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Senk ju vor träwelling: die Image-Kampagnen für den deutschen Nahverkehr

Susann Westhoff

Münchens Nahverkehr. Wir lieben und wir hassen ihn, wir fluchen und wir schimpfen. Die MVG genießt keinen guten Ruf, genau so wie der MVV. Positive Assoziationen in Verbindung mit der Bahn? Eher unwahrscheinlich. Ob Kampagne, Kurzfilm oder neue Werbestrategie – alle Mittel werden ausgeschöpft, um das Unmögliche möglich zu machen: das Image soll aufpoliert werden.

Aktuell ist auf der Internetseite des MVG das neue Video „MVG Poetry“ erschienen, das mit „Überraschend. Gefühlvoll. Anders“ beworben wird. Die Animation im Comic-Stil hat Ansätze eines modernen Aschenputtel-Verschnitts, indem der gläserne Schuh als Schal, der Ball als angesagter Nachtclub und die schillernde Kutsche mit Schimmel als nächtliche U-Bahn interpretiert wird.

Das in Zusammenarbeit mit dem bayrischen Meister im Poetry Slam Alex Burkhard entstandene Video ist bislang nur im Internet zu sehen. Ab nächstem Monat soll es dann aber im Vorspann der Open Air Kinos in München laufen.

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Mit den eigenen Schwächen glänzen

Besonders sympathisch ist, dass auch selbstironisch bestehende Mängel thematisiert werden, wie zum Beispiel Verspätungen und die fehlende nächtliche U-Bahn Verbindungen in München. Umstritten bleibt allerdings, inwiefern der Clip wirklich das Potenzial hat, die Massen zu erreichen, um vom Angebot der MVG zu überzeugen.

Mit Selbstironie zum Erfolg

Die MVG ist nicht das erste Transportunternehmen in Deutschland, das es durch den Einsatz frischer und verjüngter Werbespots versucht, das schlechte Image der Branche abzulegen. Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG etwa verfolgen schon länger die Strategie ihre Kunden nicht durch Stärken, sondern die offensichtlichen Schwächen des Transportsystems für sich zu gewinnen.

https://www.youtube.com/watch?v=2pic3FnvUrY&t=1s

Die BVG steht zu den erhobenen Kritikpunkten, zu Verspätung und unverständlichen Durchsagen, zu abrupten Bremsmanövern und vermeintlich bösem Wille ihrer Busfahrer, Fahrgäste absichtlich kurz vor knapp an Haltestellen zurückzulassen, als wäre es alles mit Absicht geplant. Nahverkehr schmackhaft machen geht anders. Als Anti-Image-Version den eigenen täglichen Ablauf aber so selbstironisch zu belächeln, überzeugt.

Die Jugend bestimmt, was geklickt wird und was nicht

Außerdem fällt auf, dass die neue Ausrichtung der Werbebotschafter sich gezielt an jüngere Generationen und den Einsatz neuster Medien und Kommunikationsmittel richtet. Das Berliner Pendant zur MVG verfügt schon über einen eigenen Blog, einen Instagram– und Twitter-Account.

https://www.youtube.com/watch?v=xRdd7fyO-OY

Außerdem holt man sich deutsche Musiker ins Boot. So rappt zum Beispiel Eko Fresh 2016 in „Rollin“ für die Deutsche Bahn und das regionale Verkehrsangebot in Bayer. Und versucht damit nur nach zu machen, was Kazim Akboga mit „Is mir egal“ 2015 für die BVG schaffte.

Die Frage aller Fragen ist jedoch, lässt das fragwürdige Anti-Image-Experiment auf Verzweiflung tippen? Oder ist es ein genialer Einfall?

Lieber Süden Deutschlands: Die Erwartungen sind hoch und die Ausgaben für die neue Form von Werbung mit Sicherheit ebenfalls. Schade also, dass das Videos nicht richtig ankommt. Es wurde zwar auf Youtube über 685.800 mal angesehen, stinkt aber gegen die 1.678.744 Aufrufe der Berliner Variante deutlich ab.

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Dabei wird wieder einmal deutlich: ein großer Arbeitsaufwand und hohe Kosten sind gar nicht notwendig, da gerade gelungene Low-Budget-Projekte sich im Netz rasend verbreiten und zu viel geklickten Hits aufsteigen, wie es in Berlin der leider verstorbene Kazim Akboga gezeigt hat.

Nahverkehr – Wir können nicht ohne

Beide Verkehrsbetriebe berufen sich auf ihre wichtige Stellung in der jeweiligen Stadt: Der Nahverkehr als Ort, an dem Menschen zusammentreffen, der Menschen Zu Hause ankommen lässt und sie täglich durchs Leben begleitet. Die Bahn der Stadt, ohne die wir nicht könnten, auch wenn wir sie so oft verfluchen. Darauf baut man in den Kampagnen. Trotz aller Kritik, halten Menschen der Bahn die Treue und das erlaubt es, mit Verspätungsproblematik und Störungen so leichtfertig und spielerisch umzugehen.

Wir hoffen, dass die Ideen nicht nachlassen und die Verkehrsbetriebe auch weiterhin auf die Unterstützung durch Künstler und Kreative zurückgreifen, um Ihre Promotion zu fördern. Beide Seiten profitieren von dieser Zusammenarbeit. Jetzt bleib es spannend, mitzuverfolgen, wie der neue MVG Poetry-Clip beim Publikum der Freiluftkinos der Stadt ankommen wird. Sie entscheiden, ob Top oder Flop. Sollten es die Betriebe dann noch schaffen, neben Kampagnen-Videos Nacht-Verbindung einzurichten, die uns nach dem Sommerkino nach Hause bringen, wäre das perfekt.

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