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Streetart hinter verschlossenen Türen – Ein Besuch im TRAP HOUSE von Broke.Today

Laura Siegenführ

Von außen wirkt die Steinheilstraße 14 eher unscheinbar. Nur ein sehr aufmerksames Auge erkennt die von innen bemalten Fenster im ersten Stock. Würde man nicht wissen, was sich hinter der ausgebleichten Fassade verbirgt, hätte man keine hohen Erwartungen an diesen Ort.

Trap House in der Steinheilstraße

Hier warte ich auf Fillin und Dino vom Münchner Künstlerkollektiv Broke.Today, denn das leer stehende Haus hat einen neuen Anstrich bekommen – zumindest von innen. Vor fast vier Wochen übergab der Hausbesitzer seinen Schlüssel an Broke.Today und in kürzester Zeit fanden sich 27 Streetart-Künstler*innen, im Alter von Anfang 20 bis Mitte 50, die ein renovierungsbedürftiges Haus zu ihrem Kunstwerk “TRAP HOUSE” verwandelten.

©Matze Ried / Künstler: Gerald_Jegal

Street Art auf drei Stockwerken

Der Geruch nach modrigen Wänden und frisch gesprühter Farbe begrüßt uns beim Betreten und schnell verstehe ich, dass die unspektakuläre Fassade mit dem Inneren des Hauses nichts mehr zu tun hat. Schon im Eingangsbereich erzählt mir Fillin von den Streetart-Legenden, die hier tätig waren.

©Matze Ried / Künstler: Simon Bitterlich

Über drei Stockwerke und sieben Wohnungen erstrecken sich gesellschaftskritische Installationen, Graffitis, Tape Art, Überbleibsel aus schon lange verlassenen Haushalten, bunte Toiletten und Streetart. Eine einzelne Toilette im Treppenhaus blieb verschont und die wirkt mit ihrer beigen Blümchentapete wie ein Artefakt aus einer längst vergessen Zeit.

Auf knarzenden Treppenstufen folge ich Fillin bis unter den morschen Dachboden, Graffiti-Tags und poetische Schriftzüge schlängeln sich zu meiner Linken die Wände entlang. Nichts wirkt so wirklich geplant, aber auch nichts fehl am Platz.

©Matze Ried / Künstler: Shamey ABC

Hinter den Wohnungstüren befinden sich Werke der großen Ikonen der Münchner Streetart-Szene, aber auch von Newcomer*innen, die vor wenigen Monaten zum ersten Mal zum Bleistift griffen. Vor allem gleicht keine mehr der anderen.

Begleitet wird meine Hausführung von Fillins enthusiastischen Geschichten über spukende Ex-Nazi-Wohnungen, möglichen Schätzen, die noch in der Werkstatt im Garten versteckt liegen und philosophischen Fragen über den Wert von Kunst.

©Matze Ried / Künstler: Nico Erminold

Kunst als Zwischennutzung

Vom Charme des TRAP HOUSE verzaubert, fantasiere ich anschließend mit den beiden über einen möglichen zweiten Anstrich, das TRAP HOUSE als langfristige Kulturstätte oder Partylocation. Kulturhungrig wie man dank der Corona-Maßnahmen zurzeit eben ist, möchte man sich gar nicht vorstellen, was in so einem Haus unabhängig der Pandemie möglich wäre.

Schnell schlage ich mir die Gedanken an DJs in goldenen Toiletten, kaltem Bier in verlassenen Werkstätten und wechselnde Streetart-Ausstellungen aus dem Kopf. Die Realität ist leider eine andere: Bis Anfang Mai darf das Gebäude in der Steinheilstraße 14 zunächst bespielt werden, danach wird es grundsaniert und die Kunstwerke von Broke.Today werden zu (überteuerten) Mietwohnungen.

©Matze Ried / Künstler: Dinomaat

Es wirkt etwas paradox, dass Streetart, die so oft unrechtmäßig im öffentlichen Raum kreiert wird, jetzt in einem legitimen Ort unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Noch bevor die Corona-Notbremse in Kraft trat, konnten sich ein paar Glückliche, die sich schnell genug einen Timeslot sicherten, das ganze Haus besichtigen und teilweise sogar Kunstwerke erwerben.

Was mit einem Polizeibesuch endete, ist durch die aktuellen Corona-Maßnahmen gar nicht mehr möglich. Für die Öffentlichkeit bleibt das TRAP HOUSE fürs Erste leider nur eine weitere Kunstausstellung, die online zu betrachten ist. Es lohnt sich aber hoffnungsvoll zu bleiben: derzeit arbeiten die Künstler*innen von Broke.Today noch an zwei weiteren Locations, die vielleicht bald schon wieder ihre Türen öffnen dürfen.

©Matze Ried / Künstler: Fillin Guas

Beitragsbild: ©Matze Ried / Künstler: Fillin Guas

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