Kultur, Nach(t)kritik

Und sie dreht sich immer weiter… | Patti Smith auf dem Tollwood

Birgit Buchart

Punklegende Patti Smith feierte am Montag das 40-jährige Jubiläum ihres Debütalbums Horses am Tollwood München. Ein Abend voller Ehrfurcht und Begeisterung mit einer der Künstlerinnen unserer Zeit.

Ziemlich anti-punk-mäßig beginnt das Konzert auf die Minute, pünktlich um 20:00 Uhr und Patti Smith und Band betreten ohne viel Tam-Tam die Bühne. So normal? War der erste Gedanke. Der zweite blieb dann aus und wurde von Ganzkörper-Gänsehaut-Schockstarre ersetzt. So normal! Der großen Patti Smith ist ihr turbulentes Leben ins Gesicht geschrieben, die Haare wie immer zerzaust aber nun doch schon weiß. Unweigerlich schießen einem die Bilder ihres Romans „Just Kids” durch den Kopf und die Gänsehaut immer wieder aufs Neue über die Arme. Das Konzert verläuft chronologisch nach Titelliste des Albums und legt mit „Gloria“ einen perfekten Start hin, denn es ist nicht zu übersehen: Die meisten im Publikum schwelgen in ihren Jugenderinnerungen. Nach „Free Money“ heizt Patti der Nostalgie im Zelt noch ein wenig ein und dreht langsam und bedacht die metaphorische LP um, setzt die Nadel neu auf und startet die zweite Hälfte des Konzertes. Ihre Worte.

Ein Patti Smith Abend ist aber, so haben wir am Montag gelernt, einiges mehr als nur ein gewöhnliches Konzert. Zwischendurch erinnert sie ihre Fans daran, dass sie vor allem auch Poetin ist und trägt ihre Texte wie gewohnt künstlerisch dar. Schön, tiefgründig und dunkel. Und gerade wenn man sich komplett darauf eingelassen hat und tief in ihrer Musik versunken ist zerschmettert sie die Stimmung: „Excuse me for a second“, unterbricht sie den Song und rennt von der Bühne. Die Band spielt weiter, scheinbar überrumpelt aber nicht wirklich überrascht. Mit einem breiten Grinsen und der Entschuldigung: „Sorry, I had to take a piss“, kommt sie nach wenigen Sekunden zurück und beendet das Lied. Das Publikum liebt sie für gerade diese groteske Mischung aus Melancholie und Witz. Sie ist immer noch punk!

Ihre Songs widmet Patti Jimmy Hendrix, Jim Morrison, den Ramones, Lou Reed und natürlich Robert Mappelthorpe und macht dem Publikum mal wieder bewusst, wer da eigentlich vor ihm steht. Eine unserer letzten großen Künstlerinnen mit Herz. Patti Smith hat München am Montag gezeigt, dass ihre Musik und Mentalität auch heute noch bestens funktioniert. Unverändert. Und Horses wird sich wohl noch eine ganze Weile auf den Plattenspielern der Welt weiterdrehen…

Fotocredit: August Brill via CC2.0Lizenz

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