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Wohnungsnot in München: Aktionsgruppe meldet Hausbesetzung im Westend

Marco Eisenack

Update: Den MUCBOOK-Bericht “Einmal Hausbesetzung und zurück. Schnitzelhaus wieder leer! Die Hintergründe.” findest du hier. >>> weiterlesen

Zwischennutzung selbstgemacht: Das sogenannte „Schnitzelhaus“ im Münchner Westend (Holzapfelstraße 10) ist ab sofort ein Umsonstladen. Das seit Jahren leerstehende Haus wurde Samstagfrüh von einer Aktionsgruppe besetzt und in “Für Lau Haus” umbenannt.

Ein Polizeisprecher bestätigt gegenüber MUCBOOK einen entsprechenden Einsatz im Westend, zeigt sich mit weiteren Informationen aber zurückhaltend. “Wir sind mit Kräften vor Ort und müssen uns das anschauen”, so ein Polizeisprecher am Samstagmorgen um kurz nach acht Uhr.

In einer Pressemitteilung und einem eigens eingerichteten Blog informieren die Hausbesetzer über ihre Beweggründe: Sie beklagen die Abwesenheit „unkommerzieller Räume“ in München und die steigenden Mieten ebenso wie die Unterbringung von Geflüchteten in Containern sowie die Verdrängung von Sozialhilfeempfängern in die Außenbezirke der Stadt. Mit der Besetzung des Schnitzelhauses wollen die Aktivsten andere dazu anregen, dieses Haus ebenso wie weitere Leerstände in München für gemeinschaftliche Zwecke zu nutzen.

Auf der Website fuerlauhaus.de erklären die anonym bleibenden Aktivisten das Prinzip so: “Ich bin ein wandelnder Umsonstladen für die Region München. Ich niste mich gerne in leerstehende Gebäude ein und verweile dort solange, bis ich von der Polizei geräumt werde oder das entsprechende Gebäude wieder für andere Zwecke benötigt wird.”

Mit der Aktion wolle man auf Leerstand aufmerksam machen und zugleich zeigen, dass eine Aneignung öffentlicher, wie ungenutzter privater Räume oft einfacher möglich sei, als gedacht, heißt es in der Pressemitteilung.

Die Erklärung im Wortlaut.

Hiermit erklären wir das „Schnitzelhaus“ (Holzapfelstraße 10) im Münchner Westend für besetzt!

Während in München ebenso wie in anderen Städten die Mieten steigen, Geflüchtete in Zelten oder Containern leben müssen, Obdachlose keine Unterkunft finden können und Sozialhilfe-Empfänger_innen zunehmend weiter in die Außenbezirke der Stadt verdrängt werden, stehen in der Münchner Innenstadt zahllose Gebäude ungenutzt leer. Dabei ist nicht nur Wohnraum ein knappes Gut in der Stadt, sondern auch unkommerzielle Räume gibt es in München kaum. Das sind Räume, in denen auch Menschen verkehren können, die sich den Konsum von Speisen und Getränken zu Restaurantpreisen nicht leisten können. Diese Menschen werden so vom öffentlichen Leben systematisch ausgeschlossen und stehen in der Gesellschaft zunehmend isolierter da.

Das ist ein Symptom einer Gesellschaft, die sich vollständig über Tausch und Eigentum organisiert. Auch wenn ein Haus auf der einen Seite leer steht und Menschen auf der anderen Seite ein Obdach suchen, ist es keineswegs selbstverständlich, dass diese in dem Haus wohnen können. Gleiches gilt auch für andere Gegenstände: In Kellern, auf Dachböden und in den hinteren Ecken der Schränke verstauben unbenutzte und unbenötigte Dinge. Nur deswegen, weil sie mal teuer waren. Wäre es nicht besser, wenn diese Dinge anderen Menschen, Menschen, die diese auch verwerten können, zugänglich gemacht werden würden? Ganz ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen? Diesem Gedanken folgt die Idee eines Umsonstladens: Hier kann jede_r Gegenstände, die er_sie nicht mehr benötigt, hinbringen und alle diejenigen, die einen der Gegenstände benötigen, können ihn wieder mitnehmen.

Im ehemaligen „Schnitzelhaus“ wollen wir diesem gesellschaftlichen Missstand begegnen: In der ehemaligen Gaststätte im Erdgeschoss haben wir dem Für LⒶu Haus deshalb ein Zuhause eingerichtet. Damit haben wir den ersten Raum dieses riesigen Gebäudes besetzt. Eigentlich nicht den ersten: Das Obergeschoss wurde bereits durch einige Tauben besetzt. Trotzdem bleibt jede Menge Raum für weitere Ideen.

Das Für LⒶu Haus versteht sich dabei nicht nur als Umsonstladen, sondern auch als eine Anlaufstelle für Menschen, die dieses Haus gemeinsam gestalten und weiteren Menschen zugänglich machen wollen.

An den_die Eigentümer_in haben wir weder Erwartungen, noch stellen wir irgendwelche Forderungen. In der Vergangenheit haben verschiedene Gruppen und Bündnisse auf diesen Leerstand aufmerksam gemacht und den Dialog mit dem_der Eigentümer_in gesucht. Eine Reaktion blieb aus. Wir akzeptieren diesen Leerstand nicht länger.

Die Häuser denen, die drin wohnen!


 

Update: Den MUCBOOK-Bericht “Einmal Hausbesetzung und zurück. Schnitzelhaus wieder leer! Die Hintergründe.” findest du hier. >>> weiterlesen

3 Comments
  • hrsc
    Posted at 11:02h, 23 Juli

    Sehr gut, dass Euer Medium dem u.a. durch verwirrte Schlafmützen und andere Gschaftlhuber in Rathaus, Baureferat und Kommunalreferat verursachten Missstand der Immobilienspekulation durch objektive Berichterstattung mit großer Reichweite ein vermehrtes öffentliches Interesse verschafft. Liste mit weiteren Initiativen in https://sensiblochamaeleon.wordpress.com/2017/01/20/seit-15-jahren-leer-in-zentraler-lage/ ; Etwas sehr dürftig ist die niedrige Zahl von nur knapp über 20 Anfragen zu Leerständen im LH München/(R)ats (I)nformations (S)ystem: Trefferliste lt. Suchkriterien: Suchbegriff: ‚Leerstände‘ https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/ris_uebersicht_trefferliste.jsp?&txtSuchbegriff=Leerst%E4nde

  • Florencia
    Posted at 11:20h, 23 Juli

    Unglaublich! Diese selbst genannte “Aktionskünstler” gehören gesperrt. Keiner hat das Recht fremde Wohnungen einzustürzen!

  • Johnny Banana
    Posted at 20:08h, 24 Juli

    Oh Gott…. Sozialhilfe- Empfänger wird das Leben im Zentrum nicht mehr geschenkt…. Sie müssen in die öden Außenbezirke ziehen…
    Bald müssen sie aufs Land ziehen, in fürchterliche Dörfer…

    Wer sich München nicht leisten kann, geht wo anders hin. Es geht nicht immer noch mehr und noch teurer. Das System regelt sich von selbst. Es wird wo anders wachsen.
    Hoffentlich nicht bei uns auf dem Land. 😉

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