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Meine Halte – Folge 17: Neugilching mit Lea

Lea Haufler

Von: Marienplatz nach: Neugilching tippe ich müde in meinen DB Navigator. Nach einigen Sekunden Starren auf den Ladebildschirm die äußerst freudige Nachricht: Meine Bahn nach Hause fährt in 35 Minuten. Wieder einen timings-technischen Glückstreffer gelandet! Angenervt setze ich mich auf die Bank neben einen stinkenden Mann und zwei 13-Jährige Snapchatgirls, die grade die gesamte Bandbreite an Snapchat Filtern lautstark ausprobieren und sehe zu, wie sie an mir vorbeirauscht, meine S8. Ohne mich gemütlich in ihr sitzend, weil sie sich entschlossen hat, dass Neugilching ihr doch ein Stückchen zu weit weg ist.

Ich wohne im Außenraum – Yey.

Ein kleiner Ausschnitt aus den Luxusproblemen einer “München Außenraum”-Wohnenden. Wie ich sie doch beneide, alle diejenigen, die eine U-Bahn Haltestelle mitten in München City ihre Halte nennen dürfen.

Doch wer steigt hier mit mir aus, an meiner Halte, Neugilching? Das ist recht eindeutig: Die unzähligen Familien, die sich die Wohnpreise in München nicht leisten können und wollen. Und die, die gerne auch ein wenig Garten hätten. Und die, die sich nicht mit ihren drei Kindern auf 20qm Wohnfläche stapeln wollen und trotzdem gerne den Komfort haben, unter einer Stunde in der Stadt zu sein. So wie meine Familie eben. Schon irgendwie sinnvoll.

Graues Entlein oder unterschätzter Schwan?

Klar, nichtsdestotrotz rege ich mich regelmäßig auf, dass es nichts zu Tun gibt im guten Neugilching. Nach Einbruch der Dunkelheit sind die Straßen wie leergesaugt und die drei Restaurants und zwei Filme im Kino, die einem hier geboten werden, hat man auch schon öfter als nötig besucht. Da geht es den Münchnern doch schon sehr anders. In fünf Minuten U-Bahn Fahrzeit-Radius erreicht man von Kinos, Restaurants und Bars bis hin zu unzähligen Veranstaltungen alles, was das Herz begehrt. Ein Traum für Neugilchinger.

Trotzdem kann ich mich in meinem Bekanntenkreis eher noch glücklich schätzen, überhaupt eine Halte zu haben und mich nicht auf den Bus verlassen zu müssen, der zwei Mal am Tag seine lange Fahrt, über alle idyllisch-bayrischen 50-Einwohner-Käffer des Fünfseenlandes aufnimmt. Doch so ist es eben oft, je idyllischer, desto weiter abgelegen vom Trubel, Lärm und leider auch den öffentlichen Verkehrsmitteln.

Und idyllisch ist Gilching irgendwie schon. Zwar kein See und nicht so viel Natur, aber irgendwie einfach meine typische, nette Kleinstadt.

Neugilching, das ist irgendwie die Mitte. Die Mitte zwischen Stadt und Land, zwischen Trubel und  Entspannung, zwischen 089 Bar und Stadlfest. Kurz gefasst, zwischen Millionenstadt München und Entspannungsoase Fünfseenland. Beides zwar doch ein bisschen mehr halb als ganz, aber zumindest durch meine Halte gut angebunden an beides.

Ja gut, niemand liebt Neugilching innig, mich eingeschlossen. Das liegt vielleicht daran, dass wir Gilchinger den McDonalds an der S-Bahn als unser kulturelles Highlight bezeichnen (der ist aber auch super!). Trotzdem wohnt man hier gerne. Und das liegt mitunter an den gegenüberliegenden Gleisen meiner Halte Neugilching, die ein eher graues Tor zu aber durchaus attraktiven Zielen bieten, egal auf welchem Gleis man einsteigt.

Das Neugilchinger Doppelleben

Tagsüber verbringt man nach nur 20 Minuten Fahrzeit den sommerlich sonnigen Samstag am Ammersee, isst ein Eis und schaut den Münchner Tagestouristen zu, wie sie verzweifelt einen Parkplatz suchen. Als Fünfseenland-Insider weiß man da natürlich über die richtigen Spots Bescheid. Und abends trifft man sich zum Gaumenschmaus oder durchaus auch Ab und An zum Vorglühen wieder im besagten Neugilchinger McDonalds und fährt anschließend an meiner Halte wieder ab in die andere Richtung, um dort das Münchner Nachtleben zu genießen. Auf dem Rückweg muss man sich zwar der großen Entscheidung stellen, ob man die letzte oder die erste S-Bahn nach Neugilching zurück nimmt (beides definitiv nicht optimal), aber ansonsten geht das doch alles recht unkompliziert. Ein Beispiel des typischen Neugilchinger “Wir haben beides”-Lifestyles.

Und dann nach endlosem Warten zwischen Stinkemann und Snapchatmädchen kommt sie doch, die S8 Richtung Neugilching. Während sich dann von Station zu Station die S-Bahn immer weiter leert und ich endlich wieder gemütlich einen Sitzplatz mit Beinfreiheit ergattere, finde ich es irgendwie schön, das charmante, kleine Außenraum-Neugilching meine Halte nennen zu dürfen. Ich bin kein Stadtkind und ich bin kein Landkind, sondern ein Kleinstadtkind im Münchner Umland mit einer schön grauen, stinknormalen Halte mit Dönerladen, Bäcker und Penny. Und jeden Tag kann ich mich neu entscheiden, ob es heute die Großstadt, das Seeufer oder einfach nur mein kleines charmantes Neugilching sein soll.


Text & Beitragsbild: © Lea Haufler

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