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Keine Angst vor Wagner

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siegfried3Als ich anfing, ins Musiktheater zu gehen, habe ich mich an die Werke von Richard Wagner nicht richtig rangetraut. Siegfried ist die dritte Oper im Zyklus Der Ring des Nibelungen. Meist wird sie zusammen mit den anderen drei Werken Das Rheingold, Die Walküre und Götterdämmerung innerhalb von ein paar Tagen aufgeführt, mit einer gesamten Aufführungsdauer von gut 16 Stunden. Aber vor der Länge braucht man sich nicht zu fürchten, Wagner hat so kurzweilige Stücke geschaffen, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Lange Zeit habe ich mich davon abschrecken lassen, ich dachte auch, für die Musik Wagners sei ich nicht intellektuell und reif genug. Aber das ist Unsinn. Jede Musik, die man nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen hört, ist die richtige Musik. Und Wagner hat es drauf, Emotionen mit seinen Melodien hervorzurufen, da könnte sich jeder Filmkomponist eine Scheibe davon abschneiden.

Die Handlung von Siegfried ist am Besten verständlich, wenn man die Vorgängeropern kennt, allerdings reicht im Fall der Inszenierung von Andreas Kriegenburg an der Bayerischen Staatsoper die Aufführung selbst, um dem Bühnengeschehen folgen zu können. Er hat den Siegfried zwar nicht in mythischer Vorzeit, wie Wagner es wollte, angesiedelt, sondern eher irgendwo im nirgendwo, aber eine exakte Choreografie der Statisten und realistische Handlungen machen es leicht, den Ablauf und die Zusammenhänge zu verstehen.

Juniorheld Siegfried hat Riesenkräfte und Schmied Mime möchte diese für sich nutzen, um den Ring des Nibelungen an sich zu bringen, denn dieser bedeutet endlose Macht. Allerdings wird der von einem Riesen, der sich in einen Drachen verwandelt hat, bewacht. Mime versucht nun verzweifelt, ein Schwert, dass Siegfrieds Kräften standhält, zu schmieden, aber es gelingt ihm nicht. So legt Siegfried selbst Hand an und schmiedet sich ein neues aus den Bruchstücken von Nothung, dem Schwert seines Vaters Siegmund. Zu allem Ärger muss Mime auch noch seinen Kopf als Pfand in einem Quiz mit Wotan einsetzen und kann die Eine-Million-Euro-Frage leider nicht beantworten. Wotan in der Gestalt des Wanderers prophezeit ihm, dass Siegfried als derjenige, der in der Lage ist, Nothung neu zu schmieden, auch sein Henker sein wird.

siegfried1Also muss Siegfried abtreten. Flugs ein Zaubertränkchen gemischt, das Siegfried außer Gefecht setzen soll, wenn er den Ring erbeutet hat. Siegfried tötet den Drachen, kostet von seinem Blut und kann auf einmal die Vögelchen im Wald verstehen. Eines warnt ihn vor Mime, den er dann auch prompt erschlägt und Wotans Prophezeiung damit wahr werden lässt. Geleitet vom Waldvogel findet er Brünnhilde auf ihrem Felsen, die von ihrem Vater Wotan im vorigen Teil, Die Walküre, dorthin verbannt wurde. Er meistert alle Gefahren und kann Brünnhilde für sich gewinnen. Ob sie noch heute leben oder gestorben sind, erfährt man dann im letzten Teil Götterdämmerung.

Es ist ja immer einfacher, sich auf eine, sagen wir mal nicht-traditionelle, Inszenierung einzulassen, wenn man vorher noch keine andere gesehen hat. Bei mir war es der erste Siegfried und mir hat der Abend sehr gut gefallen. Regisseur Andreas Kriegenburg hat sehr genau auf die Musik gehört und diese dann in Bewegung umgesetzt. Es gibt haufenweise wirklich toller Regieeinfälle, wie zum Beispiel, dass Siegfried den Zaubertrank, der ihn eigentlich töten soll, auf sein Schwert träufelt und Mime es dann später ableckt, passender weise zum Text „Schmeck’ du mein Schwert, ekliger Schwätzer!“ (Wagner stand auf Stabreime) und sich Mime damit versehentlich selbst tötet und nicht von Siegfried erschlagen wird. Oder Mime, der wie ein Nerd aussieht und sich ständig die Brille auf die Nase schiebt und Siegfried äfft ihn mit dieser Bewegung nach. Da sind so unglaublich viele Details drin versteckt, dass ich es mir gerne noch einmal ansehen möchte. Natürlich fehlen in dieser Inszenierung tagespolitische Bezüge, aber braucht man die wirklich immer?

siegfried2Die Bühne von Harald B. Thor ist wirklich sehenswert, denn sie besteht zum großen Teil aus Menschen. Der Drache (man sieht nur den Kopf) wird aus Statisten gebildet, genauso wie das Feuer um Brünnhildes Felsen oder die Bäume im Wald. Das hat etwas spielerisches und poetisches, das ganz ausgezeichnet zu dem Stück passt. Was es sonst noch an Bühnenteilen gibt, die zum Beispiel Mimes Schmiede bilden, wird auch von den Statisten aufgebaut, gehalten und wieder abgebaut. Wirklich beeindruckend und das Publikum bedankte sich auch mit starkem Applaus für diese tolle Leistung.

Musikalisch und szenisch war es ein berauschender Abend! Lance Ryan ist ein sehr jugendlicher Held, aber er stemmte diese sicherlich nicht leichte Partie, als ob er das jeden Abend zweimal macht. Auch im Spiel war er, wie alle seine Sängerkollegen, sehr gut und brachte alle Facetten seiner Rolle (Lausbub, Held, Liebhaber) glaubwürdig auf die Bühne. Wolfgang Ablinger-Sperrhacke als Mime war ebenfalls grandios. Catherine Naglestad berührte mich als Brünnhilde sehr und Anna Virovlansky bezauberte als Waldvogel. Wolfgang Koch war ein beeindruckender Alberich und Rafal Siwek gab dem Drachen eine mächtige Stimme, während Thomas J. Mayer als Wanderer und Jill Grove als Erda eher blass blieben. Das Orchester unter Kent Nagano war excellent, wie mir aus berufenem Munde versichert wurde, selbst kann ich das ja eher nicht so beurteilen. Auf jeden Fall ein Abend, den ich gerne nochmal wiederholen würde.

Weitere Termine, Karten, so weit noch vorhanden, an allen bekannten Vorverkaufsstellen:

Freitag, 6. Juli 2012, 17.00 Uhr,
Freitag, 13. Juli 2012, 17.00 Uhr,
Mittwoch, 9. Januar 2013, 17.00 Uhr,
Freitag, 25. Januar 2013, 17.00 Uhr,
Montag, 15. Juli 2013, 16.00 Uhr

Fotos Wilfried Hösl

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