Aktuell, tagebook von MUNICH NEXT LEVEL

Leidenschaft Literatur – So war’s bei unserer ersten CREATIVE SESSION am 26. Oktober

Simon Hirler

Der Auftakt unserer MUNICH NEXT LEVEL Panel-Reihe CREATIVE SESSIONS in der PERLE, unserem neuen MUCBOOK CLUBHAUS in Kooperation mit dem Kulturcafé Steinchen in Laim, begann mit einem „Deep Dive” in die Literaturszene der Stadt. Mit von der Partie waren Verleger*innen, Autor*innen und kreative Innovator*innen der Szene. Moderiert von MUCBOOK-Herausgeber Marco Eisenack bot der Abend einen tiefen Einblick in die aktuelle Situation der Branche sowie in aktuelle Herausforderungen und Chancen.

Leidenschaft ist das Herz der Branche!

Im Rahmen der kürzlich zu Ende gegangenen Frankfurter Buchmesse wurde in der Runde zunächst die aktuelle Situation der Verlagsbranche thematisiert. Katharina Eichler, Sales Analyst beim Verlag Penguin Random House, ist dazu bestens informiert: Durch das Comeback der Frankfurter Buchmesse scheine sich die Branche insgesamt etwas erholt zu haben. Die Absätze für die verschiedenen Genres steigen, aber besonders erfolgreich ist nach wie vor die Belletristik. „Romane sind einfach zeitlos!“ betonte Eichler. Kein anderes Genre könne ein solches „Leseerlebnis“ bieten, das zeige sich auch in den Umsätzen.

Laura Nerbel vom Verlag &Töchter war auf der Messe vor Ort, für sie war es ein motivierendes Erlebnis. &Töchter ist ein unabhängiger Verlag aus München, der von Frauen geführt wird und sich mit den Themen Feminismus, Empowerment, Antirassismus und Nachhaltigkeit beschäftigt. Nerbel ist Mitbegründerin des Verlags. Sie weiß, dass gerade kleinere Verlage Präsenz zeigen müssen, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Durch die hohen Kosten von Vorschüssen, Marketing und Pressearbeit sei jede Erscheinung eine „schwierige Kalkulation“ und deren Erfolg wichtig für die weitere Finanzierung. Nerbel ist froh, dass die jüngste Veröffentlichung von &Töchter – die Übersetzung von „How to raise a feminist son“ der Autorin Sonora Jha – einer dieser Erfolge ist. Das Sachbuch versteht sich als leidenschaftlicher Leitfaden für Eltern, die ihren Sohn feministisch erziehen wollen. Für Nerbel sind Nicht-Mainstream Verlage und Autor*innen als Gegengewicht zu den bekannten Verlagsriesen besonders wichtig: „Die Buchbranche lebt von Leuten wie uns, Leuten mit Leidenschaft!“

Unabhängigkeit und Gemeinnützigkeit als neue Perspektive der Branche?

Dass es in der Buchbranche gerade auf die „Kleinen“ ankommt, weiß auch Marcus von Jordan. Von Jordan ist Gründer der Online-Plattform YourBook. Über sie können Leser*innen ganz einfach online bei ihrer bevorzugten Buchhandlung einkaufen und gleichzeitig lokale Händler*innen unterstützen. Doch YourBook ist mehr als nur ein Online-Buchhandel: Es ist auch ein innovatives soziales Netzwerk, das es Leser*innen, Autor*innen und Verlagen ermöglicht, sich zu vernetzen, Rezensionen zu schreiben und eine eigene Community aufzubauen. Sowohl Nutzer*innen als auch Buchhändler*innen erhalten sogar eine prozentuale Beteiligung am Kaufpreis in Form von Credits oder Echtgeld, wenn sie Kaufempfehlungen abgeben. Dadurch ist YourBook wirklich unabhängig und gemeinnützig. Die Plattform sei aus der langjährigen Idee entstanden, eine digitale Infrastruktur zu finden, von der der lokale Buchhandel wirklich profitiert. Der Handel „verlagert sich unaufhaltsam ins Netz“. YourBook bietet den Händler*innen deshalb Möglichkeiten, mit der Zeit zu gehen. Von Jordan ist fest von dem Erfolg seines Konzepts überzeugt, „gerade weil wir einen solidarischen Ansatz haben.“

Eichler kennt die Plattform und war von Anfang an begeistert: „Endlich was Unabhängiges!“ Sie findet den Ansatz wichtig, weil bei YourBook eine unabhängige und gemeinwohlorientierte Community im Mittelpunkt steht. Im Gegensatz dazu seien viele andere E-Reading-Plattformen in den Händen großer Verlagsgruppen und hätten hauptsächlich Profitmaximierung oder das Sammeln von Daten im Blick.

