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Laura Höss
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jugendtheater

Mit „about us“ startet die Bayerische Staatsoper eine Mitmach-Bühne für Schüler. Damit investiert auch das letzte große Schauspielhaus der Stadt in einen Jugendclub. Mit Erfolg. Das Theater bietet eine Bühne zum Zeigen und Probieren, die viele suchen.

Donnerstag, 18 Uhr. Vor dem Café Brenner unweit der Maximiliansstraße ist von Krisenstimmung nichts zu spüren. Das liegt nicht nur daran, dass es sich hier um Münchens edelstes Pflaster handelt, dessen Publikum von der herrschenden Flautenlaune offenbar ziemlich unbeeindruckt zu sein scheint und weiterhin gut gelaunt Aperol Spritz für Euro 5,50 konsumiert. Unter kritisch hochgezogenen, von Kosmetikerhand wohlgeformten Augenbrauen der Münchner Schickeria, die hier normalerweise das Hoheitsrecht hat, tummeln sich etwa 70 Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren.

Als eine der letzten der großen Münchner Bühnen hat nun auch die traditionsreiche Bayerische Staatsoper ihren eigenen Jugendclub ausgerufen und zum ersten Kennenlerntreffen geladen. Das Ganze steht unter dem Motto „about us“ und wird im Sommer im Rahmen der Opernfestspiele in dem eigens errichteten Pavillon aufgeführt. „Mit dem Pavillon hat sich nun endlich eine Spielstädte für uns ergeben“, erzählt Henning Ruhe, der das Projekt koordiniert. Mit dem New Yorker Komponisten Elliott Sharp wurde zudem jemand gefunden, der schon lange eine Oper für Jugendliche machen wollte. So sei eins zum anderen gekommen. „Außerdem haben wir großen Rückhalt im Ministerium“, erzählt Ruhe.

Der Trend zum hauseigenen Jungbrunnen hat im Jahr 2001 in den Kammerspielen begonnen. Es begann mit der Aufforderung „m8 mit!“. Man wollte junge Leute ins Haus holen und mit ihnen modernes, zeitgenössisches Theater machen, das aktuell und gesellschaftspolitisch ist und sich den Ansichten Jugendlicher nicht verschließt, erzählt Elke Bauer, Leiterin der Theaterpädagogik an den Kammerspielen. Dabei sei die Intention nicht gewesen, Zuschauer für morgen zu rekrutieren, sondern Jugendlichen zu zeigen, was Theater sein kann.

Das Konzept ging auf. So betreuen die Kammerspiele inzwischen fünf Gruppen parallel und standen Modell für ähnliche Projekte an anderen Häusern. Mittlerweile bieten alle großen Münchner Bühnen Theaterclubs für Jugendliche an. Die Konzepte sind unterschiedlich und der Philosophie des jeweiligen Hauses angepasst. Die Idee dahinter ist aber überall die gleiche: Jugendlichen eine Plattform zu bieten und die Möglichkeit auf kreative Weise ins Theater reinzuschnuppern.

Alle wollen in den Klub

2003 folgte das Volkstheater mit dem BackstageKlub. „Es ist nur verständlich, dass ein Haus, das sich so explizit an ein junges Publikum wendet wie das Volkstheater auch ein Angebot für Kinder und Jugendliche hat“, erklärt Schauspieler Robin Sondermann, der neben dem Hausregisseur und Gründer des BackstageKlubs Philipp Jescheck eine zweite Gruppe am Volkstheater leitet, die aufgrund der vielen Anmeldungen eingerichtet wurde. „Es ist unglaublich, wir bewerben dieses Projekt fast überhaupt nicht. Aber die Resonanz ist ungeheuer groß.“ So groß, dass am Volkstheater seit dieser Spielzeit eigens eine Stelle für Theaterpädagogik geschaffen wurde.

Ein Erklärungsversuch?

In einer Zeit, in der die mediale Selbstinszenierung via Facebook und Lokalisten für die soziale Stellung in der Clique wichtiger denn je ist, wie Sondermann bei der Arbeit an dem Projekt „Me, myself and I“ feststellte, ist es vielleicht die Suche nach einer ehrlicheren Art des Ausdrucks und der Selbstwerdung auf dem Weg des Erwachsenwerdens. „Beim Theaterspielen ist man unglaublich nah bei sich“, findet auch Elke Bauer von den Kammerspielen.

Kein Wunder also, dass sich viele Projekte der Theater um den Themenkomplex „mein Leben als Mensch“ und „Wer bin ich, wo will ich hin“ drehen. So auch das Musical oder besser „musikalisch-literarische Jugendstück“, wie Holger Seitz, Leiter des Kinderund Jugendtheaters am Gärtnerplatz, das Projekt „Mensch, sterblich, sucht…“ nennt. Ein Jugendstück, collageartig zusammengesetzt aus teils selbstgeschriebenen und schon bestehenden Texten, wie Büchners Woyzek, Nietzsche oder der Ringparabel aus Nathan der Weise. Diese Szenen sind teilweise spielerisch oder durch Songs miteinander verbunden und folgen alle dem Roten Faden „(Jugend) auf der Suche nach dem Sinn“.

Das Kinder und Jugendtheater am Gärtnerplatz gibt es wie auch das Junge Schauspiel am Residenztheater seit zwei Jahren und setzt seinen Schwerpunkt auf musikalische Interpretationen: „Singtheater“ wolle man machen, erklärt Holger Seitz.

Die Bedingungen sind ähnlich wie bei den anderen Häusern: alles auf freiwilliger Basis, aber ein Mindestmaß an Disziplin wird verlangt. Allerdings wird auch Verständnis dafür gezeigt, wenn andere Dinge mal wichtiger sind als das Theater. „Nach zehn Stunden Schule kannst du nicht mehr die volle Konzentration erwarten“, so Seitz. Bei der Probe klappt es mit der Konzentration ganz gut: Sobald der Gruppenleiter „Einsingen!“, ruft versammeln sich die eben noch wild umhertollenden Schüler um das Klavier und den musikalischen Leiter Liviu Petcu, um gemeinsam „Ernten was wir säen“ von den Fantastischen Vier einzustudieren.

Von Krise kann an den Münchner Theatern keine Rede sein, zumindest was die Jugendarbeit angeht. Frei nach dem Motto „Wir ernten was wir säen“

Der Artikel ist in der aktuellen Ausgabe von mucs erschienen, dem München-Magazin der Jungen Volkshochschule. Die ganze Zeitschrift gibt’s unter mucs-magazin.de.

Foto: Annemarie Leeb

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