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Schluss mit Eierstocklotterie – Erben mal anders in der neuen Komödie Jeeps in den Kammerspielen

Fiona Rachel Fischer

Ein Experiment zum Thema „Erbwichteln“ – das fasst das neue Stück „Jeeps“ in den Kammerspielen gut zusammen. Das Werk der Münchner Autorin und Regisseurin Nora Abdel-Maksoud feierte am Sonntag ,21.11. seine Premiere. Aber was kann eine Komödie zu Vermögensumverteilung und Erben schon bieten? Alles was das Herz begehrt!

Grundsätzlich gesprochen setzt sich Jeeps mit dem Erbprinzip unserer Gesellschaft kritisch auseinander. Die sogenannte „Eierstocklotterie“ bestimmt bereits bei Geburt an, welches Vermögen in der Familie zur Verfügung steht und voraussichtlich irgendwann einmal geerbt wird – je nachdem, in welche Familie und welche Schicht man hineingeboren wird.

Erben mal ganz anders

Nach aktuellen Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft werden bis zu 400 Milliarden Euro jährlich in Deutschland verschenkt oder vererbt. Eine Umverteilung dieser Summe könnte einige soziale Veränderungen bewirken.

Jeeps macht deshalb ein gedankliches Experiment: das Arbeitsamt, in dem das Stück spielt, zieht jegliches Erbe ein und verlost es an diejenigen Erbenden, die ein Los beantragen. Mit Glück gewinnt man mehr, als die eigenen Vererbenden weitergegeben hätten; doch man kann dabei auch fremde Schulden erben. Auf der anderen Seite der ‚Enterbten‘, die in der Komödie Schlange stehen, sind diejenigen, die auf die Grundsicherung des Arbeitslosengelds angewiesen und schon lange ohne Arbeit sind.

Vincent Redetzki als Gabor in Jeeps. ©Armin Smailovic

Das Thema ist weder trocken noch traurig

Das Thema mag vielleicht recht trocken klingen, doch das Stück ist es absolut nicht. In Jeeps prallen Welten auf einander und das auf eine so humorvolle und satirische Weise, dass sich das schallend lachende Publikum oft kaum wieder beruhigen kann.

Gro Swantje Kohlhof in Jeeps. ©Armin Smailovic

Gleich zu Beginn wird die emotionale Seite des Erbens angesprochen: Im Zuge des „Schlüssel-und-Fertig“-Service gibt man als Hinterbliebener den Schlüssel zum Wohnsitz des Verstorbenen und eine Unterschrift ab. Das Arbeitsamt kümmert sich um Entrümpelung, Auflösung und den ganzen sonstigen Nachlass. Diese anfängliche Szene ist unfassbar witzig dargestellt, und spricht zugleich die (un-)menschliche Seite des Umverteilungsprojekts an. Doch damit ist das Thema Trauer erstmal abgehakt.

„Man muss das System von Innen sprengen“

Zwar ist das „Erbwichteln“ bereits eine Revolution in unseren Augen, doch auf der Bühne bricht bald eine weitere Revolution gegen die Umverteilung aus. Dabei kommt Sprengstoff zum Einsatz, aber auch eine gehörige Portion Verwirrung der Charaktere. Denn sowohl die zwei Beamten (Stefan Merki und Vincent Redetzki), als auch die rebellierende Enterbte (Gro Swantje Kohlhof) und die Arbeitslosengeldempfängerin (Eva Bay) erkennen, dass die Situation ganz und gar nicht einfach ist.

Vincent Redetzki in Jeeps. ©Armin Smailovic

Die Leichtigkeit, mit der man Entscheidungen fällt

In Jeeps wird eine Vielfalt von Themen besprochen, die sich rund um das Thema Erben, Vermögen und soziale Gerechtigkeit drehen. Die Verkomplizierung all dessen durch die Bürokratie ist außerdem ein wiederkehrendes Motiv in dem Stück. Man muss „fließend Amt“ sprechen, um sich in der Welt der sozialstaatlichen (Un-)Möglichkeiten überhaupt zurecht zu finden. Anderseits sieht ein Beamter des Arbeitsamtes genau das als Stärke: „Die Verwaltung ist ein Bollwerk gegen die Diktatur. Das ist größer als die, größer als ich.“ Das liebe Geld steht jedoch immer im Vordergrund und wirft in der Komödie einige Fragen auf. Wie definieren wir uns über unser Vermögen? Wie leicht fallen uns deshalb Entscheidungen?