Social Media hat diese Entwicklung von Literatur als Community-Aktivität weiter befeuert, das zeigt auch das Phänomen BookTok: Auf TikTok hat sich bereits seit einiger Zeit eine Community etabliert, in der sich die Nutzer*innen gegenseitig Bücher empfehlen. Sie werden zu “Literaturkritiker*innen”, die kurz und prägnant erklären, warum ein Buch lesenswert ist. Das gesamte Panel findet diesen Trend wirklich bemerkenswert, nicht zuletzt, weil so auch Nicht-Mainstream Autor*innen an Bekanntheit gewinnen.

Herausforderungen für Autor*innen: Finanzieller Druck, zu wenig Förderung

Auch Rebecca Faber ist von BookTok angetan, sie weiß, wie schwer es kleinere Autor*innen in der Branche haben. Faber ist selbst Autorin und arbeitet als Programmreferentin in der Monacensia. Zudem ist sie Kuratorin und Moderatorin der unabhängigen Lesereihe LIX, die von der Stadt München gefördert wird und sich als Raum für junge Autor*innen und experimentelle Texte versteht. Mit der Lesereihe will Faber „den Autoren einen Ort geben“, denn in der Stadt fehle es an einfacher Förderung für Autor*innen. Viele von ihnen sind auf verschiedene Standbeine wie Workshops, Lesereihen oder Nebenjobs angewiesen, um über die Runden zu kommen.

Eichler kennt die prekäre Situation vieler Autor*innen aus eigener Erfahrung. Sie war lange Zeit in der Presseabteilung von Penguin Random House tätig und somit auch für die Bewerbung neuer Veröffentlichungen zuständig. Autor*innen müssten sich einen Namen machen, sagt sie. Das Problem dabei sei jedoch, dass Lesungen und andere Veranstaltungen für die Künstler*innen nur selten finanziell lohnenswert sind. Viele blieben dabei auf der Strecke. „Man leidet mit jedem Autor und jeder Autorin.“ Für Nerbel ist auch die öffentliche Wahrnehmung eine Schwierigkeit: Das Bild der Starautor*innen vermittle einen falschen Eindruck des Berufs, denn die meisten Autor*innen würden es aus finanziellen Gründen nie so weit schaffen.

Für Faber braucht es schlichtweg eine längerfristige und einfachere Förderung für Autor*innen. Das Kulturreferat und die Stadtbibliotheken Münchens würden zwar gute Arbeit leisten, was die Förderung von Künstler*innen und den einfachen Zugang zu Lesestoff angehe, jedoch sei die Autor*innenförderung oft umständlich. Es brauche einfach mehr „Räume für Literatur, wo sie wirklich erlebbar wird!“

Insgesamt zeigte sich unser Expert*innenpanel optimistisch, obwohl sich alle einig waren, dass die Branche und insbesondere die Autor*innen mit aktuellen Entwicklungen wie etwa KI-Texten oder der wachsenden Macht großer Verlagsgruppen vor Herausforderungen stehen. Im Anschluss an das Panel las Laura Nerbel einige Passagen aus der Neuerscheinung “How to raise a feminist son” von &Töchter.

Die PERLE ist eine neue Zwischennutzung von MUCBOOK CLUBHAUS in Kooperation mit dem STEINCHEN KULTURCAFÉ und dient als neue Kulturstätte für Debatten, Kultur, Kunst und Impulse in Laim. Ziel der vom Freistaat Bayern, der Landeshauptstadt München, dem Bezirksausschuss sowie dem Eigentümer Urban Progress unterstützten Zwischennutzung ist es, einen Wohlfühlort und Treffpunkt für die Kreativ- und Kulturszene Münchens, aber auch für die Bewohner:innen Laims zu schaffen.

Vielen Dank an dieser Stelle auch an die Möglichmacher dieser Veranstaltungsreihe, insbesondere das Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie als Fördergeber, aber auch an das Team von bayernkreativ für die Antragsbearbeitung.

Die Zwischennutzung wird ermöglicht durch den Bauherren Urban Progress.
Dieses Projekt wird mit Mitteln der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert sowie der Landeshauptstadt München und dem Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft kofinanziert.


Text: Simon Hirler

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