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Miete frisst Einkommen: Neue Studie zeigt, wieviel Münchner*innen zum Leben bleibt

Celine Edinger

Münchener Mieten haben fast schon Meme-Charakter. Wir alle kennen die eine Frage, die immer gern gestellt wird und sich für Gespräche aller Art eignet: „Und, wie viel zahlst du?“ Dann folgen erstaunte Gesichter, wenn jemand das Glück hat, unter der Hand an eine billige Wohnung gekommen zu sein, genauso wie die üblichen Sorgenfalten, wenn das nicht der Fall ist. Mieten in München sind im Durchschnitt teuer, da sind wir uns einig. Aber was bedeutet das für die Menschen hier konkret? Eine kürzlich veröffentlichte Studie gibt Aufschluss darüber.

„Wohnkostenbelastungsquote“: Im Schnitt ein Drittel vom Einkommen

Wenn man – wie in der Studie des Bau- und Wohnungswesens Münchens – die Mieten in München mal genauer unter die Lupe nimmt, so ist es sinnvoll, sich das Verhältnis von Miete zum Haushaltsnettoeinkommen anzusehen.

Die Untersuchung mit über 7.000 zufällig ausgesuchten Teilnehmer*innen kommt zu interessanten Ergebnissen. Dort liest man: Die durchschnittliche Wohnkostenbelastung aller Haushalte in München liegt bei 32,7%.  Im Schnitt geben Münchner*innen also etwa ein Drittel ihres Haushaltseinkommens fürs Wohnen und Nebenkosten aus. Wer 40% oder mehr alleine für die Miete plus Nebenkosten ausgeben muss, der erreicht einen sehr kritischen Wert, so lautet eine Art Faustregel unter Sozialwissenschaftler*innen. Manche sprechen auch schon bei 30% von einer bedenklichen Grenze.

Wie viele Menschen betrifft das in München? Ganze 27,4% der Befragten müssen 40% oder mehr ihres Einkommens für Miete und Nebenkosten ausgeben. 12,1% geben sogar an, mehr als die Hälfte ihres Haushaltseinkommens dafür auszugeben. Das sind Zahlen, bei der wir wahrscheinlich alle erstmal schwer schlucken müssen. Bei 75% aller Münchner*innen, die zur Miete wohnen, sind das über 300.000 von (zu) hoher Wohnkostenbelastung betroffene Personen.

Prekäre Lebenssituationen – Für Geringverdiener sind hohe Mieten fatal

„Wer eh schon kein hohes Einkommen hat, für den ist eine hohe Wohnkostenbelastung deutlich schlimmer als für Topverdienende“, erklärt Beatrix Zurek, die Vorsitzende des DMB Mietervereins München. Um vergleichbare Zahlen zu erhalten, hat sich die Studie auch das Äquivalenzresteinkommen der Haushalte angesehen. Das ist das Einkommen, das nach Abzug der Ausgaben für die Wohnung übrig bleibt. Damit wird der Bedarf der Haushalte zum alltäglichen Leben berücksichtigt und mit anderen Personen verglichen.

Das Ergebnis: 24,3% der Münchner*innen leben mit weniger als 60% des durchschnittlichen Äquivalenzresteinkommens (also das Rest-Einkommen, das anderen im Durchschnitt zur Verfügung bleibt). Sie gelten damit offiziell als arm. Und die meisten trifft es doppelt: Sie haben mit hoher Wohnkostenquote und vergleichsweise geringem Einkommen zu kämpfen. Ist irgendwie logisch, dass beides tendenziell zusammen fällt. 18% haben eine zu niedriges Resteinkommen (<60% des Durchschnitts) und gleichzeitig eine zu hohe Wohnkostenbelastung (>40% ihres Einkommens). Die Münchner Statistik bezeichnet diese Menschen als „prekär“ lebend.

„Lock-in-Effekt“ – Umziehen ist keine Option

Wer sein Budget für die Miete schon bis ans prekäre Ende ausgereizt hat, den trifft schnell noch eine weitere Folge der Wohnkostenbelastung: Umziehen ist keine Option mehr. In München passiert momentan das, was in der Forschung als „Lock-in-Effekt“ bezeichnet wird. „Die Mieter*innen sind quasi in ihrer Wohnung ‚gefangen’“ schreibt die Münchener Studie. Denn anderswo ist die Miete bei steigenden Preisen höchstwahrscheinlich noch höher. Dazu sagt Zurek: „Besonders problematisch ist es für diejenigen, die etwa wegen einer Eigenbedarfskündigung aus ihrer aktuellen Wohnungen ausziehen müssen und schnell etwas Neues brauchen. Oder für Menschen, die ein größeres Zuhause dringend benötigen, etwa weil sie Kinder bekommen haben.“

Gescheiterte Lokalpolitik? – Wie es soweit kommen konnte

Bei all diesen Statistiken drängt sich früher oder später die Frage auf: Wie konnte es eigentlich so weit kommen? Warum müssen Menschen in München in prekären Verhältnissen leben, nur um ihre Miete zahlen zu können? Die Antwort auf diese Frage ist nicht leicht, da ist sich auch Lokalpolitiker Christian Köning, Vorsitzender der SPD München, sicher. Die Stadt München verfolge eigentlich schon immer das Ziel, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, hält seit jeher an ihrem Wohnungsbestand fest und will bis 2030 100.000 weitere Wohnungen gemeinnützig organisieren. „Auf der anderen Seite hat der Freistaat Bayern sehr viel Wohnungseigentum, das früher in öffentlicher Hand war, privatisiert. Der Freistaat verfolgt eine ganz andere Form von Wohnungspolitik als die Stadt München“, so Köning. Außerdem hätte München auch mit seiner begrenzten Fläche zu kämpfen. In vielen umliegenden Gemeinden wird neuer Wohnungsbau nicht gerade begrüßt, erzählt er.

16€ pro Stunde – Kann ein Münchener Mindestlohn die Lösung sein?

In Zeiten, in denen Wohnraum ausbauen und Immobilien ankaufen nicht mehr ausreicht und eine bundesweite Mietpreisbremse von der FPD blockiert wird, hat die SPD unter Oberbürgermeister Reiter noch einen anderen Vorschlag: einen Münchener Mindestlohn. Köning: „Wir haben sauber ausrechnen lassen, wie viel man in München verdienen müsste, um von seiner Arbeit gut leben zu können und nicht auf staatliche, weitere Hilfen angewiesen zu sein.“ Das Referat für Arbeit und Wirtschaft kommt auf 16€ pro Stunde. Diesen Lohn zahlt die Stadt jetzt schon und will in Zukunft auch Vergaben von Projekten und Dienstleistungen davon abhängig machen, ob der Münchener Mindestlohn eingehalten wird. Nach Londoner Vorbild will man mit gutem Beispiel vorangehen und hofft, dass private Unternehmen mitziehen. Denn: „Die Stadt muss für alle da sein und bezahlbar sein“, findet Köning – ein optimistisches Schlusswort zu diesen erschreckenden Zahlen.

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