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Warum tust du das? Mit Heiko Bielinski

Esra Yüceyurt

Wo soll ich nur parken? Ich hoffe ich stehe nicht im Stau… Diese und vermutlich noch ähnliche Gedanken hat sich wohl jede*r schonmal gemacht, wenn es um eine Autofahrt in München geht. Schon mal daran gedacht, das Auto nicht spazieren zu fahren und auf andere Mittel und Wege zurückzugreifen? Undenkbar? Falsch! Heiko Bielinski war zunächst auch unsicher, was das Leben ohne PKW angeht. Uns erzählt er von seinem Buch und was die besten Alternativen sind, um nachhaltig mobil zu sein.

Warum tust du das?

Warum ich kein Auto mehr besitze? Ich und meine Familie waren irgendwann so genervt von dem ganzen Aufwand, den wir für unser eigenes Auto betreiben mussten, dass wir es verkauft haben und seitdem deutlich weniger genervt sind.

Warum ich das Buch geschrieben habe? Im letzten Münchner Rathaus-Wahlkampf hat vor allem eine bestimmte Partei auch damit argumentiert, dass man als Familie in München auf jeden Fall ein Auto braucht. Da hab ich mir gedacht: „Moment mal, wir sind eine Münchner Familie und leben seit mehreren Jahren ohne eigenes Auto.“ Ich hatte schon seit unserem Autoverkauf in meinem Blog regelmäßig über unser autobesitzloses Familienleben geschrieben und da entstand die Idee, mit einem Buch noch mehr Menschen zu erreichen und zu zeigen, dass ein Leben ohne eigenes Auto, wenn die Voraussetzungen stimmen, sogar sehr gut möglich ist.

Buchcover © Heiko Bielinski

Worum geht es in deinem Buch?

Ich habe das Buch als Ratgeber geschrieben. Man kann damit Schritt-für-Schritt herausfinden, ob man ein eigenes Auto benötigt oder ob es vielleicht ohne viel besser und günstiger wäre. Die Schritte basieren auf unseren persönlichen Überlegungen. Wir haben damals fast ein ganzes Jahr lang nachgedacht, ob wir verkaufen sollen, haben Pro und Contra-Listen geschrieben und Excel-Berechnungen durchgeführt. Das und noch ganz viele Alltags-Tipps aus unseren jetzt schon acht autobesitzlosen Jahren habe ich mit in das Buch gepackt. Das Buch soll eine andere Perspektive auf die persönliche Mobilität ermöglichen und hoffentlich die Ängste nehmen, die sehr viele Menschen immer noch beim Gedanken an ein Leben ohne eigenes Auto haben.

Wie soll der Platz in der Stadt zukünftig verteilt werden?

Die kurze Antwort: gerechter

Etwas länger: Individueller Autoverkehr nimmt in München aktuell noch viel zu viel Platz ein. Und zwar nicht nur der fließende Verkehr, sondern vor allem der stehende. Die meisten Menschen nutzen ihr Auto maximal eine Stunde am Tag, die restliche Zeit steht es ungenutzt rum und beansprucht viel zu viel öffentlichen Raum. 

Der städtische Raum muss umverteilt werden. Die Realität ist noch oft: Autos haben vier Spuren, Fußgänger*innen und Radfahrer*innen quetschen sich auf knappe Gehwege, auf die mit ein bisschen Farbe ein Radweg gepinselt wurde. Es muss mehr öffentlichen Raum geben für Menschen, die sich keine großen Wohnungen leisten können und dazu oft noch an vielbefahrenen Straßen wohnen. Es muss mehr und vor allem sicheren öffentlichen Raum geben für Kinder, wo sie nicht auf Schritt und Tritt von einem rechtsabbiegenden oder falschparkenden PKW gefährdet werden. Mehr Grünflächen, mehr offene Kreativ-Räume für die ganze Stadtgesellschaft. 

Mögliche Autoschäden © Heiko Bielinski

Solche Räume sind wichtig, damit alle gesellschaftlichen Gruppen in Kontakt bleiben, sich austauschen und aufeinander treffen können. Wenn alle nur noch in abgeschotteten PKW-Kapseln von der Wohnungstür bis zu irgendeinem organisierten Freizeit-Event und zurück unterwegs sind, verlieren die unterschiedlichen Gruppen den Bezug zueinander. Das kann nicht sinnvoll sein, wenn in der politischen Diskussion überall von gesellschaftlicher Blasenbildung und Spaltung die Rede ist. Menschen müssen sich sehen und miteinander konfrontiert sein um sich zu verstehen. Autos nehmen in der Stadt noch viel zu viel Platz weg und verhindern diese öffentlichen Begegnungsorte. 

