Kultur

Alpha-Zwitscherer und Taubenvergrämer

Markus Michalek

jourfitz

Illustre Gäste sind geladen und ein illustres Publikum hat am Donnerstag im Münchner i-camp/Neues Theater dem 1. JourFitz vs. StijlRoyal gelauscht.

Dahinter verbirgt sich der Berliner Literaturveranstalter und Alpha-Twitterer Jan-Uwe Fitz.  Er ist dem Publikum kein Unbekannter, schließlich ist er der einzige nichtkommerzielle Twitterer, der von sich behaupten darf, zu den top-20 der deutschen Twitterer zu gehören. Über 13.000 Follower, die seinem Pseudonym „Taubenvergrämer“ online lauschen, sprechen Bände.

Jan-Uwe Fitz

Jan-Uwe Fitz

Aber auch offline schaffen der Taubenvergrämer und Zehra Spindler (auf ihr Konto gehen dank muc852 zahlreiche, für Münchens Kultur längst unverzichtbare Veranstaltungen), eine stattliche Anhängerschaft zu versammeln – das i-camp ist voll besetzt und im Livestream zur Lesung (gehostet von der SZ, auf deren eigener Seite, sicherlich keine Selbstverständlichkeit) tummeln sich noch mal knapp 200 Zuschauer. Eine schöne Bestätigung für Autoren, aber Jan-Uwe Fitz ist nicht allein gekommen.

Mellcom, eine bezaubernde Dame, die ihre Textwurzeln ebenfalls in der Twitter/Bloggerszene hat, legt vor. Ob im Zug, den man aus Flugangst wählt, oder im Angesicht einer hassgeliebten Baustelle vor der Haustür, „Wo ich bin scheint die Sonne und wie man das Verdeck schließt, weiß ich nicht“ – keine alltägliche Lebenseinstellung, die sich in ihren unterhaltenden Texten widerspiegelt und vor allem von den weiblichen Teilen des Publikums auch dementsprechend gewürdigt wird.

Matthias Sachau, ein Berliner Autor, liest aus seinem Roman 2009 bei Ullstein erschienen Roman „Kaltduscher“. Ein empfehlenswertes, intelligentes Buch. Nach der Lektüre weiß man, wie das Leben in einer Männer-WG funktioniert – oder funktionieren könnte, Stereotypen hin oder her: Pornöse Flokatiteppiche, (geträumte) Dreier und fiese Vermieter, die einem das Leben schwer machen. Ein Autor, der seine Sprache gefunden hat, wie auch ein Auszug aus seinem kommenden Buch (“Wir tun es für Geld“, ab Sommer 2010) zeigt: Banales, skurriles wechselt rapide und abrupt mit tiefsinnigen Betrachtungen. Literatur muss nicht so funktionieren, dass sie es aber kann, ist wieder schön.

Hermann Bräuer, der dritte im Bunde, ist Exil-Münchner. Seine Hommage an die achtziger Jahre „Haarweg zur Hölle“ ist ein Kaliber, wie man es nur selten auf Lesungen zu hören kriegt. Da ist von Bandnamen die Rede, von Künstlerpseudonymen wie „Rex Roncalli“, „Sex McNasty“ und wie man am Besten onaniert. Denn der Zusammenhang zwischen einer Badewanne, einem steifen Penis und einer Fliege ohne Flügel ist zwar eine altbekannte Urbanlegend, dies allerdings tut der Sprachgewalt und der Glaubwürdigkeit des Autors Hermann Bräuer keinen Abbruch. Im Gegenteil, selten zeigen die Achtziger ein literarisches Rock´n Roll-Gesicht wie an diesem Abend und die spürbare Sehnsucht, ein wenig Kalifornien nach Bayern zu holen.

Jan-Uwe Fitz himself schließlich zeigt, warum er der Taubenvergrämer ist. Ob es nun die ungewollte Mitgliedschaft im Ersatzzeugenausliederungsprogramm des LKA ist, oder der stückweise Diebstahl von Venedig in die Lüneburger Heide (alles im Auftrag des Stadtmarketing) – dieser Mann weiß zu unterhalten.

Ein Ort wie das traditionsreiche i-camp (es besteht seit 1993) ist jedenfalls bestens dafür geeignet, Webliteratur, herkömmliche Autoren mit „Büchern“ in der Hand und ein multimedial vernetztes (und den Worten des charmanten Moderators „Schoss“ zufolge auch hochgradig gut aussehendes und intelligentes) Publikum zu präsentieren. Gegenwartsliteratur in vielen Facetten. So soll es sein und dank muc852 darf man auf das nächste Jour Fitz im Mai 2010 gespannt sein.

Bildrechte: Mit freundlicher Genehmigung von nachrichten-muenchen.de

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