Kultur, Nach(t)kritik

Tränen im Lustspielhaus

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Er beginnt seine Vorstellung ohne Begrüßung und ohne eine Einführung. Rolf Miller fängt mittendrin an. Auf der Bühne steht ein Stuhl und darauf liegt ein Kabelhandmikrofon. Genau hier nimmt der Kabarettist platz und lässt allein mit seiner Mimik und ein paar Gesten einige Besucher Tränen lachen. Ein Interview.

Gleich viermal nacheinander trat Rolf Miller am letzten Wochenende im Münchner Lustspielhaus auf. Wieso er so etwas macht und wieso er Kabarettist ist haben Andy Weinzierl und Daniel Rapp in einem Interview erfahren dürfen:

Auf der Bühne erzählt Miller von lustigen Erlebnissen seiner Freunde Achim und Jürgen, aber auch versteckt von politischen Problemen in unserer Gesellschaft. „Wenn er den Faden verlieren würde, würde es niemand merken“, so ein begeisterter Zuschauer. Dieser Satz beschreibt seinen Auftritt sehr gut, denn Rolf Miller beherrscht die Kunst, mit unvollständigen Sätzen und verwirrenden Themensprüngen das gesamte Lustspielhaus zum Lachen zu bringen. Unheimlich sehenswert!

Rolf, die spielst ja im Rahmen deiner Tour, ich glaub, fast 12 Mal in München. Jetzt sogar viermal hintereinander. Hat das einen besonderen Grund?
Ich spiele das Programm ja schon seit einem Jahr und insgesamt dann vier Jahre, auch sehr oft in München. Gestern habe ich aber beschlossen in Zukunft nicht mehr als zwei Auftritte nacheinander in einer Stadt zu spielen, weil ich keine Lust mehr hab quasi Abends ins Büro zu gehen. Das geht leider nicht mehr, denn ich spiele 120 – 150 Auftritte, während andere wie Priol und Nuhr 300 Auftritt im Jahr haben. Man kann sagen, dass ich nicht hauptberuflich Kabarettist bin.

Wenn du, wie eben gesagt vier Tage in einer Stadt spielst, gibt es dann einen Abend der am Besten ist oder wo kriegst du da deinen persönlichen Kick noch mal her?
Also ich war jetzt mit dem ersten Auftritt überhaupt nicht zufrieden, das war der schlechteste Auftritt seit eineinhalb Jahren mit diesem Programm. Entscheidend ist da die Tagesform von mir und die des Publikums, da kommt viel zusammen. Einen Tag später hab ich dann den besten Auftritt meines Lebens gemacht. Man kann es nicht genau wissen woran es liegt, leider.

Wenn du an einem Programm arbeitest, wie kommst du da an deine Themen? Liest du dann Zeitungen und Zeitschriften von der Süddeutschen bis zum Stern alles durch und suchst nach verwendbarem Material?
Ich hab kein Fernsehen und les kein Spiegel, obwohl ich das 15 Jahre gemacht habe. Inzwischen sammle ich nur noch was ich aufschnappe und zufällig mitkriege. Es wird nur noch jahrelang gesammelt und nach vier Jahren hör ich dann sieben Monate auf zu spielen, gucke mir die Sammlung an und dann wird nur noch am Programm geschrieben.
Außerdem möchte ich noch dazusagen, dass ich kein Comedian bin und ich nicht neben Michael Mittermeier, Mario Barth und sonstigen auftrete. Leider gibt es für Leute wie mich keine Sendung im Fernsehen, aber ich möchte mir mit befreundeten, artähnlichen Kabarettisten derzeit etwas aufbauen, wo dann auch wir, mit der dritten Art von Humor im Fernsehen und Radio vertreten sind.

Wie hat sich denn das bei dir entwickelt? Sahst du von Anfang an auf deinem Stuhl und warst quasi die Figur, die du heute noch bist, oder wie war das?
Ich hab mit sehr vielen politischen Stimmenparodien und mit vielen verschiedenen Rollen begonnen, aber irgendwann hab ich gemerkt, dass das alles nicht mein Ding ist und ich quasi auf der Bühne das Gegenteil von meinem Privatleben machen möchte. Im normalen Leben bin ich sehr schnell, nervös und mache tausend Sachen auf einmal, aber auf der Bühne eben das komplette Gegenteil und genau die Tempoverlangsamung tut mir bei Auftritten selber seht gut.
Jetzt bin ich seit 1998 diese Figur und hab lernen müssen wir das geht, das dauert alles sehr lange und es ist auch mutig, sich 90 Minuten lang auf die Bühne zu setzen.

Hast du ursprünglich einen Beruf gelernt, oder war dir das schon nach der Schule klar, dass du Kabarettist wirst?
Ich bin eigentlich Verwaltungsbeamter und habe auf einer Fachhochschule studiert aber nie gemacht. Dann hab ich Jura, Philosophie, Literatur und ein bisschen Film studiert, immer rumstudiert und da aber schon neben dem ersten Studium das erste Kabarett Programm geschrieben, weil ich im Nachhinein glaube, dass ich nie was anderes hätte machen können.
Ich hätte höchstens am Fließband jobben oder Telefoninterviews führen können. Nie wäre ich bereit gewesen in einem Beruf Verantwortung zu übernehmen, vor allem nicht für einen Arbeitgeber, wenn dann selbstständig, aber da gab’s kaum Perspektiven.

Mit Sicherheit wirst du es in jedem Interview gefragt, aber warst du früher tatsächlich schon der Klassenclown, wie man es sich bei jemandem wie dir vorstellt?
Nein, ich gehöre da zu denen, die sich nicht so richtig getraut haben, sich richtig zu melden. Zwar war ich sogar Klassensprecher, weil ich gut Fußball gespielt hab. Da kamen von mir eher trockene Bemerkungen, die dann aber auch lustig und gut waren, aber da musste ich schon allen Mut zusammen nehmen um mich das zu trauen. Also ich war definitiv nie ein Klassenclown.

Wir kommen zum Ende, Rolf. Wie entwickelst du dich weiter?
Zum Glück hab ich auf niedrigerem Niveau begonnen und habe so noch genug Luft offen nach oben. Ich denke auf der Bühne wirklich nur an den nächsten Satz und dann muss der folgende genau dazupassen. Man muss da irgendwie einen Flow und einen Groove haben.
Dabei kann man sich immer weiterentwickeln. Meist richte ich meinen ganzen Tag darauf aus, dass mein Auftritt am Abend dann stimmt. Angst vor Themenmangel hab ich überhaupt keine.

Eine letzte Frage: Hast du außer deinem Stuhl noch anderes Equipment dabei?
Ich hab gar kein Equipment dabei, ich spiel ja mit dem Kabelhandmikrofon, das passt zur Figur und ein solches gibt es auch überall. Auch einen Stuhl gibt es vor Ort, aber den muss ich wirklich testen. Ich teste da immer vier oder fünf, weil wenn das Ding quietscht oder die Lehne zu weit vorne ist, stimmt es nicht mehr mit der Figur überein.
Ich hab auch schon vergessen, den Stuhl zu testen, dann kam ich auf die Bühne und hab mir gedacht „Scheiße, jetzt muss ich 90 Minuten krumm dasitzen“. Der ist wirklich ganz wichtig.

Ja gut, dann sind wir fertig. Danke Rolf Miller und viel Spaß heute Abend!
Einwandfrei.

rolf miller

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