Ein gelungenes, positives Beispiel sehe ich im Giesinger Grünspitz. Ich wohne nicht weit entfernt davon und immer wenn ich dort bin, habe ich das Gefühl, dass sich dort ganz Giesing trifft. Die mit mehr Geld, die mit wenig Geld, die Jungen und die Alten. Weil der Platz toll gestaltet ist und es dort keinen Konsumzwang gibt. Früher war dort der Schotterparkplatz eines Gebrauchtwagenhändlers, diese braucht kein Mensch in der Innenstadt. Plätze wie den Giesinger Grünspitz braucht jedes Stadtquartier.

Das möchte ich den Menschen vermitteln: 

Die autogerechte Stadt ist nicht gottgegeben. Die haben wir uns so in den letzten 70 Jahren hingebaut. Das heißt wir können es auch anders machen, wenn wir wollen. Wir sind einfach komplett autosozialisiert aufgewachsen, aber gerade in einer dichten Stadt wie München ist ein eigener PKW für sehr viele Anwendungsfälle rational betrachtet gar nicht sinnvoll. Viele Alltagswege legt man mit dem Rad, dem ÖPNV oder sogar zu Fuß viel schneller zurück. Ein München mit weniger Autos wäre ein schöneres, grüneres, sichereres und ein gesünderes München. 

Auf der persönlicher Ebene muss ein Leben ohne eigenes Auto kein Verzicht sein. Ganz im Gegenteil: man kann dadurch viel mehr gewinnen, als man verliert.

Was sind die besten Alternativen um nachhaltig mobil zu sein? 

Wir nutzen in der Stadt für die meisten Wege das Rad, den ÖPNV oder gehen zu Fuß. Für längere Strecken, wie z.B. Urlaub oder Familienbesuche, am liebsten die Bahn. Weil die Mobilitätsinfrastruktur leider, insbesondere in den ländlichen Bereichen, immer noch vorrangig auf das Auto ausgelegt ist, nehmen wir dann oft aber auch ein Car-Sharing-Auto. Wir sind Kunde beim Münchner Anbieter STATTAUTO. Das funktioniert super. Wir können immer das Auto buchen, welches wir gerade brauchen. Für einen größeren Urlaub den Familien-Kombi, für eine kürzere Fahrt in die Berge reicht ein kleinerer Wagen und wenn mal was zum Wertstoffhof muss, buchen wir den Transporter. 

Bielinski unterwegs mit dem Rad © Heiko Bielinski

Was ist dir besonders wichtig?

Ein lebenswerteres München mit weniger Blech am Straßenrand, dass endlich die schon länger versprochene Verkehrswende schafft (und Verkehrswende bedeutet nicht, Verbrenner-PKW eins zu eins durch E-Autos zu ersetzen). Mit viel mehr Mut, besonders auch in der Politik. Viele Bürger*innen sind im Kopf schon weiter, als mancher im Rathaus vielleicht befürchtet. 

Was magst du besonders an München?

Ich liebe es, dass ich von meiner Wohnungstür aus zu einem Konzert in die Muffathalle zu Fuß gehen kann, ich mag meine regelmäßige Laufrunde an der Isar und die vielen tollen Menschen, die ich seit über 20 Jahren hier kennenlernen durfte und immer noch neu kennenlerne. Und die Currywurst im Vivo in Haidhausen, die schmeckt auch sehr gut.

Wenn dein Buch eine Person wäre, wie wäre sie?

Hoffentlich kein besserwissender Klugscheißer, der einem ein schlechtes Gewissen macht. Lieber ein inspirierender Freund, der sich nicht aufdrängt, aber da ist, wenn man eine Frage hat.

Was erhoffst du dir für die Zukunft? 

Allgemein: Einen rationaleren Umgang mit dem Thema Mobilität. Damit wir irgendwann eine Mobilität haben, bei der Menschen nicht mehr zwingend auf ein eigenes Auto angewiesen sind. 

Und ganz konkret: ein extrem autoreduziertes München mit ganz vielen Giesinger Grünspitzen, in dem wir keine ehrenamtlichen Schülerlotsen mehr brauchen um unsere Kinder sicher in die Schule zu bekommen.

Beschreibe dein Buch in drei Worten:

Schnell zu lesen.

Wo findet man dich und dein Buch?

Im Netz: In meinem Blog berichte ich regelmäßig auch über unser autofreies Familienleben

Auf Twitter verbreite ich vor allem schlechte Wortspiele

Auf Instagram gibt es Fotos von München

Außerdem betreibe ich mit meinem Freund Ivo zusammen das kleine Webprojekt Autokorrektur München (auch auf Twitter). Dort versuchen wir mit Echtzeitdaten aus den Parkhäusern der Münchner Altstadt auf die Platzverschwendung durch motorisierten Individualverkehr aufmerksam zu machen.

In Echt: Ich bin der langsame, mittelalte Mann, der schnaufend den Berg hinterm Grünwalder Stadion hochjoggt. Später dann entweder bei einem Konzert in der Muffathalle oder einer Currywurst im Vivo (gern mit Ivo). Mein Buch gibt es in jeder Buchhandlung der Stadt.


Beitragsbild: © Heiko Bielinski

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