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“The Cleaners”: Eine verstörende Reise ins Reich der digitalen Zensur

Janna Lihl

Wer entscheidet, welche Inhalte in den Sozialen Medien gezeigt werden dürfen und welche nicht? Menschen auf den Philippinen zum Beispiel. Dort liegt der weltweit größte Outsourcing-Standort für Content Moderation. Der Film The Cleaners gibt einen Einblick in das Leben der dort arbeitenden Menschen und wirft dabei viele Fragen über die Struktur Sozialer Medien auf.

In Manila sind tausende Menschen damit beschäftigt, täglich abertausende Bilder und Videos sozialer Netzwerke zu überprüfen und gegebenenfalls zu zensieren. Jeden Tag urteilt dort eine Person in einer 10 Stunden Schicht über 25000 Bilder und stellt sich die Frage: “Delete? … Ignore?”.  Dabei bestimmen sowohl die Auflagen der Firma sowie der christlich geprägte gesellschaftliche Hintergrund des Landes, ob Bilder weltweit zu sehen sind.

25.000 Bilder täglich  die erlaubte Fehlerquote: 3 Bilder im Monat

Dass der Content von Facebook, YouTube, Twitter & Co moderiert wird, um gesetzlichen, gesellschaftlichen und moralischen Standards gerecht zu werden, ist den meisten von uns bewusst. Wie genau diese Moderation vonstatten geht wissen wir nicht. Wir können uns nur vorstellen, dass dieser Job wahrscheinlich nicht angenehm ist. Folter, Mord, Missbrauch die menschlichen Abgründe, die gesichtet werden müssen und über deren Freigabe zu entscheiden ist, sind für die MitarbeiterInnen auf Dauer schwer zu ertragen. Die Grausamkeit und der permanente Druck belasten die Psyche. Hilfe, um mit dem Gesehenen umzugehen, gibt es jedoch nicht. Im Gegenteil: Allen ModeratorInnen ist es verboten, über ihre Arbeit zu sprechen.

Die Plattformen verstärken soziale, politische und gesellschaftliche Konflikte

The Cleaners zeigt den Alltag von fünf Content ModeratorInnen, widmet sich aber auch generell den Auswirkungen der Sozialen Medien auf unsere Welt. Uns unbekannte Algorithmen bestimmen was wir täglich auf Facebook und Co zu sehen bekommen. In Myanmar beispielsweise “ist Facebook das Internet”. Die Menschen dort gehen so der Film ausschließlich über Facebook ins Internet und gehen davon aus, dass alles was auf der sozialen Plattform im eigenen Account sichtbar ist, die derzeitige Wahrheit und der Stand der Dinge ist. Die Filmemacher verweisen in diesen Szenen auf die politische Relevanz von sozialen Netzwerken und ihrer Zensur. In Myanmar habe Content, der trotz seiner verhetzenden Inhalte unzensiert blieb, zu dem Genozid an den Rohingya beigetragen oder ihn sogar hervorgerufen. Und auch in den USA wurde die Wahl von einem mehr als umstrittenen Präsidenten durch die Nutzung der undurchsichtigen Strukturen von Social Media beeinflusst.

Im Laufe des Filmes von Hans Block & Moritz Riesewick stellt die Stimme aus dem Off die Frage: “Sind wir zu faul für Demokratie?” und lässt in unseren Köpfen das dystopische Bild einer Gesellschaft entstehen, die es sich mit all den Algorithmen der sozialen Netzwerke bequem gemacht hat, ohne selbst zu recherchieren, ob das Gesehene glaubwürdig ist. Es ist so einfach in der eigenen Social Media Blase zu leben. Aber Demokratie benötigt Diversität, die Vielschichtigkeit eines breiten Meinungsbildes und gut recherchierten unabhängigen Journalimus, der nicht zuvor von großen (abhängigen) Konzernen gefiltert wird. Der Film überlässt es den ZuschauerInnen, weiter über viele Fragen nachzudenken und zu recherchieren. Er macht uns auf unser Social-Media-Verhalten und dessen Auswirkungen aufmerksam, aber gleichzeitg auch nur eine Meinung und ein Medium von vielen, über die wir uns über aktuelle Themen informieren sollten. Mit überzeugender Bildgewalt und mitreißenden, teils reißerischen Textpassagen handelt es sich hier um eine gelungene Social-Media-Kritik, die hoffentlich aufrüttelt und dazu führt, dass wir aktiv an unserer medialen Demokratie teilnehmen und die dystopische Zukunft, die der Film auf eine von Sozialen Medien bestimmte Welt eröffnet, bekämpfen.

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Der Film läuft derzeit auf dem Dok.fest 2018. Den Spielplan zum Film findet ihr hier.


In aller Kürze:

Was? The Cleaners – der Film
Wann? Ab 17.5.2018 im Kino
Wo? Deutschlandweit, die Kinos findest du hier


Beitragsbild: © Dok.fest München

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