„Geld ist immer mit Scham verbunden“

Die vier Schauspieler*innen schaffen es jedoch, diese verzwickte Situation dem Publikum in einer kraftvollen Performance zu vermitteln. Tatsächlich wirkt die Struktur des Stückes so kompliziert wie die sozialen Problemstellungen, die es behandelt. In der Handlung gibt es immer wieder Zeitsprünge, mehrere Schauspieler erzählen eine Geschichte, doch wechseln sich im Sprechen, teilweise mitten im Satz, immer wieder ab.

Enik in Jeeps. ©Armin Smailovic

Doch dank Kommentaren, die einzelne Spieler*innen direkt an das Publikum richten, während die eigentliche Handlung eingefroren ist, ist es absolut kein Problem, der Geschichte zu folgen. Im Gegenteil: durch diese Struktur wird es erst möglich, einzelne Motive und Hintergründe zu erklären oder die Aussagen der anderen zu kritisieren. Außerdem sind die Kommentare, Wortgefechte und Einwürfe von großem Humor und scheinbar spontanem Witz geprägt. Musikalische Einlagen (Enik) lockern das Stück zusätzlich auf und vermitteln die emotionalen und rebellischen Stimmungen der Handlung durch Gesang und Schlagzeugrhythmen.

Stefan Merki, Vincent Redetzki, Gro Swantje Kohlhof, Eva Bay & Enik in Jeeps. ©Armin Smailovic

Bunt statt Schwarzweiß

Die vielen Ebenen, die im Verlauf der Komödie so immer weiter dazukommen, lösen die anfängliche Schwarzweiß-Situation auf und machen das Stück bunt. Die Protagonist*innen bekommen immer mehr Farbe und Hintergrund, und auch die sozialen Themen gewinnen an Tiefe. Das Stück spitzt sich immer mehr zu, die Charaktere werden emotionaler, Intrigen kommen ans Tageslicht, bis es zum Schluss eskaliert – wie verraten wir aber nicht.

Während die Uraufführung in Gange ist, fällt auf, wie sehr das Publikum lacht und von den Witzen und Karikaturen des Stücks mitgerissen wird. Auch die gesellschaftliche Kritik verpasst dem keinen Dämpfer, denn keine soziale Schicht wird ausgelassen; damit werden alle humorvoll, spitz und auf den Punkt genau von den Schauspieler*innen auf die Schippe genommen.

Eva Bay und Gro Swantje Kohlhof in Jeeps. ©Armin Smailovic

Auch das Münchner Herz lacht

Übrigens: Die preisgekrönte Drehbuchautorin und Regisseurin Nora Abdel-Maksoud, eine gebürtige Münchnerin, hat es sich nicht nehmen lassen, die Parallelwelt ihres Gedankenexperiments in München zu situieren und die Komödie auch sonst voller Bezüge zu unserer Landeshauptstadt zu packen.

So oder so, hat Abdel-Maksoud mit ihrem neuesten Stück Jeeps einen Volltreffer gelandet: Der Theatersaal ist voll besetzt und die Schauspieler*innen müssen sich unter tosendem Applaus mehr als sieben Mal vor dem begeisterten Publikum verbeugen.

„Es muss Zonen der Kompromisslosigkeit geben“, sagt an einer Stelle ein Beamter und damit hat er völlig recht: Jeeps geht keinen Kompromiss ein, wenn es um Gesellschaftskritik und um Witz geht – das sollte man nicht verpassen.

Aber lasst euch selbst überzeugen – die nächsten Vorstellungen sind am Donnerstag, 25.11. und am Mittwoch, 1.12. Hier kommt ihr zu dem Stück!


Beitragsbild: Stefan Merki in Jeeps. © Armin Smailovic

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