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Vier in München – eine Liebesgeschichte, 1. Kapitel

Simone Mellar
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Mucl, Guerilla-Gustl, die blonde Bavari und Indierocker Max – vier Münchner und ihr Leben in einer chronisch unterschätzten Stadt. Die neue Lebens- und Liebesgeschichte mit und über München. Der wohl einzige Roman, in dem du vielleicht mal auftauchst. 1. Kapitel: Mucl kehrt zurück und hält schon die ersten Flyer in der Hand.

Teil 1:

Sonntag, 19:35h, Flughafen München. Das Haar sitzt. Mucl auch – doch er will endlich raus. Raus aus dieser klapprigen Konservendose, die ihr unstetes Wesen unter dem neumodischen Namen “Airbus” zu verschleiern versucht.

Unruhig verlagert er sein Gewicht von einer platt gesessenen Pobacke auf die andere und verrenkt sich den Kopf gen Fenster. Er möchte schließlich München sehen. Nein, er möchte die Stadt nicht nur sehen – er will sie anfassen, fühlen, erleben, eine Liason mit ihr eingehen, die sein Leben verändert. Endlich verstehen, warum seine Freunde nie von hier wegziehen wollten und ihn so penetrant zu sich einluden. Herausfinden, was dran ist an der Münchner Bohème und der Schwabinger Schickeria, die in seinem Land nur müde belächelt wird. Doch im Moment wünscht er sich nichts sehnlicher als seine Lieben in die Arme schließen zu dürfen.

Ãœber ein Jahr ist es her, dass er sie alle um sich haben durfte: die zierliche Bavari – von allen nur Bavi genannt – mit den weizenblonden Locken und den glühenden Wangen, deren Stimme so glockenhell wie das Rauschen eines Bachs lacht; den bayuvarischen Indie-Rocker Max von “Max and the Haxn”, dessen Blick stets zwischen schweren Wimpern und tiefen Augenringen in die Herzen der Vorstadtmädels sticht; sowie den leicht neurotisch angehauchten, dafür umso sympathischeren Gustl, der als Guerilla-Gärtner Plätze bei Nacht verschönert. Was hatten sie nur für eine unbeschwingte Zeit damals, vor dem Tag X, der seine Abreise unaufhörlich in die Wege leitete. Die Tage gehörten ihnen, die Nächte sowieso. Zogen sie um die Häuser, zappelten die silbernen Fische euphorisch im Brunnen und der King schmiss vor Freude eine Runde im Café.

Doch in wenigen Augenblicken soll es soweit sein. Sie werden sich wiedersehen. Die fantastischen Vier haben die Chance auf eine Re-Union. Und niemand wird über die Vergangenheit reden. Was werden sie ihm erzählen? Was ist wohl alles passiert während des langen Jahres, in dem er nicht hier sein konnte? Welche neuen Clubs wird er für sich einnehmen? Wo sich den Magen köstlich füllen lassen? Wer ist so hot und wer so not? Wird ihn die Weltstadt mit Herz oder Schmerz empfangen?

Zur Einstimmung hatten ihm Bavi, Max & Gustl schon ein Appetizer-Package geschickt. Das kleine Päckchen mit der weiß-blauen Schleife ruht auf seinem Schoß. Unter dem liebevoll zusammengeknoteten Geschenkband wurde eine Karte mit der Aufschrift “erst in Minga öffnen!” geschoben. Mucl beschließt, dass es jetzt an der Zeit sei, die Schachtel zu öffnen. Er hätte jetzt gerne eine Zigarette. Doch er sitzt im Flieger und hier stehen die Regeln ausnahmsweise seinem Heimatland in Nichts nach. Mit zittrigen Fingern löst er das Band, wickelt es auf und legt es auf den freien Platz neben sich. Behutsam hebt er den Deckel an und stellt auch diesen zur Seite.

Im Inneren der mit rotem Seidenpapier ausgeschlagenen Box stapeln sich Flyer, herausgerissene Zeitungsartikel und Polaroids aus vergangenen Tagen. Auf den Fotos stolpern Mucl, Bavi, Max & Gustl trunken durch die Hinterhöfe dieser Stadt, lachen ausgelassen oder philosophieren angestrengt zu den Füßen des Monopteros. Die bereits leicht vergilbten Zeitungsseiten sind Zeugen ihrer Vergangenheit und zeichnen ihren gemeinsamen Weg nach. Die vielen bunten Flyer hingegen sollen wohl als Orientierung in Richtung Zukunft gelten. Ein kleines Faltheft informiert über das Asiafilmfest und eine kleine handschriftliche Notiz von Bavi weist auf den Film “Love Exposure” am Dienstag um 13:30h im Gloria Palast hin. Ein schwarz-roter Zettel spricht von einer multimedialen Lesung unter dem Thema “Hard Clubbing” am 7. November im Subkultur in Fürstenfeldbruck. Ein anderer lädt am Freitag (6.11.) zur Club Moral in die Rote Sonne ein. Ein verschmitztes Lächeln huscht über Mucls Gesicht. Gerade als er sich eine lange Strähne seines dichten Haars aus der Stirn wischen will, hallt die Aufforderung, die Maschine zu verlassen, durch den kühlen, elliptischen Raum.

Ein paar Minuten später steigt Mucl langsam die angerollte Treppe hinunter. Bedächtig zieht er die frische Kälte ein, lässt sie in seinen Lungenflügeln flattern, hebt die Brust und hält kurz den Atem an. Glücklich kneift er seine müden Augen vor der blendenden Sonne zusammen, hebt die Hand zum Schirm gebogen über die Brauen und lässt den Blick über das Rollfeld schweifen. Er setzt den Fuß auf den harten Boden und ist gelöst: seine Beine auf Münchner Boden. Das Abenteuer kann beginnen!

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