglichkeit findet das weiter zu verbessern”, so die KVR-Chefin weiter. Konkret denke sie daran, Englisch als Kommunikationsform weiter zu etablieren sowie an die Förderung von Mitarbeitenden, die bilingual aufgewachsen sind, oder noch andere Sprachen können. Hamburg nennt sie hier als positives Beispiel und Vorbild.

…und Falschparknonsens

Bei unserer Falschparker*innen-Story machte das KVR auch nicht gerade die beste Perfomance. Mit der Schaffung des Mobilitätsreferat, sei jedoch zu „quasi 95 Prozent“ nun dieses für Verkehrsthemen zuständig. Der „ruhende Verkehr“, also die Überwachung der parkenden Autos, verbleibe aber in der Hand des KVRs. Und da würde „man dann schon eine grüne Handschrift spüren“, kündigt Sammüller-Gradl an, die einst mit Katharina Schulze, jetzt Chefin der Grünen-Fraktion im Landtag, in einer WG wohnte und selbst von 2007 bis 2010 Mitglied des Münchner Grünen-Parteivorstands war. Grund für die Überforderung der Verkehrsüberwacher*innen sei vor allem Personalmangel. Konkret könnte sich Sammüller-Gradl vorstellen, tarifrechtlich nachzubessern, indem sie den Verkehrsüberwacher*innen zusätzliche Aufgaben zuweist, oder weitere Mitarbeitende auf Minijobbasis anzustellen, um so die Situation aufzulockern.

Aber da war ja auch noch das Thema, dass man Falschparker*innen nicht – via App – melden konnte. Wird sich das in Zukunft ändern? Bereits in Freising – wo sie vorher als Leiterin des Rechtsamts der Stadt arbeitete – sei dies schon Thema gewesen. Datenschutzrechtlich ließe sich daran aber nicht rütteln. Es wurde auch die Möglichkeit diskutiert, eine eigene – datenschutzrechtlich konforme – App als Kommune zu nutzen. Sammüller-Gradl zeigt sich aber skeptisch dabei, „hoheitsrechtliche, höchsteigene Aufgaben auslagern, an Bürger*innen, die nie geschult wurden und nicht bezahlt werden“. Außerdem sei es möglicherweise nicht besonders gut für das verträgliche Miteinander. „Es ist eine politische und nicht rein verwaltungsrechtliche Debatte und definitiv noch nicht ausdiskutiert. In meiner Utopie bleibt es aber eine kommunale Aufgabe, die von genug geschultem, städtischem Personal erledigt wird.”

Veranstaltungen: eine Anlaufstelle statt vieler Behördengänge?

Nach zwei von Lockdowns geprägten Jahren, wollen die Menschen den öffentlichen Raum wieder für sich haben. Hier denkt man sofort an Versammlungen, Veranstaltungen und Sonder- oder Zwischennutzungen. Dafür ist allerdings nie das KVR allein zuständig: „Es ist tatsächlich noch ein ganz, ganz langer Weg, bis man irgendwie sagen könnte, es gibt eine Anlaufstelle für Veranstaltungen, wo man einen Antrag stellt und dann wird das hinter den Kulissen an die unterschiedlichen Referate verteilt und es gibt dann eine Antwort für den oder die Antragsteller*in. Das ist sicherlich das Ziel am Ende, aber bis dahin kann man sich ganz eng abstimmen und auszutauschen und die Interessen der Antragssteller*innen mitdenken. Ich kann nicht davon ausgehen, dass jeder Mensch, der gerne eine schöne Veranstaltung organisieren möchte, das gleiche Wissen mitbringt, wie jemand der seit zehn Jahren in der Verwaltung arbeitet. Das muss eigentlich dazu führen, dass es zu einer Hilfestellung kommt, damit Wissen transferiert wird und auch hier ein Machtgefälle verhindert wird.”

Am allermeisten freut sich Sammüller-Gradl auf die Digitalisierung und die Möglichkeiten, die diese bietet. „Corona hat gezeigt, dass Digitalisierung ganz schnell gehen kann.“ Und auch hier gilt wieder das Sammüller-Gradlsche Motto: Keine Angst vorm Ausprobieren.

Sammüller-Gradl privat

Trotz Berufserfahrung hat auch die promovierte Juristin als Bürgerin ab und an mit den Irrungen und Wirrungen des Verwaltungsdschungels zu kämpfen: “Ich glaube den Moment kennen fast alle Eltern, sofern es zwei sorgeberechtigte Partner*innen gibt: Man will einen Pass für’s Kind beantragen, hat sich darauf geeinigt, wer geht und dann kommt zwangsläufig der Anruf in der Arbeit ‘Oh mein Gott, ich brauch’ deine Unterschrift auch noch!'” Das wäre ihr und ihrem Mann beim zweiten Kind sogar noch einmal passiert, erzählt sie lachend.

Unterhält man sich mit Sammüller-Gradl fallen einem vor allem zwei Dinge auf: Zum einen hört man selten jemand mit einer solchen Begeisterung über verwaltungsrechtliche Themen sprechen, zum anderen scheint es so, als hätte München mit der neuen KVR-Chefin eine gute Entscheidung getroffen.


Beitragsbild: Michael Nagy/ Presse- und Informationsamt München

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