Leben, Stadt

Olympia 2018 – Freudenmädchen oder Schneewittchen?

Marco Eisenack

Mit hohen Zahlen, vielen Fakten und schönen Metaphern wurde am Montagabend in der MVHS-Reihe “Stadtgespräche” über Münchens Bewerbung um die Winterspiele 2018 diskutiert. mucbook war dabei.

Foto: Manuela-Maria Rieke” / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz

Sprung ins Grüne? München will die Ökospiele. Foto: Manuela-Maria Rieke” / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz

Der Zwischenruf aus dem Zuschauerraum erschien nach rund zweistündiger Diskussion vielen Zuhörern einleuchtend. “Es kommt mir vor, als wollten sie aus einem Freudenmädchen eine Jungfrau machen”, so der Einwand eines offenkundigen NOlympics bei der Veranstaltung aus der Reihe “Stadtgespräche – Debatten am Markt” der MVHS in Kooperation mit der Agentur text:bau. Statt grüner Spiele fürchtet er die unwiederbringliche Verschandelung der Alpen rund um Garmisch. Boris Schwartz, Leiter der Umweltkommission der Olympia-Bewerbungsgesellschaft, konterte mit einer anderen Märchen-Metapher: “Machen Sie doch aus Schneewittchen keine Hexe!”. Für den Grünen Stadtrat steht fest, so viel Klima- und Umweltschutzbemühungen wie in München hat er bei Bewerbern um die Olympischen Spielen noch nie gesehen.

Ob die Olympischen Spiele 2018 nun schön oder schaurig sind liegt wohl vor allem daran, auf welcher Seite der Betrachter steht. Für Christian Hierneis vom Bund Naturschutz sind die Ankündigungen der Bewerbergesellschaft nur heiße Luft. Da die Versprechen für ihn zum Großteil unverbindlich sind, fürchtet er dass die vollmundigen Ankündigungen zur Klimaneutralität nur “grünes Design” ohne viel Inhalt sind.

Auch die von Schwartz angekündigten energetischen Sanierungen der Olympiaschwimmhalle und des Olympischen Dorfes zur CO2-Kompensation und Verkleinerung des ökologischen Fußabdrucks der Spiele, überzeugen den Umweltschützer  Hierneis nicht. “Solche energetischen Sanierungen sollten heute sowieso schon Standard”, so Hierneis. Er kündigt massiven Widerstand seines Verbandes an.

Ob es wirklich zu dem angekündigten Bürgerbegehren gegen die Spiele kommen wird, konnte Hierneis nicht bestätigen. Womöglich werde man bis zur Entscheidung des IOC abwarten und erst 2011 das teure und zeitintensive Verfahren wählen.

Am 6. Juli 2011 wird das Exekutivkomitee des IOC im südafrikanischen Durban bekannt geben, wer den Zuschlag für die Spiele 2018 erhält. Kritiker sehen für München und seinen Mitbewerber Garmisch und Schönau schlechte Chancen. Nicht nur weil Münchens Schneesicherheit fraglich ist, auch weil die Bevölkerung in anderen Städten viel stärker hinter den Spielen steht. Vor wenigen Tagen hat sich im bayerischen Landtag das Netzwerk “NOlympia” gegründet, um den Protest besser zu vernetzen und den Protest wirksam zu kommunizieren.

Aus der Umweltkommission der Bewerbergesellschaft ist der Bund Naturschutz bereits im Juni unter Protest ausgetreten. Hierneis hatte Sorge als Feigenblatt missbraucht zu werden. “Wir hatten kein echtes Mitspracherecht, sondern wurden vor vollendete Tatsachen gestellt”, so Hierneis.

Der Grünen Politiker Schwartz sieht in München im Vergleich zu den Planungen der Mitbewerber Annecy (Frankreich) und Pyeongchang (Südkorea) den geringsten Schaden für die Umwelt. Die Sportstätten seien zum Großteil bereits vorhanden und man müsse auch keine neuen Skipisten bauen. Das sieht auch seine Stadtratsfraktion so, aber nicht die bayerischen Grünen, die sich mit großer Mehrheit gegen die Spiele ausgesprochen haben.

Für die Münchner wird die Bewerbung, so wurde in der Diskussion deutlich, weniger ein ökologisches als vor allem ein finanzielles Abenteuer. So hatte die Bewerbergesellschaft bereits wenige Monate nach ihrer Gründung einen finanziellen Engpass, aus dem sie nur ein Darlehen von Stadt und Land herausführen konnte. Doch Schwartz ist optimistisch: Von den 30 Millionen die bis zur Abgabe der 500-seitigen Bewerbermappe im Januar 2011 nötig sein werden, sind laut Schwartz derzeit Zweidrittel gesichert. Und die positiven Signale von Siemens und Allianz lassen ihn beruhigt in die Zukunft blicken.

Hierneis sieht das anders: Er fürchtet, dass die insgesamt angesetzten Kosten von 3 Milliarden Euro sich noch um ein Vielfaches erhöhen werden. “Es wäre das erse Großprojekt, bei dem eine solche Steigerung nicht stattfindet.” Und er erinnert an das finanzielle Desaster in früheren Olympiastädten. Dem Bund Naturschutz wäre es am liebsten, die Olympischen Spiele würden künftig immer am gleichen Ort stattfinden, um Umweltzerstörung der Bergwelt zu vermeiden.

Dann würden viele Städte aber vielleicht ewig auch dringende Infrastrukturmaßnahmen warten müssen. So sollen im Zuge von Olympia 2018 auch in München viele Projekte angegangen werden, die bereits lange geplant sind. Dazu gehört der Ausbau der Bahnlinie nach Garmisch, die Reisenden eine Zeitersparnis von 20 Minuten bringen soll, der Ausbau der Garmischer-Autobahn mit Ortsumfahrungen in Garmisch und Schönau sowie der in München dringend notwendige Neubau von Wohnungen. Die Bundeswehrverwaltung stellt südlich des Olympiaparks Flächen für ein Olympisches Ökodorf zu Verfügung, in dem später 550 Wohnungen Platz finden sollen. “Eine Fläche, die wir ohne Olympia wohl nicht bekommen würden”, so Schwartz.

Foto: Manuela-Maria Rieke” / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz

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